BGE 139 II 363 |
26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Verwaltung des Kantons Schwyz für die direkte Bundessteuer (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_1151/2012 vom 3. Juni 2013 |
Regeste |
Art. 127 Abs. 2 BV; Art. 16 Abs. 1 und 3 sowie Art. 23 lit. d DBG; Art. 7 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG; Art. 730 Abs. 1 ZGB; Art. 20 Abs. 1 OR; Steuerfolgen eines gemischten Rechtsgeschäfts, das den entgeltlichen Verzicht auf eine ins Grundbuch eingetragene Bauverbotsdienstbarkeit und den entgeltlichen Rückzug eines Baurechtsmittels zum Gegenstand hat. |
Der dingliche Rechtsbestand wird gleichermassen eingeschränkt durch die Einräumung einer belastenden und den Verzicht auf eine begünstigende Dienstbarkeit. Fälle, in welchen die Gegenleistung für den Rückzug eines Baurechtsmittels entgegen der Regel steuerfrei bleibt. Gebot der vertikalen Steuerharmonisierung (E. 3). |
Sachverhalt |
Frau A. erwarb im Jahr 2002 zwei in der Gemeinde X./SZ gelegene Grundstücke und übernahm diese in ihr Privatvermögen. Zugunsten der Parzellen lastete auf drei benachbarten Grundstücken seit dem Jahr 1896 ein im Grundbuch eingetragenes Bauverbot. Im Jahr 2006 willigte A. in die Löschung dieser Grunddienstbarkeiten ein, wofür sie von der Gegenpartei mit einer noch zu erstellenden Stockwerkeinheit und drei Einstellhallenplätzen abgefunden wurde. |
Die kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer ermittelte einen Wert der Abfindung von Fr. 2'335'000.- und erfasste diesen in der Veranlagungsverfügung 2006 als Einkommen. A. erhob Einsprache, welche die Einsprachebehörde teilweise guthiess. Diese ging nunmehr von einem Wert von noch Fr. 2'135'000.- aus, wovon sie die im Jahr 1896 mutmasslich angefallenen Gestehungskosten des Bauverbots von Fr. 10'000.- abzog. Den Restbetrag unterstellte sie weiterhin der direkten Bundessteuer. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit Entscheid vom 25. September 2012 im Sinne der Erwägungen ab.
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Mit Eingabe vom 20. November 2012 führt die Steuerpflichtige Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Veranlagungsverfügung 2006 sei dahingehend zu bereinigen, dass der Betrag von Fr. 2'335'000.- nicht mehr einkommenswirksam erfasst werde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zur weiteren Untersuchung an die kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
2.1 Art. 16 DBG (SR 642.11) bringt im Bereich der Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen das Konzept der Reinvermögenszugangstheorie ("théorie de l'accroissement du patrimoine" bzw. "imposition du revenu global net") zum Ausdruck (BGE 133 II 287 E. 2.1 S. 289; BGE 131 I 409 E. 4.1 S. 413; BGE 125 II 113 E. 4a S. 119; Urteile 2C_711/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2.1; 2C_91/2012 vom 17. August 2012 E. 3.2; vgl. auch Urteil 9C_803/2011 vom 23. August 2012 E. 3.3.4 [AHV]). Danach unterliegen aufgrund der Generalklausel von Art. 16 Abs. 1 DBG und des nicht abschliessenden Positivkatalogs (Art. 17-23 DBG) alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte der direkten Bundessteuer. Vorbehalten bleiben die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen (Art. 16 Abs. 3 DBG) und die im Negativkatalog von Art. 24 DBG abschliessend aufgezählten Fälle (zum gleichartigen früheren Recht BGE 117 Ib 1 E. 2b S. 2; BGE 114 Ia 221 E. 4a S. 227; BGE 108 Ib 227 E. 2a S. 229; 105 Ib 1 E. 1 S. 2; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, 4. Aufl. 2012, § 7 N. 7; MARKUS REICH, Steuerrecht [nachfolgend: Steuerrecht], 2. Aufl. 2012, § 10 N. 7; ders., in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, Zweifel/Athanas [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 26 zu Art. 16 DBG; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 1 ff. zu Art. 16 DBG; YVES NOËL, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, Yersin/Noël [Hrsg.], 2008, N. 24 zu Art. 16 DBG; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG (nachfolgend: DBG), 1. Teil, 2001, N. 17 e contrario zu Art. 16 DBG; a.M. jedoch HÖHN/WALDBURGER, Steuerrecht, Bd. I, 9. Aufl. 2001, S. 294). |
Im Umfang, in welchem sich Vermögenszugang und Vermögensabgang der Höhe nach entsprechen, bleibt es bei einem steuerfreien Aktiventausch. Stellt sich darüber hinaus im konkreten Einzelfall tatsächlich ein Reinvermögenszugang ein, bleibt im Privatvermögen zu prüfen, ob der Überschuss - der realisierte konjunkturelle Mehrwert - als steuerbarer Vermögens- bzw. Kapitalertrag (Art. 16 ff. DBG) oder aber als steuerfreier Vermögens- bzw. Kapitalgewinn (Art. 16 Abs. 3 DBG) zu erfassen sei (PETER LOCHER, Abgrenzung von Kapitalgewinn und Kapitalertrag im Bundessteuerrecht, recht 8/1990 S. 109, insb. 110). |
Mit Blick auf den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) und das diesen konkretisierende Reinvermögenszugangsprinzip stellt die Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne allerdings eine systemwidrige Ausnahme dar. Sie ist vom Gesetzgeber gewollt, auch aus Gründen der Veranlagungsökonomie (BGE 114 Ia 221 E. 5c S. 230 f.), aber zurückhaltend auszulegen (vgl. BGE 115 Ib 238 E. 4 S. 243 zum gleichartigen früheren Recht; REICH, StHG, a.a.O., N. 47 zu Art. 7 StHG). Ausnahmen sind vor dem Hintergrund einer allgemeinen Einkommenssteuer restriktiv zu handhaben (Urteil 2C_711/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2.4 [Leibrentenprivileg]), was auch im Bereich der Mehrwertsteuer gilt, die als allgemeine Verbrauchssteuer konzipiert ist (Urteil 2C_196/2012 vom 10. Dezember 2012 E. 2.2 [Leistungsaustausch]; BGE 138 II 251 E. 2.3.4 S. 256 [subjektive Steuerpflicht]).
