Urteilskopf
139 II 134
11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Grundhof Bözberg AG gegen Regierungsrat des Kantons Aargau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_423/2012 vom 15. März 2013
Regeste
Bewilligungspflicht von Probebohrungen im Waldgebiet.
Probebohrungen im Waldgebiet bedürfen einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG, wenn das Vorhaben so gewichtige Auswirkungen auf Raum und Umwelt hat, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht. Von massgeblicher Bedeutung für die Beurteilung der räumlichen Folgen sind insbesondere die Art und Empfindlichkeit der Umgebung, in welcher das Vorhaben realisiert werden soll. Angesichts des besonderen Standorts im Wald sind die mit den fraglichen Probebohrungen verbundenen negativen Auswirkungen auf die Umgebung als so erheblich einzustufen, dass die Bewilligungspflicht nach Art. 24 RPG zu bejahen ist (E. 5.2 und 5.3).
Für den Wald nachteilige Nutzungen, die keine Rodung darstellen, können von den Kantonen gemäss Art. 16 Abs. 2 WaG aus wichtigen Gründen unter Auflagen und Bedingungen bewilligt werden. Als solche Nutzungen gelten punktuelle oder unbedeutende Beanspruchungen von Waldboden für nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen, die das Bestandesgefüge des Waldes nicht beeinträchtigen (E. 6.2). Bei den geplanten Probebohrungen handelt es sich um eine die Funktionen des Waldes zumindest temporär beeinträchtigende nachteilige Nutzung, welche eine kantonale Ausnahmebewilligung nach Art. 16 Abs. 2 WaG erfordert (E. 6.3).
A. Der Kanton Aargau will im Hinblick auf die langfristige Planung des Gesteinsabbaus Probebohrungen durchführen. Damit soll das Kalk- und Mergelvorkommen, das zur Zementproduktion benötigt wird, untersucht werden. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2006 beauftragte der Regierungsrat des Kantons Aargau das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau (BVU/AG), die für diese Probebohrungen erforderlichen enteignungsrechtlichen Verfahren einzuleiten.
Am 22. März 2007 erteilte die Abteilung für Umwelt des BVU/AG der Abteilung für Raumentwicklung des BVU/AG gestützt auf Art. 32 GSchV (SR 814.201) und § 7 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 22. März 1954 über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer unter Auflagen und Bedingungen gewässerschutzrechtliche Bewilligungen für Sondierbohrungen in besonders gefährdeten Gewässerschutzbereichen an vier Standorten, nämlich in den Gemeinden Effingen, Schinznach-Dorf, Thalheim und Unterbözberg. Gemäss dem Bestandteil der Bewilligung bildenden Gesuchsformular beträgt die Bohrtiefe am Standort Effingen 100 m. Die Bohrlöcher, welche einen Durchmesser von maximal 20 cm aufweisen dürfen, müssen nach Abschluss der Untersuchung wieder fachgerecht, nach dem Stand der Technik, verfüllt werden. Die für die Probebohrungen temporär beanspruchte Waldfläche ist auf unter 100 m2 beschränkt und zweckmässig abzugrenzen. Die Bohrungen sollen im Y-förmigen Kreuzungsbereich der Waldstrassen vorgenommen werden. Für die Bohrinstallation werden ein 25 t schwerer Bohrlastwagen (1 An- und 1 Abtransport) und ein 34 t schwerer Transportlastwagen (je 2 An- und Abtransporte) benötigt. Ausser dem Bohrgerät wird auf der Kreuzung eine Notstromgruppe, ein Spülwasserbecken und ein Rohrlager installiert. Die Wegkreuzung wird deshalb während bis zu vier Wochen mit grösseren Fahrzeugen nicht oder nur erschwert passierbar sein. Für den An- und Abtransport von Kleinmaterial und Personal wird mit rund 60 Hin- und Rückfahrten mit einem Lieferwagen (3,5 t) und mit rund 140 Hin- und Rückfahrten mit Personenwagen (2 t) gerechnet. Für das Befahren der Waldstrassen ist nach § 22 Abs. 1 lit. e der Verordnung vom 16. Dezember 1998 zum Waldgesetz des Kantons Aargau (AWaV/AG; SAR 931.111) eine schriftliche Ausnahmebewilligung des Gemeinderats notwendig (Ziffer 10 der Bedingungen und Auflagen zur Sondierbohrbewilligung vom 22. März 2007).
