Urteilskopf
147 II 248
19. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Gemeinderat U. und Kantonales Steueramt Aargau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_404/2020 vom 16. Dezember 2020
Regeste
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG; Behandlung und Unterbringung in einem ausserkantonalen Nicht-Listenspital (Privatspital), ohne dass der Wohnsitzkanton eine Kostengutsprache geleistet hat.
System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und Umfang der Übernahme von Kosten der ärztlichen bzw. der durch ein Spital erbrachten Heilbehandlung (E. 2.3).
Die medizinisch indizierten Kosten solcher Heilbehandlungen durch den Arzt, durch ein Listen- oder Nichtlistenspital, auch auf der Halbprivat- oder Privatabteilung, sind grundsätzlich abzugsfähig, unabhängig davon, ob sie sich durch die Wahl eines anderen Leistungserbringers (insbesondere eines Listenspitals), die Kostengutsprache durch den Wohnsitzkanton oder den Abschluss einer Zusatzversicherung hätten vermeiden lassen (E. 3.5 und 3.6).
Die zusätzlichen Hotelleriekosten auf der halbprivaten oder privaten Abteilung, die eine grundversicherte Person zu tragen hat, sind regelmässig nicht medizinisch indiziert, weshalb sie grundsätzlich nicht abzugsfähig sind (E. 3.7).
A.
A. (nachfolgend: die Steuerpflichtige) hat steuerrechtlichen Wohnsitz in U./AG. In den Jahren 1999 und 2012 unterzog sie sich einer Operation an der linken Hüfte. Die Kosten der Eingriffe wurden von der Grundversicherung übernommen. Nachdem der gewünschte Erfolg trotz zwei Operationen ausgeblieben war, beschloss die Steuerpflichtige im Jahr 2016, sich einer neuerlichen Operation zu unterziehen. Diese sollte der Steuerpflichtigen ermöglichen, wieder ohne Krücken gehen zu können. Auf Empfehlung ihres Hausarztes entschied sie sich, die Operation in der Privatklinik B. in V./ZH
BGE 147 II 248 S. 250
vornehmen zu lassen. Die Klinik ist auf der Spitalliste des Wohnsitzkantons (Aargau) nicht verzeichnet und verfügt über keine Abteilung für grundversicherte Patienten (KVG). Denoch liess die Steuerpflichtige, die über keine Zusatzversicherung (VVG) verfügt, den Eingriff vornehmen, wobei sie vorgängig keine Bewilligung des Kantons Aargau (
Art. 41 Abs. 3 KVG) einholte. Die Operation fand am 21. März 2016 statt und zog einen stationären Aufenthalt auf der halbprivaten Abteilung nach sich. Die Behandlung verlief erfolgreich.
B.
Die Operation vom 21. März 2016 und der nachfolgende Aufenthalt auf der halbprivaten Abteilung der Privatklinik B. verursachten Kosten von insgesamt Fr. 33'892.-, wovon der Kanton Aargau und die Grundversicherung einen Anteil von insgesamt Fr. 9'424.- übernahmen (alle Zahlen gerundet). Der Betrag von Fr. 24'468.- verblieb zulasten der Patientin. Er setzte sich zusammen aus der Honorarrechnung des Arztes (Fr. 10'905.-) und der Rechnung der Privatklinik B. von Fr. 13'563.-.
C.
Die Steuerpflichtige führte den Betrag von Fr. 24'468.-, den sie selbst getragen hatte, in ihrer Steuererklärung zur Steuerperiode 2016 unter den Krankheitskosten auf. Die Steuerkommission von U./AG liess mit Einspracheentscheid vom 8. Mai 2018 diesen Betrag nicht zum Abzug zu und gelangte zu einem steuerbaren Einkommen von Fr. 61'400.-. Die Begründung ging hauptsächlich dahin, dass der Eingriff auch in einem Spital, das allgemeinversicherte Patienten behandelt, hätte ausgeführt werden können. Der Eingriff als solcher sei zwar medizinisch indiziert gewesen, nicht aber die Behandlung in einer halbprivaten Abteilung. Die daraus resultierenden Kosten seien deshalb steuerrechtlich nicht als Krankheitskosten zu berücksichtigen.
D.
Dagegen gelangte die Steuerpflichtige an das Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau, Abteilung Steuern, das den Rekurs mit Entscheid vom 23. Mai 2019 guthiess. Die Mehrheit des Spezialverwaltungsgerichts erwog, aus medizinischer Sicht lägen spezielle Umstände vor, da die Steuerpflichtige nach zwei Operationen mit unbefriedigendem Ergebnis erneut dieselbe Hüfte habe operieren lassen müssen. Der dritte Eingriff, nun bei einem spezialisierten Arzt, der ausschliesslich zusatzversicherte Patienten behandle, habe zum gewünschten Ergebnis geführt. Die vorgenommenen Massnahmen seien notwendig gewesen und hätten das ärztlich Gebotene nicht überstiegen.
BGE 147 II 248 S. 251
E.
