BGE 135 II 416 |
41. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Steuerverwaltung des Kantons Thurgau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_87/2009 vom 7. Juli 2009 |
Regeste |
Art. 21 Abs. 2 DBG; Eigenmietwert; Unternutzungsabzug. |
Der Abzug ist zu gewähren bei einer raummässigen, effektiven und dauerhaften Unternutzung des am Wohnsitz selbstgenutzten Eigentums, auf die der Pflichtige keinen direkten Einfluss hat, namentlich wenn die Kinder aus dem Eigenheim der alternden Eltern ausgezogen sind (E. 2.5). |
Erfordernis und Grenzen einer restriktiven Auslegung (E. 2.6 und 2.7). |
Anwendung auf den konkreten Einzelfall (E. 3). |
Sachverhalt |
A. X., geb. 1957, bewohnt allein ein im Mai 2006 von seinem Vater erworbenes 5 ½-Zimmer-Einfamilienhaus in A. In seiner Steuererklärung für die direkte Bundessteuer 2006 machte er einen Unternutzungsabzug vom Eigenmietwert geltend, der ihm von der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau und - auf entsprechende Rechtsmittel hin - von allen kantonalen Instanzen verweigert wurde. |
B. Am 31. Januar 2009 hat X. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Er beantragt, das kantonal letztinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und den Unternutzungsabzug zu gewähren. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
Der Beschwerdeführer argumentiert, der klare Wortlaut dieser Bestimmung mache einen Abzug vom steuerbaren Eigenmietwert einzig von einer tatsächlichen Unternutzung abhängig; eine solche sei in seinem Fall eindeutig gegeben, so dass der Abzug zu gewähren sei. Das Verwaltungsgericht hat den Abzug jedoch (wie alle kantonalen Vorinstanzen) abgelehnt. Es hebt hervor, der Wortlaut der Bestimmung gebe den Regelungszweck und den Willen des Gesetzgebers nicht vollumfänglich wieder; unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte dränge sich eine restriktive Auslegung auf; bei rein wörtlicher Auslegung könnte sogar ein Eigentümer den Unternutzungsabzug beanspruchen, der über eine Zweitwohnung verfügt und ein paar Wochen im Jahr an diesem Ort verbringt; in einem Fall wie dem vorliegenden, wo ein für die Wohnbedürfnisse einer Einzelperson überdimensioniertes Einfamilienhaus bewohnt werde, ohne dass ein Härtefall bestehe, könne der Abstrich vom Eigenmietwert nicht gewährt werden. |
2.4 Die parlamentarischen Beratungen bezogen sich im Wesentlichen auf den Modellfall älterer Wohneigentümer, nach dem Wegzug der Kinder oder dem Tod eines der Ehegatten (vgl. GOTTHARD STEINMANN, Die Besteuerung des Eigenmietwertes in der Schweiz, in: Solothurner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag, 1988, S. 481; AGNER/JUNG/STEINMANN/DIGERONIMO, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Bd. I, 1995, N. 7 zu Art. 21 DBG). Dieser Modellfall wurde in einem bestimmten Zusammenhang diskutiert, nämlich der Befürchtung, dass solche Hauseigentümer ohne Gewährung eines Abzugs vom Eigenmietwert gezwungen sein könnten, ihr Haus oder ihre Wohnung zu verkaufen, was dem Verfassungsziel der Eigentumsförderung zuwiderlaufen würde (vgl. zum Thema allgemein: HEINZ WEIDMANN, Besteuerung des Eigenmietwertes und Förderung des Wohneigentums, StR 35/1980 S. 342 ff.; siehe auch schon Urteil P.436/1985 vom 9. Dezember 1986, Sachverhalt lit. A [Begehren 3 der Initiative und Punkt 5 des Gutachtens Zuppinger], teilweise publ. in: BGE 112 Ia 240). Somit zeigt die Entstehungsgeschichte von Art. 21 Abs. 2 DBG eine starke Ausrichtung des Regelungszwecks auf Sachlagen, bei denen der Modell- zu einem Härtefall Anlass gibt bzw. geben könnte. |