Am 30. Mai 2007 stellte die Abteilung für Raumentwicklung des BVU/AG bei der kantonalen Schätzungskommission nach Baugesetz
BGE 139 II 134 S. 137
Gesuche um befristete Enteignungen zwecks Durchführung von Probebohrungen (sowie An- und Abtransport der benötigten Installationen) an den vier erwähnten Standorten. Bezüglich des Standorts Effingen wurde darum ersucht, die im Eigentum der Gemeinde Effingen stehenden Parzellen Nr. 151 und 711 und die erforderlichen Zufahrtsrechte befristet zu enteignen. Gegen das öffentlich aufgelegte Enteignungsgesuch in Effingen erhob unter anderem die Grundhof Bözberg AG Einsprache. Die Einsprecherin ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 159, welches sich in unmittelbarer Nähe des Bohrstandorts befindet.
Nach einer Einigungsverhandlung überwies die Schätzungskommission die Einsprache am 30. Juni 2008 an den Regierungsrat des Kantons Aargau. Dieser wies die Einsprache am 14. Januar 2009 ab und ordnete die Enteignung für die Durchführung der Probebohrungen in Effingen samt Benutzung der zu den Bohrstellen führenden Waldstrassen an. Zudem wies er die Gemeinde Effingen an, auf entsprechendes Gesuch hin das für das Befahren der Waldstrassen gemäss § 22 Abs. 1 lit. e AWaV/AG erforderliche Ausnahmebewilligungsverfahren durchzuführen.
Gegen diesen Regierungsratsentscheid reichte unter anderem die Grundhof Bözberg AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Aargau ein. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 18. November 2009 ab, soweit es darauf eintrat. Auf eine von der Grundhof Bözberg AG gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 1C_15/2010 vom 16. Juni 2010 nicht ein.
B. Am 25. Januar 2011 stellte die Abteilung Raumentwicklung des BVU/AG bei der Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG das Gesuch, es sei festzustellen, dass die geplanten Probebohrungen nebst der (bereits erteilten) gewässerschutzrechtlichen Bohrbewilligung und der waldrechtlichen Ausnahmebewilligung gemäss § 22 Abs. 1 lit. e AWaV/AG für die Benutzung der zu den Bohrstellen führenden Waldstrassen weder einer Baubewilligung nach RPG (SR 700) noch einer Rodungs- oder weiteren waldrechtlichen Ausnahmebewilligung im Sinne des Waldgesetzes des Kantons Aargau vom 1. Juli 1997 (AWaG/AG; SAR 931.100) bedürften.
Am 23. Februar 2011 verfügte die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG bezogen auf den Probebohrungsstandort Effingen (Parzellen Nr. 151 und 711) was folgt:
BGE 139 II 134 S. 138
I. Es wird festgestellt, dass die Probebohrung nicht baubewilligungspflichtig ist.
II. Es wird festgestellt, dass gemäss langer kantonaler Praxis für die Probebohrung keine Ausnahmebewilligung für eine Rodung notwendig ist.
III. Es wird festgestellt, dass es sich bei Probebohrungen, welche sich ausschliesslich auf das Areal von Waldstrassen beschränken, nicht um eine nachteilige Nutzung gemäss § 13 WaG/AG handelt. Es ist keine Ausnahmebewilligung notwendig.
Der Entscheid wurde mit Hinweis auf die Einsichtsmöglichkeit in den begründeten Entscheid und die Gesuchsunterlagen sowie versehen mit einer Rechtsmittelbelehrung öffentlich publiziert.