Dagegen gelangte das Steueramt des Kantons Aargau (KStA/AG; nachfolgend: die Veranlagungsbehörde) an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, das die Beschwerde mit Entscheid WBE.2019. 282 vom 27. März 2020 guthiess und den unterinstanzlichen Entscheid aufhob.
F.
Mit Eingabe vom 19. Mai 2020 erhebt die Steuerpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der unterinstanzliche Entscheid des Spezialverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2019 zu bestätigen.
Die Vorinstanz und die Veranlagungsbehörde schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) sieht von einer Stellungnahme ab. Die Steuerpflichtige repliziert. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen ist die Abzugsfähigkeit von Kosten einer ärztlichen Heilbehandlung.
2.1.1
Von den steuerbaren Einkünften einer natürlichen Person (Art. 7 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]) können im harmonisierten Steuerrecht nur die im Gesetz abschliessend genannten Abzüge getätigt werden (
Art. 9 Abs. 4 StHG;
BGE 128 II 66
E. 4b S. 71). Gemäss
Art. 9 Abs. 1 StHG werden von den gesamten steuerbaren Einkünften die zu ihrer Erzielung notwendigen Aufwendungen und die allgemeinen Abzüge abgezogen.
2.1.2
Zu den allgemeinen Abzügen gehören gemäss
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG: "die Krankheits- und Unfallkosten ("les frais provoqués par la maladie et les accidents" bzw. "le spese per malattia e infortunio") des Steuerpflichtigen und der von ihm unterhaltenen Personen, soweit der Steuerpflichtige die Kosten selber trägt und diese einen vom kantonalen Recht bestimmten Selbstbehalt übersteigen". Gemäss dem hier interessierenden § 40 Abs. 1 lit. i des Steuergesetzes (des Kantons Aargau) vom 15. Dezember 1998 (StG/AG; SAR 651.100) beläuft der Selbstbehalt sich auf 5,0 Prozent der um die Aufwendungen nach den
§ 35-40 StG/AG verminderten
BGE 147 II 248 S. 252
steuerbaren Einkünfte.
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG ist (abgesehen von der kantonalen Kompetenz, die Höhe des Abzugs zu bestimmen) abschliessend bundesrechtlich vorgegeben (
BGE 128 II 66
E. 4b S. 71) und lautet wie
Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG (SR 642.11), so dass auch die dazu ergangene Rechtsprechung herangezogen werden kann (Urteil 2A.390/2006 vom 28. November 2006 E. 3, in: RDAF 2006 II S. 409).
2.1.3
Unter die allgemeinen Abzüge fallen auch die Einlagen, Prämien und Beiträge für die Lebens-, die Kranken- und die nicht unter lit. f fallende Unfallversicherung sowie die Zinsen von Sparkapitalien des Steuerpflichtigen und der von ihm unterhaltenen Personen bis zu einem nach kantonalem Recht bestimmten Betrag, der pauschaliert werden kann (
Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG). Das Steuerrecht des Kantons Aargau sieht hierfür einen Pauschalabzug von Fr. 4'000.- für verheiratete Personen, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, und von Fr. 2'000.- für die übrigen steuerpflichtigen Personen vor (
§ 40 Abs. 1 lit. g StG/AG).
2.2.1
Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat Art. 33 Abs. 1 lit. h (und lit. h
bis) DBG im Kreisschreiben Nr. 11 vom 31. August 2005 ("Abzug von Krankheits- und Unfallkosten sowie von behinderungsbedingten Kosten") präzisiert. Zu diesem Kreisschreiben hat das Bundesgericht festgestellt, dass es mit dem Wortlaut und dem Geist von
Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG übereinstimme (vgl. Urteil 2C_450/2020 vom 15. September 2020 E. 3.3.2 f., in: StR 75/2020 S. 942 und ASA 89 S. 321). Als Verwaltungsverordnung richtet das Kreisschreiben sich vorab an die Vollzugsorgane und ist für das Gericht nicht verbindlich. Dieses berücksichtigt Kreisschreiben aber bei seiner Entscheidung, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsverordnungen ab, sofern deren generell-abstrakter Gehalt eine dem individuell-konkreten Fall angepasste und gerecht werdende Auslegung der massgebenden Rechtssätze zulässt, welche diese überzeugend konkretisiert (
BGE 142 II 182
E. 2.3.3 S. 191).
2.2.2
Ziff. 3.1 dieses Kreisschreibens umschreibt den Begriff der Krankheits- und Unfallkosten wie folgt:
"Zu den Krankheits- und Unfallkosten werden die Ausgaben für
medizinische Behandlungen, d.h. die Kosten für Massnahmen zur Erhaltung
BGE 147 II 248 S. 253
und Wiederherstellung der körperlichen oder psychischen Gesundheit, insbesondere die Kosten für ärztliche Behandlungen, Spitalaufenthalte,
Medikamente, Impfungen, medizinische Apparate, Brillen und Kontaktlinsen,
Therapien, Drogenentzugsmassnahmen etc. gerechnet.