Dieses Zusammentreffen von Modell- und Härtefall ist auch bei gewissen kantonalrechtlichen Regelungen des Unternutzungsabzugs massgeblich, namentlich im Kanton Zürich (vgl. PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, 1. Aufl. 2001, N. 71 zu Art. 21 DBG; siehe auch CAROLINE RUSCONI, L'imposition de la valeur locative, 1988, S. 62 f.). Die Zürcher Regelung sah den Abzug schon in früheren Entwicklungsphasen grundsätzlich für zwei Fälle vor: einerseits gegenüber Eigentümern, die wegen Verminderung der Wohnbedürfnisse ihrer Familie (Wegzug der Kinder, Tod des Ehegatten) nur noch einen Teil ihres Eigentums nutzten (vgl. ZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Ergänzungsband, 2. Aufl. 1983, N. 21 zu § 20 StG/ZH); andererseits wenn das verfügbare Eigentum das Wohnbedürfnis unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse offensichtlich überstieg (wobei ausdrücklich an die Rentner gedacht wurde, im Sinne einer im sozialpolitischen Bereich begründeten Spezialvorschrift, mit der Härtefälle zu vermeiden waren); ein offensichtliches Missverhältnis wurde grundsätzlich dann angenommen, wenn der Eigenmietwert mehr als ein Drittel der zur Deckung der Lebenshaltungskosten tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkünfte ausmachte (vgl. ZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH, a.a.O., N. 21e zu § 20 StG/ZH; MEN RAUCH, Die Besteuerung des Eigenmietwerts, 1986, S. 170; siehe auch RUSCONI, a.a.O., S. 63 ff. betreffend andere kantonale Modelle zur Vermeidung von Härtefällen; zu einer späteren Phase: vgl. u.a. RICHNER/FREI/WEBER/BRÜTSCH, Zürcher Steuergesetz, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, N. 21a zu § 20 StG/ZH). § 21 Abs. 2 lit. c des heute gültigen harmonisierten Zürcher Steuergesetzes stimmt inhaltlich mit Art. 21 Abs. 2 DBG überein (vgl. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl. 2006, N. 88 zu § 21 StG/ZH). |
2.5.2 Weiter geht es um eine Unternutzung, wie sie modellhaft dann eintritt, wenn die Kinder aus dem Eigenheim der alternden Eltern ausgezogen sind (vgl. LOCHER, a.a.O., N. 71 zu Art. 21 DBG; STEINMANN, a.a.O., S. 481; AGNER/JUNG/STEINMANN/DIGERONIMO, a.a.O., N. 7 zu Art. 21 DBG). Die Raumreserve beruht somit auf Gründen, auf welche die steuerpflichtige Person nicht direkt Einfluss hat. Das kann gegebenenfalls auch die tatsächliche Trennung oder der Tod des Ehepartners sein (vgl. MERLINO, a.a.O., N. 112 zu Art. 21 DBG). Das Problem des im Alter überdimensionierten Wohnraums stellt sich insbesondere bei voll eigenfinanzierten Häusern, wenn der Eigenmietwert marktbedingt steigt, während die verfügbaren Geldmittel gleich bleiben oder sogar abnehmen (unveränderte Rente oder Übergang von Berufslohn zu Rente; vgl. GURTNER/LOCHER, Theoretische Aspekte der Eigenmietwertbesteuerung, ASA 69 S. 613). |
Im Übrigen kann nur eine langfristige Unternutzung massgebend sein, nicht aber eine vorübergehende (z.B. wegen eines zeitlich befristeten Auslandaufenthaltes eines Kindes: vgl. LOCHER, a.a.O., N. 71 zu Art. 21 DBG; RAUCH, a.a.O., S. 169). Der Abzug wird ebenfalls dort abgelehnt, wo jemand von Anfang an eine zu grosse Wohnung erwirbt (vgl. MERLINO, a.a.O., N. 113 zu Art. 21 DBG; RICHNER/FREI/KAUFMANN, a.a.O., N. 94 zu § 21 StG/ZH). Das gilt für Neuerwerber sogar dann, wenn ein Kinderwunsch sich nicht verwirklicht (vgl. MERLINO, a.a.O., N. 113 zu Art. 21 DBG; RICHNER/FREI/KAUFMANN, a.a.O., N. 94 zu § 21 StG/ZH). Insbesondere einem in guten finanziellen Verhältnissen lebenden Pflichtigen dürfte es kaum gelingen, glaubhaft darzutun, dass er ein erst kürzlich erworbenes Eigenheim mit Raumreserve in Zukunft dauerhaft nicht als Abstellraum, Gästezimmer usw. verwenden wird. |
