Urteilskopf
80 III 69
13. Entscheid vom 21. Mai 1954 i.S. Schwegler.
Regeste
Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG).
Voraussetzungen.
Behauptet der geschiedene Ehemann der betriebenen Schuldnerin, dass die Betreibung eine Sondergutsschuld betreffe und die gepfändeten Gegenstände eingebrachtes Gut der Schuldnerin seien, so ist deswegen kein Widerspruchsverfahren einzuleiten.
Rechtsbehelfe der Schuldnerin und der Gläubiger konkurrierender Betreibungen.
In der Betreibung des Rekurrenten gegen Frau R. gesch. Z. pfändete das Betreibungsamt Jona auf Ersuchen des Betreibungsamtes Luzern, bei dem der Rekurrent ein spezifiziertes Nachpfändungsbegehren gestellt hatte, am 17. Dezember 1953 bei Z., dem geschiedenen Ehemann der Schuldnerin, 9 Gegenstände im Schätzungswerte von Fr. 10'450. Schon tags zuvor hatte Z. mit Schreiben an das Betreibungsamt Jona zu Handen des Betreibungsamtes Luzern geltend gemacht, "dass es sich bei der betriebenen Forderung um eine Sondergutsschuld handelt, für die das gepfändete, eingebrachte Gut der geschiedenen Ehefrau nicht haftet." Gleichzeitig hatte er für eine Forderung von Fr. 7500 Anschlusspfändung gemäss Art. 111 SchKG verlangt. Das Betreibungsamt Luzern wies in der Pfändungsurkunde auf das Schreiben vom 16. Dezember 1953 hin, betrachtete die wiedergegebene Erklärung aber nur als allgemeine Rechtsverwahrung, nicht als die Anmeldung einer Drittansprache, die zur Einleitung eines Widerspruchsverfahrens Anlass geben könnte.
Nach Erhalt einer Abschrift der Pfändungsurkunde führte Z. am 22. Februar 1954 Beschwerde mit dem Antrag, das Betreibungsamt Luzern sei anzuweisen, "dem Gläubiger Frist im Sinne von Art. 109 SchKG anzusetzen, um die vom Beschwerdeführer an den Pfandobjekten 1-9 ... geltend gemachten Sondergutsansprüche gerichtlich feststellen zu lassen" (sic). Mit Schreiben an das Betreibungsamt vom 24. Februar 1954 machte er an den gepfändeten Gegenständen ausserdem für sich und seine (bei der Scheidung ihm zugesprochenen) Kinder "Eigentumsansprüche" geltend, denen das Betreibungsamt am 2. März durch Fristansetzung an den Gläubiger gemäss Art. 109 SchKG Rechnung trug. An seinem Beschwerdebegehren hielt er trotzdem fest.
Mit Entscheid vom 23. März 1954 wies die untere Aufsichtsbehörde
BGE 80 III 69 S. 71
das Betreibungsamt an, dem Gläubiger im Sinne der Motive Frist zur Klage gemäss Art. 109 SchKG anzusetzen. In den Motiven ist bemerkt, das Widerspruchsverfahren sei auch dann durchzuführen, wenn der Ehemann behaupte, die gepfändete Sache gehöre nicht zum Sondergut der Ehefrau. Hierauf setzte das Betreibungsamt dem Gläubiger am 29. März 1954 Frist zur Klage gegen Z. auf Aberkennung des Sondergutsanspruchs.Der Gläubiger rekurrierte an die kantonale Aufsichtsbehörde mit dem Begehren, der Entscheid der untern Aufsichtsbehörde und die gestützt darauf erlassene Fristansetzung vom 29. März 1954 seien aufzuheben. Mit Entscheid vom 26. April 1954 hat die kantonale Aufsichtsbehörde den Rekurs abgewiesen und das Betreibungsamt angewiesen, dem Gläubiger im Sinne von Ziff. 6 der Erwägungen eine neue Frist nach Art. 109 SchKG anzusetzen. In Ziff. 6 der Erwägungen heisst es:
"Die Parteien sind sich in der Rekursinstanz darüber einig, dass der Opponent (Z.) mit seinem Drittansruch nach Art. 109 SchKG nicht die Zugehörigkeit der gepfändeten Objekte zum Sondergut, sondern zum eingebrachten Gut behauptet. Dementsprechend ist dem Rekurrenten die Frist nicht, wie das - übrigens auf Antrag des Opponenten - geschehen ist, für die Aberkennung der Sondergutsansprüche anzusetzen. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Betreibungsforderung eine Sondergutsschuld darstellt und ob die in der Pfändungsurkunde aufgeführten Objekte der Pfändung für eine solche Forderung unterliegen. Da die richtige Bezeichnung des vom Drittansprecher geltend gemachten Anspruchs in der Fristansetzung für den Gläubiger bei der Einleitung des Prozesses von entscheidender Bedeutung ist, erweist es sich als notwendig, dass das Betreibungsamt dem Rekurrenten eine neue Frist ansetzt."