Nicht als Krankheits- und Unfallkosten, sondern als nicht abzugsfähige Lebenshaltungskosten gelten Aufwendungen, welche
- den Rahmen üblicher und notwendiger Massnahmen übersteigen (vgl. BGE 2A.318/2004 vom 7. Juni 2004);
- nur mittelbar oder indirekt mit einer Krankheit oder einer Heilung bzw.
einer Pflege in Zusammenhang stehen (z.B. Transportkosten zum Arzt, Besucherkosten, Ersatz von Bodenbelägen für Asthmatiker);
- der Prävention dienen (z.B. Abonnement für Fitness-Center);
- zum Zwecke der Selbsterfahrung, Selbstverwirklichung oder
Persönlichkeitsreifung (z.B. Psychoanalysen) oder der Erhaltung oder Steigerung der körperlichen Schönheit und des körperlichen Wohlbefindens
(z.B. Schönheits- oder Verjüngungsbehandlungen, Schlankheitskuren oder
-operationen, sofern sie nicht ärztlich verordnet sind) getätigt werden."
2.3.1
Das KVG sieht eine obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) für alle in der Schweiz wohnhaften Personen vor (
Art. 3 Abs. 1 KVG). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen gemäss den
Art. 25-31 KVG nach Massgabe der in den
Art. 32-34 KVG festgelegten Voraussetzungen (
Art. 24 Abs. 1 KVG). Die Leistungen umfassen unter anderem die Untersuchungen und Behandlungen, die stationär von Ärzten durchgeführt werden (
Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG), und den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung (
Art. 25 Abs. 2 lit. e KVG). Zur Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind die Leistungserbringer zugelassen, welche die Voraussetzungen nach den Art. 36-40 erfüllen (
Art. 35 Abs. 1 KVG). Dazu gehören u.a. Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen (
Art. 35 Abs. 2 lit. a und Art. 36 KVG) sowie Spitäler, sofern sie (unter anderem) auf der Spitalliste des Kantons aufgeführt sind (
Art. 35 Abs. 2 lit. h und Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG).
2.3.2
Die Leistungserbringer erstellen ihre Rechnungen nach Tarifen oder Preisen (
Art. 43 Abs. 1 KVG). Tarife und Preise werden in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag) vereinbart oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt (
Art. 43 Abs. 4 KVG). Die Leistungserbringer müssen sich an die vertraglich oder behördlich festgelegten Tarife und Preise halten und dürfen für Leistungen nach
BGE 147 II 248 S. 254
diesem Gesetz keine weitergehenden Vergütungen berechnen (Tarifschutz) (
Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KVG). Für die Vergütung der stationären Behandlung einschliesslich Aufenthalt und Pflegeleistungen in einem Spital (Art. 39 Abs. 1) vereinbaren die Vertragsparteien Pauschalen (
Art. 49 Abs. 1 Satz 1 KVG). Mit diesen Vergütungen sind alle Ansprüche des Spitals für die Leistungen nach diesem Gesetz abgegolten (
Art. 49 Abs. 5 KVG).
2.3.3
Die Versicherten können für die stationäre Behandlung
unter jenen Spitälern frei wählen, die auf der Spitalliste ihres Wohnkantons oder jener des Standortkantons aufgeführt sind (Listenspital). Der Versicherer und der Wohnkanton übernehmen bei stationärer Behandlung in einem Listenspital die Vergütung anteilsmässig (Art. 49a Abs. 1 und Abs. 2 lit. a KVG), aber höchstens nach dem Tarif, der in einem Listenspital des Wohnkantons für die betreffende Behandlung gilt (
Art. 41 Abs. 1bis KVG; vgl. dazu
BGE 141 V 206
E. 3.3 S. 212 ff.). Beansprucht die versicherte Person bei einer stationären Behandlung aus medizinischen Gründen ein
nicht auf der Spitalliste des Wohnkantons aufgeführtes Spital, so übernehmen der Versicherer und der Wohnkanton die Vergütung anteilsmässig nach Art. 49a. Mit Ausnahme des Notfalls ist dafür eine Bewilligung des Wohnkantons notwendig (
Art. 41 Abs. 3 KVG).