Während der Auflagefrist vom 8. März bis 6. April 2011 erhob insbesondere die Grundhof Bözberg AG Beschwerde beim Regierungsrat mit dem Antrag auf Aufhebung der Verfügung der Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG vom 23. Februar 2011. Mit Entscheid vom 28. September 2011 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab.
Die von der Grundhof Bözberg AG erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Juni 2012 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 5. September 2012 beantragt die Grundhof Bözberg AG, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass für die geplanten Probebohrungen ein Baubewilligungsverfahren durch die zuständige Behörde durchgeführt werden müsse.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
5.1 Die Baubewilligungspflicht betreffend hat die Vorinstanz erwogen, die geplanten Probebohrungen seien auf eine Fläche von unter 100 m
2 und auf eine Zeitdauer von vier Wochen beschränkt und hinterliessen kaum Spuren, da die Bohrlöcher nach dem Abschluss der Untersuchungen wieder aufzufüllen seien. Die räumlichen Auswirkungen der Probebohrungen seien nicht erheblich und gingen nicht über das hinaus, was der kantonale Gesetzgeber als baubewilligungsfrei erachte. Keiner Baubewilligung bedürften namentlich
BGE 139 II 134 S. 139
Fahrnisbauten wie beispielsweise Festhütten oder Zelte bis zu einer Dauer von zwei Monaten (§ 30 Abs. 2 lit. d der aargauischen Bauverordnung vom 25. Mai 2011 [BauV/AG; SAR 713.121]);ebenso seien Erdsonden in der Regel baubewilligungsfrei, sofern die gewässerschutzrechtliche Bewilligung vorliege (§ 30 Abs. 2 lit. e BauV/AG). Die aus den Probebohrungen resultierenden Immissionen und die sich daraus ergebende Beschränkung der Befahrbarkeit der Waldstrassen genügten nicht für die Bejahung der Baubewilligungspflicht. So führten beispielsweise auch Renovationsarbeiten im Gebäudeinnern regelmässig zu störenden Immissionen und Behinderungen durch abgestellte Handwerkerfahrzeuge oder durch temporär gelagertes Baumaterial, ohne dass sie deswegen bewilligungspflichtig wären. Nicht entscheidend ins Gewicht falle, dass die Probebohrungen im Perimeter des BLN-Objekts Nr. 1'108 (Aargauer Tafeljura) und im Wald geplant seien. Die Probebohrungen auf den Waldstrassen beeinträchtigten Natur und Landschaft nur unerheblich, und die Gesichtspunkte des Natur- und Landschaftsschutzes seien in einem späteren Zeitpunkt, nämlich beim Entscheid, ob die planerischen Grundlagen für den Abbau von Kalk und Mergel geschaffen werden sollten, vertieft zu würdigen.
Zusammenfassend seien die räumlichen Auswirkungen der beabsichtigten Probebohrungen nicht derart bedeutungsvoll, dass sie einer vorgängigen Kontrolle im Baubewilligungsverfahren bedürften.
5.2 Die Probebohrungen sind im Waldgebiet geplant und dienen keinem forstwirtschaftlichen Zweck. In Frage steht daher die Erforderlichkeit einer Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG. Dem in
Art. 24 RPG verwendeten Bauten- und Anlagenbegriff liegt das Verständnis von
Art. 22 RPG zugrunde, d.h. die Anwendung von
Art. 24 RPG setzt das Vorliegen einer baubewilligungspflichtigen Baute oder Anlage gemäss
Art. 22 Abs. 1 RPG voraus.