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2.4 Die Veräusserung im Sinne von Art. 16 Abs. 3 DBG bedingt weiter, dass sich der Vermögenszugang nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung des Lebens als "natürliche und typische (adäquate)" Folge des Vermögensabgangs darstellt (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 157 zu Art. 16 DBG). Daran fehlt es von vornherein insoweit, als ein gemischtes Rechtsgeschäft vorliegt und dem Vermögenszugang (auch) veräusserungsfremde Teile innewohnen. Zu denken ist im Grundstückbereich etwa an die Verquickung von Kaufpreis und Entschädigung für den Rückzug der Einsprache gegen eine Umzonung oder ein Bauvorhaben. Ein Rechtsgeschäft über die Nichterhebung oder den Rückzug einer Einsprache ist selbständiger Natur. |
Der entgeltliche Verzicht auf ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf kann ohnehin unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit (Art. 20 Abs. 1 OR) problematisch sein. Mit Blick auf die genannte Norm ist zwar die Verabredung einer Vergütung für den Rückzug eines nicht aussichtslosen Baurechtsmittels unbedenklich (Urteile 4A_37/2008 vom 12. Juni 2008 E. 3; 4C.207/1997 vom 9. April 1998 E. 3b; BGE 115 II 232 E. 4b S. 235 f.). Soweit sich der wirtschaftliche Wert des Verzichts aber bloss aus dem möglichen Schaden wegen der Verlängerung des Baubewilligungsverfahrens und nicht aus den schutzwürdigen Interessen des rechtsmittelführenden Nachbarn ergibt, ist die "Kommerzialisierung des Verzichts" praxisgemäss sittenwidrig (Urteile 4A_657/2011 vom 8. Februar 2012 E. 3, in: SJ 2012 I S. 433; 4A_21/2009 vom 11. März 2009 E. 5.1, in: ZBGR 91/2010 S. 109; BGE 123 III 101 E. 2c S. 105 f.). |
Im Zeitpunkt der Realisierung eines zonenkonformen Bauvorhabens wird freilich nur in Ausnahmefällen von einem positiven Schaden bzw. objektiven Wertverlust auszugehen sein. Aufgrund der herrschenden Zonenplanordnung, die eine Bebauung zulässt, besteht schon vor Verwirklichung des Projekts zumindest die Erwartung der baldigen oder gelegentlichen Überbauung. Dieser latente Umstand schlägt sich bereits mit dem Eintritt der Rechtskraft des Zonenplans unmittelbar im Verkehrswert der hinter- oder anliegenden Parzelle nieder. Insoweit lässt sich in der Regel nicht sagen, mit der Inangriffnahme des zonenkonformen Projekts gehe ein zusätzlicher positiver Schaden einher. Anders kann es sich verhalten, falls der Bauherrschaft unerwarteterweise eine Ausnahmebewilligung erteilt wird, aufgrund deren beispielsweise ein zusätzliches Geschoss oder eine andersartige Nutzung gestattet ist. Tritt kein derartiges unvorhersehbares Ereignis ein, unterliegt die Abgeltung regelmässig der Einkommenssteuer (Art. 16 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 DBG).