2.3.4
Medizinische Gründe in diesem Sinne liegen bei einem Notfall vor oder wenn die erforderlichen Leistungen in einem Spital, das auf der Spitalliste des Wohnkantons aufgeführt ist, nicht angeboten werden (
Art. 41 Abs. 3bis KVG). In diesen Fällen wird die Leistung nach dem Tarif vergütet, der für das leistungserbringende Spital gilt. Dadurch wird eine lückenlose und qualitativ hochstehende Grundversorgung sichergestellt (GEBHARD EUGSTER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG, 2. Aufl. 2018, N. 36-38 zu
Art. 41 KVG). Besucht der Patient ein Spital, das auf der Spitalliste des Standortkantons, nicht aber des Wohnkantons aufgeführt ist, ohne dass die Voraussetzungen von
Art. 41 Abs. 3 und 3bis KVG erfüllt sind (sog. ausserkantonale Wahlbehandlung), so ist dies zwar seit der Revision der Spitalfinanzierung (Gesetzesänderung vom 21. Dezember 2007, in Kraft seit 1. Januar 2009 [AS 2008 2049]) auch eine Pflichtleistung der Grundversicherung, sie wird aber höchstens zum Tarif des Wohnkantons vergütet (
BGE 141 V 206
E. 3.3.2 S. 214;
BGE 138 II 398
E. 3.7.3 S. 422 f.). Der Versicherte hat die Differenz selber zu übernehmen (zum Ganzen: EUGSTER, a.a.O., N. 10-16 zu
BGE 147 II 248 S. 255
Art. 41 KVG; GÄCHTER/RÜTSCHE, Gesundheitsrecht, 3. Aufl. 2013, S. 270 f.).
2.3.5
Die Regelung des KVG hat somit zur Folge, dass zwar der Patient zwischen allen Listenspitälern in der ganzen Schweiz wählen kann, dass aber der Tarifschutz beschränkt ist (
BGE 138 II 398
E. 2.3.2 S. 406 f.). Für stationäre Behandlungen in einem Spital, das nicht auf einer kantonalen Spitalliste aufgeführt ist, sind die Krankenversicherer nicht leistungspflichtig (
BGE 145 V 57
E. 8.2 S. 67). Ohnehin deckt die Grundversicherung nur den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung der Spitäler, nicht denjenigen in einer halbprivaten oder privaten Abteilung. Alle diese nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gedeckten Leistungen können durch Zusatzversicherungen abgedeckt werden; diese beruhen nicht auf dem KVG, sondern auf einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis in Anwendung des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1; vgl.
Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. September 2014 betreffend die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung [KVAG; SR 832.12]). Patienten, welche solche von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht gedeckten Leistungen in Anspruch nehmen, ohne über eine Zusatzversicherung zu verfügen, bezahlen diesen Betrag selber.
2.4.1
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 105 Abs. 1 BGG; nicht publ. E. 1.3) ist die Steuerpflichtige grundversichert. Eine Zusatzversicherung gemäss VVG (vorne E. 2.3.5) hat sie nicht abgeschlossen. Sodann hat die Vorinstanz festgehalten, dass die Steuerpflichtige auf Empfehlung des Hausarztes ein ausserkantonales Spital aufsuchte, das auf der Spitalliste des Wohnsitzkantons nicht verzeichnet ist. Eine Kostengutsprache seitens des Kantons Aargau lag nicht vor, zumal die Steuerpflichtige kein solches Gesuch gestellt hatte. Entsprechend gingen die (Mehr-)Kosten der Behandlung und Unterbringung in der halbprivaten Abteilung zulasten der Steuerpflichtigen. Schliesslich anerkannte die Vorinstanz, der Eingriff sei medizinisch indiziert gewesen. Falls im Kanton Aargau keine adäquate stationäre Behandlung möglich gewesen sein sollte, wäre aber, so die Vorinstanz, ersatzweise die Behandlung in einem ausserkantonalen (Listen-)Spital möglich gewesen.
BGE 147 II 248 S. 256
2.4.2
Der Wunsch nach einer Behandlung durch einen spezialisierten Arzt sei - so das Verwaltungsgericht weiter mit Blick auf die beiden nicht zufriedenstellend verlaufenen Operationen in den Jahren 1999 und 2012 - zwar nachvollziehbar. Dennoch seien die Mehrkosten nicht notwendig gewesen. Mit dem System von
Art. 41 Abs. 3 und 3
bis
KVG sei gewährleistet, dass auch bei allgemein Versicherten eine Behandlung in einem Spital erfolgen könne, das nicht auf der Spitalliste des Wohnsitzkantons aufgeführt sei, wenn die medizinisch erforderliche stationäre Behandlung in einem auf der Spitalliste des Wohnsitzkantons vermerkten Spital nicht angeboten werde. Die Steuerpflichtige habe aber nicht den von
Art. 41 Abs. 3 KVG vorgezeichneten Weg beschritten, um die Deckung für die ausserkantonale Behandlung zu erlangen, sondern sich allein auf die Empfehlung des Hausarztes hin dazu entschlossen, sich in der Privatklinik B., einem Nichtlistenspital, behandeln zu lassen. Unter Berücksichtigung der Einheit der Rechtsordnung gehe es nicht an, wenn eine Grundversicherte, die nicht den vom KVG vorgezeichneten Weg beschreite, die dadurch verursachten Mehrkosten steuerlich zum Abzug bringen könnte.