Bauten und Anlagen gemäss
Art. 22 Abs. 1 RPG sind jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Massstab dafür, ob eine bauliche Massnahme erheblich genug ist, um sie dem Baubewilligungsverfahren zu unterwerfen, ist die Frage, ob mit der Realisierung der Baute oder Anlage im Allgemeinen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, so wichtige räumliche Folgen verbunden sind, dass ein Interesse der
BGE 139 II 134 S. 140
Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht (
BGE 120 Ib 379 E. 3c S. 383 mit Hinweisen). Die Baubewilligungspflicht soll es mithin der Behörde ermöglichen, das Bauprojekt in Bezug auf seine räumlichen Folgen vor seiner Ausführung auf die Übereinstimmung mit der raumplanerischen Nutzungsordnung und der übrigen einschlägigen Gesetzgebung zu überprüfen (
BGE 123 II 256 E. 3 S. 259).
Als Bauten gelten nach der bundesgerichtlichen Praxis auch Fahrnisbauten, welche über nicht unerhebliche Zeiträume ortsfest verwendet werden. Diese Voraussetzungen sind für vorbereitende Handlungen zu einem die Umwelt belastenden Werk jedenfalls dann als erfüllt anzusehen, wenn sie ein für die Orts- oder Regionalplanung erhebliches Ausmass annehmen, wie dies das Bundesgericht für rund zwölf Monate dauernde Probebohrungen zur Abklärung eines Standorts für die Lagerung radioaktiver Abfälle angenommen hat (
BGE 111 Ib 102 E. 6 S. 109). Für geotechnische Untersuchungen dürften die genannten Voraussetzungen erfüllt sein, wenn die damit verbundenen Terrainveränderungen zu beträchtlichen Eingriffen in die Umwelt führen und während längerer Zeit sichtbar bleiben (im Ergebnis offengelassen in
BGE 118 Ib 1 E. 2c S. 9). Der Baubewilligungspflicht können indes auch blosse Nutzungsänderungen unterstehen, die zwar keine massgeblichen Terrainveränderungen bewirken, aber erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl.
BGE 119 Ib 222 E. 3a S. 226 bez. eines Hängegleiterlandeplatzes).
Nicht bewilligungspflichtig sind nach Art. 22 Abs. 1 RPG Kleinvorhaben, die nur ein geringes Ausmass haben und weder öffentliche noch nachbarliche Interessen berühren. Darunter fallen zum Beispiel bauliche Veränderungen im Innern von Gebäuden oder für kurze Zeit aufgestellte Zelte oder Wohnwagen. Wesentlich für die Frage, ob eine Kleinbaute der Bewilligungspflicht untersteht oder nicht, sind die Art und die Empfindlichkeit der Umgebung, in welcher das Vorhaben realisiert werden soll (vgl. hierzu und zum Ganzen ANDREAS BAUMANN, Das Baubewilligungsverfahren nach aargauischem Recht, 2007, S. 46 ff., insb. 50).
5.3 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hängt die Bewilligungspflicht von Probebohrungen folglich von deren konkreten räumlichen Auswirkungen im Einzelfall ab (
BGE 118 Ib 1 E. 2c S. 9; zur Kasuistik vgl. auch WALDMANN/HÄNNI, Raumplanungsgesetz, Handkommentar, 2006, N. 15 zu Art. 22; CHRISTIAN MÄDER, Das Baubewilligungsverfahren, 1991, S. 90 f.). Entscheidend ist nach dem
BGE 139 II 134 S. 141
Gesagten, ob die Probebohrungen so gewichtige Auswirkungen auf Raum und Umwelt haben, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht; von massgeblicher Bedeutung für die Beurteilung der räumlichen Folgen sind insbesondere auch die Art und die Empfindlichkeit der Umgebung.