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Erwägung 3 |
3.1 Die Vorinstanz verwirft das Vorliegen einer Veräusserung. Sie verweist darauf, dass die Bauverbotsdienstbarkeit kein Grundstück im Sinne von Art. 655 Abs. 2 ZGB darstelle. Insbesondere handle es sich nicht um ein in das Grundbuch aufgenommenes selbständiges und dauerndes Recht (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 und Abs. 3 ZGB). Folglich lasse es sich "nicht alleine, sondern nur zusammen mit den berechtigten Grundstücken" übertragen, wie dies die Unterinstanz formuliert hatte. Das Recht sei im vorliegenden Fall ohnehin nicht an einen Dritten weiterveräussert, sondern bloss aufgehoben worden. |
Der Tatbestand von Art. 16 Abs. 3 DBG verlangt für den Eintritt des steuerfreien Kapitalgewinns im Privatvermögen, dass es zu einer Veräusserung kommt. Für die Zwecke der Grundstückgewinnsteuer hatte die Vorinstanz im parallelen Verfahren mit Entscheid vom 24. April 2009 erkannt, die Sachumstände vermöchten keine Veräusserung zu begründen, weswegen die Grundstückgewinnsteuer nicht in Betracht falle. Dieser Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen. Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass das Harmonisierungsrecht in Art. 12 Abs. 2 StHG bestimmte Vorgänge nennt, die den zivilrechtlichen Handänderungen (Art. 12 Abs. 1 StHG) gleichgestellt sind. In diesen Katalog fällt namentlich die Belastung eines Grundstücks mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des Grundstücks dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird (Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG).
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Diese Norm ist für den vorliegenden Fall von etwelcher Bedeutung: Zum einen lässt die Konzeption erkennen, dass der Steuergesetzgeber hier das zivilrechtliche Eigentum in sachbezogene Teilaspekte unterteilt (BERNHARD ZWAHLEN, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 2002, Zweifel/Athanas [Hrsg.], N. 38 zu Art. 12 StHG). Zum andern erfordert das Gebot der vertikalen Steuerharmonisierung ohnehin, bei der Anwendung von Art. 16 Abs. 3 DBG die Praxis zu den (sinngemäss) entsprechenden Bestimmungen des Harmonisierungsrechts analog heranzuziehen (zur spiegelbildlichen Konstellation Urteile 2C_407/2012 vom 23. November 2012 E. 1.3, in: StE 2013 B 92.8 Nr. 17; 2C_91/2012 vom 17. August 2012 E. 1.4 und 3.3, in: StR 68/2013 S. 158; BGE 133 II 114 E. 3.2 S. 116). |
Vorliegend geht es um die Löschung einer grundbuchlich stipulierten Berechtigung, die zugunsten der beiden herrschenden Grundstücke bestanden hatte. Anlässlich des Kaufs im Jahr 2002 erwarb die Steuerpflichtige, will man der Theorie der Teilaspekte folgen, zum einen das dingliche Vollrecht an den Grundstücken, zum andern die zugunsten dieser Grundstücke errichtete, vorbestehende Grunddienstbarkeit. Willigte die Steuerpflichtige im Jahr 2006 in die Löschung der Dienstbarkeit ein, gab sie damit ein beschränktes dingliches Recht preis und schränkte sie ihren Rechtsbestand in gleicher Weise ein, wie wenn sie ihre Grundstücke "belastet" hätte (Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG).
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Der eine wie der andere Vorgang ist mit einer Einschränkung des dinglichen Rechtsbestandes verbunden. Herrscht zivilrechtlich weitgehende Übereinstimmung der Vorgänge, kann es sich steuerrechtlich nicht anders verhalten (vgl. Urteil 2C_20/2012 vom 24. April 2012 E. 3, in: StR 67/2012 S. 517, zur ähnlichen gelagerten Handänderungssteuer). In teleologischer Auslegung von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG ergibt sich über den eng gefassten Wortlaut der Bestimmung hinaus, dass die entgeltliche Aufgabe eines beschränkten dinglichen Rechts an einem Grundstück ebenso eine Teilveräusserung darstellt wie die entgeltliche Belastung mit einem solchen. Die darüber hinaus erforderliche Verknüpfung von Vermögensabgang (Löschung der Grunddienstbarkeit) und Vermögenszugang (Übereignung von Attika-Wohnung und Einstellhallenplätzen) liegt auf der Hand: Das eine wird (nur) durch das andere hervorgerufen und bestimmt. |
3.5 Ein Vorbehalt ist anzubringen, was die unter Umständen vorliegenden veräusserungsfremden Entgeltsbestandteile betrifft. Die kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer hatte in ihrem Entscheid vom 15. Januar 2009 erkannt, mit Vertrag vom 8. September 2006 habe sich die Steuerpflichtige (auch) zum Rückzug ihrer Einsprache gegen die Bauvorhaben auf den dienenden Grundstücken verpflichtet. Dies lässt auf ein gemischtes Rechtsgeschäft schliessen. Es kann denn auch nicht rundweg ausgeschlossen werden, dass sich die Abfindung aus mehreren Komponenten (Ablösung der Dienstbarkeit, Rückzug der Baueinsprache, allenfalls Abgeltung Ausnahmebewilligung) zusammensetzte. Dies wird die Unterinstanz zu klären haben. Wäre durch den Rückzug der Baueinsprache auf den beiden Grundstücken tatsächlich ein objektiver Wertverlust eingetreten, läge ein Aktiventausch vor und käme es auch hier zu keiner Besteuerung (E. 2.6 hiervor).
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