2.4.3
Der Krankheitskostenabzug erstrecke sich, fährt das Verwaltungsgericht weiter, nur auf Kosten für Leistungen, die nicht vom Leistungskatalog der Grundversicherung erfasst, aber gleichwohl medizinisch indiziert seien. Soweit eine Deckung von Krankheitskosten durch die Krankenversicherung dem Grundsatz nach möglich sei, der Versicherte aber Kosten nur deswegen trage, weil er selbst für eine von der Versicherung nicht gedeckte Leistung optiere, seien die entsprechenden Kosten nicht als Krankheitskosten im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG abziehbar. Hinzu komme, dass es gegen das Rechtsgleichheitsgebot verstiesse, wenn grundversicherte Personen die gesamten Kosten der halbprivaten oder privaten Abteilung zum Abzug bringen könnten, während die zusatzversicherten Personen lediglich den Versicherungsabzug von zurzeit Fr. 2'000.- (für Alleinstehende) beanspruchen dürfen, was zudem die Prämien bei weitem nicht decke.
3.1
Streitig und zu prüfen ist somit, ob nach
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG auch Kosten einer ärztlichen Heilbehandlung abziehbar sind, die aufgrund dessen angefallen sind, dass die steuerpflichtige Person lediglich grundversichert ist (KVG), aber eine Leistung in Anspruch
BGE 147 II 248 S. 257
nahm, für deren Kosten die Grundversicherung nicht aufkommt, sodass die steuerpflichtige Person diese selber zu tragen hat.
3.2
Die Antwort auf diese Frage lässt sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen, was nicht erstaunt, da StHG und DBG vor dem KVG ergangen sind.
Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG und
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG sind (abgesehen davon, dass die ursprünglich auch in lit. h enthaltenen Invaliditätskosten mit der Revision vom 13. Dezember 2012 in lit. h
bis überführt wurden) seit dem Inkrafttreten dieser Gesetze unverändert geblieben und können daher auf das mit dem KVG eingeführte Versicherungsmodell noch nicht Bezug nehmen. Aus dem gleichen Grund sind die Materialien zum DBG und StHG dazu unergiebig. Die Botschaft vom 25. Mai 1983 zu Bundesgesetzen über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden sowie über die direkte Bundessteuer (BBl 1983 III 1, insb. 95 und 173) besagt nur, dass die "durch die Versicherung nicht gedeckten Krankheits-, Unfall- und Invaliditätskosten" als abzugsfähig anerkannt werden sollen.
3.3.1
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hatte diese Frage bisher nicht zu entscheiden. Auch das Kreisschreiben enthält dazu keine Aussage. Im Zentrum der bisherigen Rechtsprechung steht die Abgrenzung zwischen abzugsfähigen Krankheits- (
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG) und nicht abzugsfähigen Lebenshaltungskosten (
Art. 9 Abs. 4 StHG). In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht sich aus steuersystematischen Überlegungen für eine restriktive Auslegung der Abzugsfähigkeit ausgesprochen (Urteile 2C_1005/2015 vom 8. Dezember 2015 E. 2.2; 2C_103/2009 vom 10. Juli 2009 E. 2.1, in: StR 64/2009 S. 906 und StE 2009 B 27.5 Nr. 15; zit. Urteil 2A.390/2006, a.a.O., E. 5.1), denn es geht dabei um eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Lebenshaltungskosten (typische Einkommensverwendung) nicht vom rohen Einkommen abgesetzt werden dürfen.
3.3.2
Unter dem Titel "Krankheits- und Unfallkosten" abziehbar sind nur die Aufwendungen für Heilbehandlungen, die der Erhaltung und Wiederherstellung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit dienen (finales Element) und hierzu geeignet und erforderlich (kausales Element), insgesamt also "indiziert" sind (zit. Urteil 2C_1005/2015, a.a.O., E. 2.2; Urteil 2C_316/2007 vom 6. Juli 2007 E. 3.2; zit. Urteil 2A.390/2006, a.a.O., E. 5.1; 2A.318/2004
BGE 147 II 248 S. 258
vom 7. Juni 2004 E. 2.2). Soweit es sich um Massnahmen handelt, die nicht von Ärzten oder in Spitälern ausgeführt werden, wird in der Rechtsprechung eine ärztliche Verordnung vorausgesetzt (Urteile 2C_258/2010 vom 23. Mai 2011 E. 4.4.2 [zu Art. 33 Abs. 1 lit. h
bis DBG]; zit. Urteil 2C_103/2009, a.a.O., E. 3 und 4; 2C_316/2007 vom 6. Juli 2007 E. 3.2; zit. Urteil 2A.390/2006, a.a.O., E. 6.2), was allerdings gemäss Kreisschreiben nicht ausnahmslos gilt (Ziff. 3.2 des Kreisschreibens Nr. 11; vgl. auch zit. Urteil 2A.390/2006, a.a.O., E. 6.3 betreffend Dentalhygiene).