Der geplante Standort der Probebohrungen in Effingen befindet sich ausserhalb der Bauzone im Wald im Perimeter des BLN-Objekts Nr. 1'108 (Aargauer Tafeljura) und liegt in einem besonders gefährdeten Gewässerschutzbereich (vgl. insoweit Art. 32 Abs. 2 lit. f i.V.m. Art. 29 GSchV [SR 814.201] und Art. 19 Abs. 2 GSchG [SR 814.20]; vgl. ferner die Sondierbohrbewilligung der Abteilung für Umwelt des BVU/AG vom 22. März 2007). Damit aber unterscheidet sich der zu beurteilende Fall massgeblich von den von der Vorinstanz angeführten Vergleichsbeispielen. Der Anwendungsbereich von § 30 Abs. 2 BauV/AG ist ausdrücklich auf Bauzonen beschränkt. Ausserhalb der Bauzonen hingegen ist namentlich die Installation von Erdsonden bewilligungspflichtig, d.h. es bedarf hierfür einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG. Auch die von der Vorinstanz erwähnten Renovationsarbeiten im Gebäudeinnern betreffen in aller Regel Gebäude im Baugebiet, sodass hier die räumlichen Folgen bzw. die Auswirkungen auf die Umgebung deutlich geringer sind als bei Probebohrungen im Wald.
Die geplanten Probebohrungen nehmen zwar eine verhältnismässig geringe Waldfläche von unter 100 m2 in Anspruch und erstrecken sich über eine relativ kurze Zeitdauer von maximal vier Wochen. Dennoch sind die Auswirkungen erheblich, da neben dem benötigten Bohrgerät eine Notstromgruppe, ein Spülwasserbecken und ein Rohrlager angeliefert, installiert, betrieben und wieder abtransportiert werden müssen. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass die Auswirkungen nicht auf den eigentlichen Standort beschränkt bleiben. Vielmehr tangieren die mutmasslich rund 200 Hin- und Rückfahrten durch den Wald auch übriges Waldgebiet, wobei die genaue Anzahl und der Zeitpunkt der Fahrten sowie die zu wählende Route bislang noch nicht verbindlich festgelegt sind.
Angesichts des besonderen Standorts - Waldgebiet, BLN-Objekt und besonders gefährdeter Gewässerschutzbereich - sind die mit den Probebohrungen verbundenen negativen Auswirkungen auf die Umgebung im Ergebnis als so erheblich einzustufen, dass das Bauvorhaben einer Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG bedarf.
BGE 139 II 134 S. 142
6.1 Die Abteilung für Baubewilligungen des BVU/AG stellte mit Entscheid vom 23. Februar 2011 fest (vgl. Sachverhalt lit. B. hiervor), für die Probebohrungen sei keine Ausnahmebewilligung für eine Rodung erforderlich (vgl. Art. 5 des Waldgesetzes vom 4. Oktober 1991 [WaG; SR 921.0] und Art. 4 der Waldverordnung vom 30. November 1992 [WaV; SR 921.01]), und bei den Probebohrungen handle es sich auch nicht um eine nachteilige Nutzung des Waldes, für welche eine Ausnahmebewilligung notwendig wäre (vgl.
Art. 16 WaG). Die Vorinstanz hat diese Einschätzung im angefochtenen Urteil bestätigt und in ihrer Begründung unter Bezugnahme auf die Erwägungen des Regierungsrats ausgeführt, die Probebohrungen beschränkten sich auf das Gebiet von Waldstrassen. Deren Zweckentfremdung sei mit maximal vier Wochen kurz befristet. Die auf die Waldbewirtschaftung mit grossen und schweren Fahrzeugen ausgelegten Waldstrassen vermöchten die mit den Probebohrungen verbundenen Fahrten schadlos zu bewältigen, und die Funktion der Waldstrassen als forstliche Anlagen bleibe auf Dauer erhalten. Der Umstand, dass die Waldweggabelung während eines Monats nicht oder nur erschwert mit zweispurigen Fahrzeugen befahrbar sei, schränke die Produktionsfähigkeit des angrenzenden Waldbodens nicht ein. Auch das Wild werde durch die Bohrarbeiten samt den damit verbundenen Fahrten mutmasslich nicht stärker gestört als durch ordentliche Forstarbeiten. Insbesondere sei damit zu rechnen, dass das Wild die Umgebung der Bohrstelle nur vorübergehend meide und nicht dauerhaft vertrieben werde. Ebenfalls nur geringfügig beeinträchtigt sei schliesslich die Erholungsfunktion des Waldes.