Diesen Entscheid hat der Gläubiger an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid und die Fristansetzung vom 29. März 1954 seien aufzuheben.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Das Widerspruchsverfahren gemäss Art. 106 ff. SchKG ist durchzuführen, wenn ein Dritter an den gepfändeten
BGE 80 III 69 S. 72
Gegenständen ein die Pfändung ausschliessendes oder zurückdrängendes (d.h. bei der Verwertung und Verteilung zu berücksichtigendes) Recht geltend macht (BGE 48 III 221 und dort zit. Entscheide, BGE 58 III 89, BGE 59 III 123 /24). Die Betreibungsbehörden dürfen die Einleitung des Widerspruchsverfahrens nicht mit der Begründung ablehnen, dass der angemeldete Anspruch nicht bestehe, selbst wenn ihnen klar zu sein scheint, dass es sich so verhalte. Dagegen bleibt ihnen die Prüfung der Frage vorbehalten, ob überhaupt von einem Dritten ein Anspruch geltend gemacht worden sei, der, wenn er gerichtlich festgestellt würde, die Pfändung ausschlösse oder doch bei der Verwcrtung und Verteilung berücksichtigt werdcn müsste.Diese Frage ist im vorliegenden Falle zu verneinen. Mit der Behauptung, dass die vom Rekurrenten angehobene Betreibung eine Sondergutsschuld der Schuldnerin betreffe, hat der Beschwerdeführer kein Recht an den gepfändeten Gegenständen geltend gemacht. Aber auch mit der weitern Behauptung, dass die gepfändeten Gegenstände zum eingebrachten Gut der Schuldnerin gehören, hat er dies nicht getan. Während bestehender Ehe hat zwar der Ehemann die Möglichkeit, in einer gegen die Ehefrau allein gerichteten Betreibung auf dem Wege des Widerspruchsverfahrens geltend zu machen, dass die gepfändeten Gegenstände zum eingebrachten Gut der Frau gehören (BGE 53 III 4, BGE 59 III 182 f., BGE 62 III 139, BGE 66 III 35; vgl. BGE 76 III 93 ff.). Diese Möglichkeit dient ihm aber nur zur Wahrung seines Nutzungsrechts am eingebrachten Gute, das die Pfändung der zu dieser Vermögensmasse gehörenden Gegenstände zugunsten von Sondergutsgläubigern ausschliesst (vgl. BGE 59 III 183). Der Beschwerdeführer ist nach seinen Angaben seit 28. April 1953 von der Schuldnerin geschieden und behauptet nicht etwa, dass er dennoch weiterhin Anspruch auf die Nutzung des eingebrachten Gutes habe, sondern lässt (ohne Zweifel mit Recht) gelten, dass ihm das ehemännliche Nutzungsrecht nicht mehr zusteht. Bei dieser Sachlage würde mit der gerichtlichen Feststellung,
BGE 80 III 69 S. 73
dass die gepfändeten Gegenstände zum eingebrachten Gut der Schuldnerin gehören (oder vielmehr gehörten), nicht zugleich ein die Pfändung ausschliessendes Recht des Beschwerdeführers festgestellt, sondern müsste die Betreibung ohne Rücksicht auf diese Feststellung ihren Fortgang nehmen. Aus diesen Gründen ist die Frage, ob man es mit einer Sonderguts- oder einer Vollschuld der Schuldnerin zu tun habe und ob die gepfändeten Gegenstände Sondergut oder eingebrachtes Gut bildeten, nicht zum Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens zu machen.Es wäre Sache der Schuldnerin gewesen, durch Rechtsvorschlag und hernach durch Einrede im Prozess über die Fordcrung dcs Rekurrcnten geltcnd zu machen, dass dic Betreibung eine Sondergutsschuld betreffe und ihre Schuldpflicht sich daher auf den Betrag beschränke, für den das Sondergut die Forderung im Zeitpunkt der Auflösung der Ehe deckte (BGE 64 III 159 ff.). Der Beschwerdeführer kann diese Beschränkung der Schuldpflicht seiner geschiedenen Ehefrau höchstens auf dem Wege der Kollokationsklage gegen den Rekurrenten (Art. 148 SchKG) geltend machen (dann nämlich, wenn die Forderung, für die er Anschlusspfändung verlangt hat, anerkannt oder geschützt wird und der Verwertungserlös nicht ausreicht, um sowohl die Forderung des Rekurrenten als auch diejenige des Beschwerdeführers zu decken).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und die Verfügung des Betreibungsamtes Luzern vom 29. März 1954 aufgehoben.