3.3.3
Als nicht abzugsfähig qualifizierte die Rechtsprechung die Kosten für cholesterinarme Ernährung, da die in Frage stehende cholesterinarme Diät sich nicht grundsätzlich von der allgemein empfohlenen, gesundheitsbewussten Ernährung unterschied, die von einem grossen Teil der Bevölkerung befolgt wird (Urteil 2C_722/2007 vom 14. April 2008 E. 3.4), ein Aufenthalt auf Gran Canaria, dessen medizinische Notwendigkeit von der Steuerpflichtigen nicht aufgezeigt worden war (Urteil 2A.84/2005 vom 24. Februar 2005 E. 4), Transportkosten, wenn nicht dargelegt war, dass infolge des Gesundheitszustands die Benützung der gewöhnlichen Transportmittel nicht möglich oder zumutbar ist (Urteil 2A.209/2005 vom 3. November 2005 E. 4.2.3, in: RtiD 2006 I S. 471; vgl. Kreisschreiben Nr. 11 Ziff. 3.2.9) oder Kosten für eine völlig untaugliche psychologische Telefonberatung (zit. Urteil 2A.318/2004, a.a.O., E. 2.2; für Beispiele aus der kantonalen Gerichtspraxis: HUNZIKER/MAYER-KNOBEL, in: Kommentar DBG, Zweifel/Beusch [Hrsg.], 3. Aufl. 2017, N. 32a-32k zu
Art. 33 DBG; FELIX RICHNER UND ANDERE, Handkommentar DBG, 3. Aufl. 2016, N. 139-158 zu
Art. 33 DBG).
3.4.1
Im Unterschied zu den genannten Beispielen geht es vorliegend nicht um die Abgrenzung von medizinischer Behandlung und Lebenshaltungs- bzw. Lifestyle-Aufwand. Vielmehr ist unbestritten, dass der Eingriff medizinisch indiziert war (Sachverhalt lit. C und vorne E. 2.4.1), was unerlässlich ist (vorne E. 3.3.2). Es wird auch von keiner Seite geltend gemacht, die Behandlung sei über das medizinisch Notwendige (vgl. Kreisschreiben Nr. 11 Ziff. 3.1) hinausgegangen oder stehe nicht in direkter Kausalität zur Krankheit. Die Argumentation der Vorinstanz geht vielmehr dahin, die Steuerpflichtige hätte die Kosten vermeiden können, indem sie ein Spital gewählt hätte, in welchem sie auch in der Grundversicherung eine volle Versicherungsdeckung gehabt hätte, oder indem sie den von
Art. 41 Abs. 3 KVG
BGE 147 II 248 S. 259
vorgezeichneten Weg beschritten oder eine Zusatzversicherung abgeschlossen hätte.
3.4.2
Den vorinstanzlichen Erwägungen (vorne E. 2.4.3) ist insofern zuzustimmen, als der Abzug für Versicherungsprämien (
Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG) mit der Entwicklung der Prämien für Grund- und gegebenenfalls Zusatzversicherung nicht Schritt gehalten hat: Nach dem Steuerrecht des Kantons Aargau kann eine alleinstehende Person unter diesem Titel einen Abzug von Fr. 2'000.- pro Jahr beanspruchen, wobei die Zinsen von Sparkapitalien zu den eigentlichen Versicherungsprämien hinzuzurechnen sind (
§ 40 Abs. 1 lit. g StG/AG).
Es ist offenkundig, dass der Versicherungsprämienabzug in aller Regel nicht ausreicht, um die tatsächlichen Prämien zu decken, nicht einmal diejenigen der Grundversicherung, so dass im Ergebnis die Prämien der Zusatzversicherung nicht abzugsfähig sind. Indessen kann daraus nicht gefolgert werden, dass die Rechtsgleichheit verletzt wäre, wenn in der Situation der Steuerpflichtigen die Kosten abgezogen werden könnten. Die einzelnen Tatbestände von Art. 9 Abs. 2 StHG folgen nicht durchwegs einer einheitlichen Konzeption und sind grundsätzlich unabhängig voneinander anzuwenden. Vergleiche zwischen den in den verschiedenen Tatbeständen vorgesehenen Abzügen sind daher nur beschränkt von Bedeutung.
So sind beispielsweise die Abzüge nach Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG nur möglich, soweit die Kosten einen Selbstbehalt übersteigen, diejenigen nach Art. 9 Abs. 2 lit. h
bis
StHG jedoch ohne solchen Selbstbehalt. Dies ist als Entscheid des Gesetzgebers hinzunehmen. Dasselbe gilt für den gesetzgeberischen Entscheid, die Versicherungsabzüge zu begrenzen. Daraus kann nichts gefolgert werden für die Abzugsfähigkeit von Krankheitskosten.