2.7 Gesamthaft ist festzuhalten, dass sich ein Unternutzungsabzug selbst unter Berücksichtigung der eben hervorgehobenen restriktiven Gesichtspunkte zumindest dann rechtfertigt, wenn der Modell- zu einem Härtefall Anlass gibt (vgl. LOCHER, a.a.O., N. 74 zu Art. 21 DBG; GURTNER/LOCHER, a.a.O., S. 613; siehe auch oben E. 2.4). In einem solchen Fall müssen die in E. 2.5 angeführten Voraussetzungen angesichts des Normzwecks nicht unbedingt (alle) im gleichen Ausmass gegeben sein. Diese Frage ist hier aber genauso wenig endgültig zu beantworten wie diejenige, inwiefern bzw. auf welche Weise die genannten Voraussetzungen streng(er) anzuwenden sind, wenn nur entweder der Modell- oder ein Härtefall vorliegt, oder dann, wenn weder der eine noch der andere Fall zur Diskussion steht. |
Erwägung 3 |
Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass der Beschwerdeführer das Haus schon viel länger bewohnte, zuerst zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern, dann mit seinen betagten (und von ihm betreuten) Eltern, zuletzt (nach dem Tod seiner Mutter) mit seinem Vater, bis zu dessen Auszug in ein Altersheim. Wesentlich ist die durch den Auszug des Vaters neu entstandene Lage, weshalb der Beschwerdeführer den Unternutzungsabzug überhaupt erst geltend macht. Diese Lage kann nicht als dauerhaft bezeichnet werden.
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Hinschied des einen Ehepartners der andere im Haus zurückbleibt. Es geht hier also nicht darum, ob einem marktbedingt steigenden Eigenmietwert bestenfalls gleichbleibende oder sogar verminderte Geldmittel (Rente statt Lohn) gegenüberstehen (vgl. oben E. 2.5.2). Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, dass er ohne den Unternutzungsabzug Gefahr laufen würde, das Haus verkaufen zu müssen oder sonst in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Seine Lage ist also der vierten, grundsätzlich am wenigsten schützenswerten Kategorie zuzuordnen, bei der weder der Modell- noch ein Härtefall vorliegt (vgl. oben E. 2.4). Wie die in E. 2.5 genannten Voraussetzungen bei dieser vierten Kategorie angesichts der restriktiven Verfassungs- und Gesetzesvorgaben allgemein anzuwenden sind, muss hier indessen nicht weiter geprüft werden, weil schon keine dauerhafte Unternutzung besteht. |
Dieser Auffassung kann indessen nicht gefolgt werden. Die beiden Kammern der Bundesversammlung haben das hier massgebliche Problem - unter Berücksichtigung der bestehenden kantonalen Lösungsmodelle - eingehend diskutiert. Sie haben den gesetzesanwendenden Behörden eine bestimmte Linie vorgeben wollen und ihnen gleichzeitig den notwendigen Konkretisierungsspielraum belassen, um verschiedene Fallgestaltungen differenziert zu beurteilen. Diesen gesetzlichen Rahmen haben die Anwendungsbehörden unter Einbezug von Entstehungsgeschichte, Regelungszweck und Systematik eingehalten.
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Der Beschwerdeführer rügt eine Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV): Das Verwaltungsgericht habe den Kostenspruch der Steuerrekurskommission infolge "vollumfänglichen Unterliegens" geschützt und dabei nicht gewürdigt, dass es gleichzeitig die Begründung des Einspracheentscheids als mangelhaft beurteilt habe. Für die Frage des Obsiegens oder Unterliegens in einem
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Genauso wenig liegt eine Verletzung von Datenschutzbestimmungen darin, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung die Anfrage des Beschwerdeführers mitsamt der Antwort an die kantonale Steuerverwaltung weitergeleitet hat. Wie die Steuerrekurskommission richtig ausgeführt hat, ist ein solcher Informationsaustausch unter Abgabebehörden in Art. 111 DBG ausdrücklich vorgesehen. Im Übrigen gehören Daten über Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht zu den besonders schützenswerten Daten im Sinne von Art. 3 lit. c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1).
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