Bei dieser Ausgangslage sei für die Probebohrungen keine Rodungsbewilligung gemäss Art. 5 WaG notwendig. Ebenso wenig sei eine Ausnahmebewilligung für eine nachteilige (Wald-)Nutzung nach Art. 16 WaG bzw. § 13 AWaG/AG erforderlich, da die Funktion und die Bewirtschaftung des Waldes weder gefährdet noch relevant beeinträchtigt würden.
6.2 Das Waldgesetz bezweckt die Erhaltung und den Schutz des Waldes, soll dafür sorgen, dass der Wald seine Funktionen erfüllen kann, und die Waldwirtschaft fördern und erhalten (
Art. 1 Abs. 1 WaG). Als Wald gelten auch Waldstrassen (
Art. 2 Abs. 2 lit. b WaG). Bauvorhaben, die den Waldboden dauernd oder vorübergehend zweckentfremden, bedürfen einer Rodungsbewilligung (
Art. 4 WaG). Rodungen sind grundsätzlich verboten (vgl.
Art. 5 Abs. 1 WaG). Eine
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Ausnahmebewilligung darf gemäss
Art. 5 Abs. 2 WaG erteilt werden, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass für die Rodung wichtige Gründe bestehen, die das Interesse an der Walderhaltung überwiegen und zudem die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: das Werk, für das gerodet werden soll, muss auf den vorgesehenen Standort angewiesen sein (lit. a); das Werk muss die Voraussetzungen der Raumplanung sachlich erfüllen (lit. b); die Rodung darf zu keiner erheblichen Gefährdung der Umwelt führen (lit. c). Die Erteilung einer Rodungsbewilligung befreit nicht von der Einholung einer Baubewilligung nach Art. 22 oder 24 RPG (vgl.
Art. 11 Abs. 1 WaG). Die Beanspruchung von Waldboden für forstliche Bauten und Anlagen sowie für nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen gilt nach
Art. 4 lit. a WaV nicht als Rodung und stellt somit keine Zweckentfremdung des Waldes dar. Umgekehrt folgt daraus, dass nichtforstliche Bauvorhaben, ausgenommen Kleinbauten und -anlagen, als eine Zweckentfremdung des Waldes zu betrachten sind. Sie bedürfen deshalb einer Rodungsbewilligung und, wie die forstlichen Bauvorhaben, immer auch einer Baubewilligung nach RPG.
Für den Wald nachteilige Nutzungen, die keine Rodung darstellen, sind grundsätzlich unzulässig, dürfen aber von den Kantonen aus wichtigen Gründen unter Auflagen und Bedingungen bewilligt werden (Art. 16 WaG). Als solche Nutzungen gelten punktuelle oder unbedeutende Beanspruchungen von Waldboden für nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen, wie bescheidene Rastplätze, Feuerstellen, Sport- und Lehrpfade, erdverlegte Leitungen und Kleinantennenanlagen, die das Bestandesgefüge des Waldes nicht beeinträchtigen (Botschaft des Bundesrats vom 29. Juni 1988 zum WaG, BBl 1988 III 191). Die nichtforstlichen Kleinbauten und -anlagen benötigen somit zwar keine Rodungsbewilligung, weil sie den Wald nicht geradezu zweckentfremden. Da sie für diesen jedoch nachteilig sind, bedürfen sie einer Ausnahmebewilligung des Kantons und, weil sie als nachteilige Nutzungen dem Zweck des Waldes jedenfalls nicht ganz entsprechen, einer Baubewilligung nach Art. 24 RPG.