3.4.3
Im Übrigen stehen die vorinstanzlichen Überlegungen schwerlich im Einklang mit den Prinzipien der allgemeinen Abzüge. Mit diesen Abzügen (
Art. 9 Abs. 2 StHG) wird den effektiven Ausgaben Rechnung getragen, welche die Steuerpflichtigen getätigt haben (Urteile 2C_245/2010 vom 25. Januar 2011 E. 2.5.2, in: StR 66/2011 S. 330, RDAF 2012 II S. 1 und StE 2012 A 21 Nr. 187; 2C_429/2008 vom 10. Dezember 2008 E. 7, in: StR 64/2009 S. 376). Es sind deshalb in aller Regel die effektiv bezahlten Kosten (gegebenenfalls bis zu einer bestimmten Grenze) abziehbar, unabhängig davon, ob diese Kosten durch eine andere Lebensgestaltung hätten
BGE 147 II 248 S. 260
vermieden werden können. So sind die Abzüge für effektiv bezahlte Schuldzinsen (Abs. 2 lit. a) zulässig unabhängig davon, ob die Schulden vermeidbar gewesen wären oder ob ein Darlehen allenfalls zu günstigeren Konditionen erhältlich gewesen wäre, auch wenn diejenigen, welche Schulden haben, dadurch steuerlich begünstigt werden gegenüber denjenigen, welche schuldenfrei sind. Die Beiträge an die Vorsorge (Abs. 2 lit. d und e) sind abziehbar, auch wenn sie freiwillig erfolgen, auch wenn dies zur Folge hat, dass diejenigen, welche solche Beiträge leisten, steuerlich besser behandelt werden als diejenigen, welche solche Beiträge nicht leisten. Die effektiv geleisteten Kosten für Kinderbetreuung (Abs. 2 lit. m) oder der berufsorientierten Aus- und Weiterbildung (Abs. 2 lit. o) sind abziehbar, unabhängig davon, ob vergleichbare Betreuungs- oder Ausbildungsangebote anderswo günstiger oder gar (weil staatlich finanziert) kostenlos erhältlich gewesen wären.
3.5.1
Es bedürfte triftiger Gründe, weshalb Gleiches nicht auch gelten sollte für die Krankheits- und Unfallkosten. Die Vorinstanz beruft sich dazu auf die Einheit der Rechtsordnung und die mit dem KVG vorgezeichnete Regelung. Dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung kommt im Abgaberecht rechtsprechungsgemäss einige Bedeutung zu (
BGE 144 II 273
E. 2.2.7 S. 278 mit Hinweisen), vor allem dort, wo das Steuerrecht auf fremdrechtliche Gebiete (beispielsweise Zivilrecht, Sozialversicherungsrecht) Bezug nimmt (
BGE 143 II 685
E. 4.2.1 S. 690;
BGE 140 I 153
E. 2.2 und 2.4 S. 155 f.;
BGE 138 II 300
E. 3.6.2 S. 308), wo Wertungswidersprüche entstünden (so
BGE 143 II 8
E. 7.3 S. 23 ff.) oder verschiedene Steuerarten ähnliche Fragen aufwerfen (
BGE 144 II 273
E. 2.2.7 S. 278 [zum Verhältnis von DBG und MWSTG]).
3.5.2
Eine derartige Bezugnahme zwischen
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG und dem KVG besteht jedoch nicht. Der Abzug für Krankheits- und Unfallkosten ist zwar nicht als Sozialabzug ausgestaltet, er hat aber eine sozialpolitische Stossrichtung. Er bemisst sich nach den effektiv angefallenen Kosten und trägt damit der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung (
BGE 128 II 66
E. 4c S. 72). In entstehungszeitlicher Betrachtung ist daran zu erinnern, dass DBG und StHG älter sind als das KVG und schon aus diesem Grund nicht auf das damit geschaffene System Bezug nehmen können. In der vor dem Inkrafttreten des KVG erschienenen Literatur wird denn auch die Auffassung vertreten, dass die Abzüge
BGE 147 II 248 S. 261
zuzulassen sind unabhängig davon, von welchem Arzt sich der Steuerpflichtige behandeln lässt und ob er sich in der privaten oder der allgemeinen Abteilung eines Spitals behandeln lässt (PETER AGNER UND ANDERE, Kommentar zum DBG, 1995, N. 23 zu
Art. 33 DBG).
3.5.3
Zu bemerken ist zudem, dass vor dem Inkrafttreten des KVG kein Obligatorium zum Abschluss einer Krankenversicherung bestand. Es gab demnach Personen, welche nicht krankenversichert waren und eine medizinische Behandlung vollständig selber bezahlen mussten. Es wird daher nicht der Sinn des Gesetzes gewesen sein, diesen Personen den Abzug zu verweigern mit dem Argument, die Kosten hätten sich durch den Abschluss einer Krankenversicherung vermeiden lassen. Vielmehr war es aufgrund der sozialpolitischen Zielsetzung sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geboten, derartige Abzüge gerade in solchen Situationen zuzulassen.
3.5.4
Das Inkrafttreten des KVG hat an dieser Überlegung nichts geändert. Der blosse Umstand, dass die Steuerpflichtige durch die Wahl eines anderen Spitals oder den Abschluss einer Zusatzversicherung die Kosten hätte vermeiden können, führt im Lichte des Dargelegten zu keiner Verweigerung des Abzugs. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Personen ab einem gewissen Alter bzw. mit einer gewissen medizinischen Vorgeschichte kaum mehr eine reelle Chance haben, in eine Zusatzversicherung aufgenommen zu werden. Dennoch herrscht eine gewisse Durchlässigkeit, indem es auch grundversicherten Personen möglich ist, im Einzelfall mit dem Spital bzw. dem (Beleg-)Arzt ein "Upgrade" zu vereinbaren, dessen Kosten zulasten der Patientin oder des Patienten gehen. Diese Kosten nicht zum Abzug zuzulassen, würde diejenigen Personen benachteiligen, welche kaum mehr eine Zusatzversicherung abschliessen können.