Die Beurteilung, ob eine nichtforstliche Kleinbaute vorliegt, hat in erster Linie mit Blick auf den Umfang und die Intensität des beanspruchten Waldbodens zu erfolgen, wobei ein strenger Massstab anzusetzen ist, damit der Zweck der Waldgesetzgebung, namentlich die Erhaltung des Waldbestands, nicht weitgehend in Frage gestellt wird (vgl. STEFAN M. JAISSLE, Der dynamische Waldbegriff und die Raumplanung, 1994, S. 136). Weist eine Baute eine derartige Grösse auf,
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dass von einer punktuellen oder unbedeutenden Beanspruchung des Waldbodens nicht mehr gesprochen werden kann, lässt sie sich bereits aus diesem Grund nicht mehr unter den Begriff der "Kleinbaute" im Sinne von
Art. 4 lit. a WaV subsumieren. Geht eine Baute allein unter dem Gesichtspunkt ihrer flächenmässigen Ausdehnung nicht über die genannte Beanspruchung hinaus, folgt daraus jedoch nicht zwingend, dass sie als Kleinbaute einzustufen ist. Vielmehr ist in einem solchen Fall weiter zu prüfen, ob ihr Zweck auch den Einbezug eines gewissen Umschwungs bedingt und wie intensiv die Nutzung in diesem Bereich ist. Ob eine Baute oder Anlage als nichtforstliche Kleinbaute oder -anlage im Sinne der Waldgesetzgebung in Betracht fällt, ist somit in jedem Einzelfall anhand der gesamten Umstände zu prüfen (Urteil 1A.32/2004 vom 30. September 2004 E. 3.1; in: Pra 2005 Nr. 87 S. 645).
6.3 Die geplanten Probebohrungen dienen keinem forstwirtschaftlichen Zweck und stellen damit eine Zweckentfremdung der Waldstrassen als Waldboden dar. Hiervon geht im Übrigen auch die Vorinstanz aus. Eine einmalige, kurzfristige und punktuelle Beanspruchung von Waldboden (wie etwa durch das Skifahren abseits der Piste) darf mit Blick auf den zeitlichen Faktor noch nicht als vorübergehende Zweckentfremdung angesehen werden (vgl. JAISSLE, a.a.O., S. 115 Fn. 5). Bei einer Beanspruchung des Waldbodens während einer Zeitdauer von vier Wochen ist das Merkmal "vorübergehend" hingegen erfüllt. Damit liegt grundsätzlich eine vorübergehende Zweckentfremdung des Waldbodens im Sinne von
Art. 4 WaG vor.
Indes gilt die Beanspruchung von Waldboden für nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen gemäss
Art. 4 lit. a WaV nicht als Rodung. Auf der Basis der beispielhaften Aufzählung in der bundesrätlichen Botschaft, wonach etwa erdverlegte Leitungen und Kleinantennenanlagen nicht als Rodung gelten, und in Anbetracht dessen, dass vorliegend die beanspruchte Waldbodenfläche weniger als 100 m
2 beträgt und die Nutzungsdauer auf maximal vier Wochen beschränkt ist, ist bei den geplanten Probebohrungen von einer punktuellen Beanspruchung des Waldbodens auszugehen, welche das Bestandesgefüge des Waldes nicht tangiert und daher keiner Rodungsbewilligung nach
Art. 5 Abs. 2 WaG bedarf. Allerdings machen die Probebohrungen, wie dargelegt, die Anlieferung, die Installation, den Betrieb und den Abtransport von Bohrgerät, einer Notstromgruppe, eines Spülwasserbeckens und eines Rohrlagers sowie mutmasslich rund 200 Hin- und Rückfahrten durch das Waldgebiet notwendig.
BGE 139 II 134 S. 145
Aufgrund dieser mit dem Vorhaben verbundenen negativen Auswirkungen auf die Umgebung handelt es sich um eine die Funktionen des Waldes zumindest temporär beeinträchtigende nachteilige Nutzung im Sinne von
Art. 16 Abs. 1 WaG. Eine solche erfordert eine kantonale Ausnahmebewilligung, deren Erteilung gemäss
Art. 16 Abs. 2 WaG an das Vorliegen wichtiger Gründe geknüpft ist.