3.5.5
Hinzu kommt eine weitere Überlegung: Der Abzug ist nur zulässig, soweit die vom Steuerpflichtigen getragenen Kosten einen vom kantonalen Recht bestimmten Selbstbehalt übersteigen. Im Kanton Aargau beträgt dieser Selbstbehalt - wie im Bundesrecht (
Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG) und in vielen anderen Kantonen - 5,0 Prozent der um die Aufwendungen nach den
§ 35-40 StG/AG verminderten steuerbaren Einkünfte (
§ 40 Abs. 1 lit. i StG/AG). Soweit eine Behandlung jedoch von Grundversicherung und Kantonsanteil bezahlt wird, trägt der Patient keine Kosten, abgesehen von der Franchise und dem Höchstbetrag des Selbstbehalts (
Art. 64 Abs. 2
BGE 147 II 248 S. 262
und 3 KVG;
Art. 103 Abs. 1 und 2 KVV [SR 832.102]). In den meisten Fällen dürfte dieser selbst getragene Betrag weniger als 5 Prozent der steuerbaren Einkünfte ausmachen. Bei Unfallkosten, die von der obligatorischen Unfallversicherung gedeckt werden, entfällt eine Kostenbeteiligung der Versicherten von vornherein. Hätte der Gesetzgeber mit dem Abzug für Krankheits- und Unfallkosten lediglich die Kosten der grundversicherten Leistungen im Auge gehabt, würde der in
Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG vorgesehene Abzug kaum je zum Tragen kommen (ausser etwa in Fällen der Zahnbehandlung oder weiterer Kosten, die mit der Grundversicherung nicht abgerechnet werden können). Auch das spricht gegen die vorinstanzliche Auffassung.
3.5.6
Schliesslich ist daran zu erinnern, dass die Versicherten in einem gewissen Rahmen auch besondere Versicherungsformen wählen können, wodurch sich einerseits die Höhe ihrer Prämie reduzieren lässt, umgekehrt aber im Krankheitsfall zu Lasten der Versicherten höhere Kosten anfallen (
Art. 62 KVG;
Art. 93 KVV). Mit der Argumentation der Vorinstanz wären auch hier die Abzüge zu begrenzen, weil sich diese Kosten hätten vermeiden lassen.
3.6
Insgesamt ergibt sich, dass die Kosten der ärztlichen und Spitalbehandlung abzugsfähig sind, unabhängig davon, ob sie sich durch die Wahl eines anderen Spitals oder den Abschluss einer Zusatzversicherung hätten vermeiden lassen. Voraussetzung bleibt selbstverständlich, dass die Behandlung als solche
überhaupt medizinisch indiziert ist (vorne E. 3.3.2), was vorliegend aber nicht in Frage steht (Sachverhalt lit. C und vorne E. 2.4.1). Der geltend gemachte Abzug ist daher grundsätzlich zulässig.
3.7
Anders verhält es sich, was die
zusätzlichen Hotelleriekosten auf der halbprivaten Abteilung betrifft. Der zusätzliche Komfort ist im Regelfall medizinisch nicht indiziert. Auch bei gebührender Achtung des sozialpolitischen Ziels spricht nichts dafür, ein einzig dem Komfort und der Bequemlichkeit dienendes "Zimmer-Upgrade" zum Abzug zuzulassen. Anders könnte es sich verhalten, falls aus medizinischen Gründen einzig eine Behandlung in einem Spital in Frage gekommen wäre, welches ausschliesslich Betten auf der halbprivaten oder privaten Station anbietet. In einem solchen Fall müsste zwangsläufig auch die (halb-)private Station als medizinisch indiziert gelten. Dass es sich hier so verhält, hat die dafür beweisbelastete Steuerpflichtige indessen nicht dargelegt. Der
BGE 147 II 248 S. 263
entsprechende Betrag gehört daher zu den Lebenshaltungskosten und ist vom Abzug für Krankheits- und Unfallkosten auszunehmen. Aus der bei den Akten liegenden Rechnung der Privatklinik B. ergibt sich, dass ein Betrag von Fr. 2'870.- auf "Tagestaxe" entfällt (7x Fr. 410.-). In diesem Umfang ist der Abzug nicht begründet.
3.8
Die Beschwerde erweist sich mithin als teilweise begründet. Sie ist gutzuheissen, der vorinstanzliche Entscheid vom 27. März 2020 aufzuheben und die Sache zur neuen Veranlagung im Sinne der Erwägungen an das Kantonale Steueramt Aargau zurückzuweisen.