BGE 81 III 49
 
15. Entscheid vom 5. Mai 1955 i.S. Schrag.
 
Regeste
Betreibungsbegehren, Zahlungsbefehl.
 
Sachverhalt


BGE 81 III 49 (49):

Mit Begehren vom 18. Oktober 1954 verlangte die Firma M. & H. Berger die Einleitung einer Betreibung gegen Felix Schrag in Bern für eine Forderung von "Fr. 48.05 nebst Zins zu 1 1/2% per Monat seit 1.9.50 von Fr. 545.--." Den Grund der Forderung bezeichnete sie wie folgt: "lt. Vertrag nebst vielen Mahnungen, Inkasso-Versuche, frühere Betreibungskosten und Spesen, wegen Nichteinhaltung des Vertrages." Das Betreibungsamt Bern 1

BGE 81 III 49 (50):

erliess einen entsprechenden Zahlungsbefehl. Der Schuldner erhob weder Rechtsvorschlag, noch führte er Beschwerde.
Am 7. März 1955 stellte die Gläubigerin das Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt pfändete am 14. März 1955 einen Teppich im Schätzungswerte von Fr. 150.--. Mit der Abschrift der Pfändungsurkunde stellte es der Gläubigerin eine Verfügung vom 21. März 1955 mit folgendem Dispositiv zu:
"Die Pfändung wird für den Betrag von Fr. 48.05 nebst Zins zu 1 1/2 % per Monat seit 1.9.50 vollzogen. Die auf dem Betreibungs- und Fortsetzungsbegehren zur Forderungssumme und zum Zinsfussansatz zusätzlich angebrachte Bemerkung, von Fr. 545.--, ist ungültig."
Gegen diesen Verfügung führte die Gläubigerin Beschwerde mit dem Antrag:
"Das Betreibungsamt Bern 1 sei zu verpflichten, unser Fortsetzungsbegehren... umgehend wie folgt zu vollziehen:
1) 1 1/2 % Zins (Verzugsgebühr) von Fr. 545.-- seit 1.9.1950 bis zum Tage der Zahlung vorerwähnter Zinsen, d.h. bis heute oder wann der Schuldner dann eben bezahlt, bezw. die Pfändung vollzogen wird.
2) Zum Zins sind zu schlagen die separate Forderung von Fr. 48.05 und alle aufgelaufenen Betreibungskosten.
3) Die Verfügung des Betreibungsamtes Bern 1 vom 21.3.55 sei aufzuheben."
Am 20. April 1955 hat die kantonale Aufsichtsbehörde erkannt:
"Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Betreibungsamt Bern angewiesen wird, die Pfändung zu vollziehen für den Betrag von Fr. 48.05 nebst Zins zu 1 1/2 % per Monat seit 1.9.1950 von Fr. 545.--."
Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Begehren, die Verfügung des Betreibungsamtes sei wieder in Kraft zu setzen.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 67 Ziff. 3 SchKG ist im Betreibungs begehren, mit dem die Einleitung einer Betreibung auf

BGE 81 III 49 (51):

Geldzahlung verlangt wird, die Forderungssumme in gesetzlicher Schweizerwährung anzugeben, bei verzinslichen Forderungen ausserdem der Zinsfuss und der Tag, von dem an der Zins gefordert wird. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass der Gläubiger, der Zinsen von einem bestimmten Kapital eintreiben will, diese dann nicht in einer Summe anzugeben braucht, wenn er sie neben der zu verzinsenden Kapitalsumme, d.h. als rein akzessorische Forderung, in Betreibung setzt. Verlangt er dagegen Zinsen von einem Kapitalguthaben, das nicht Gegenstand der Betreibung ist, so kann er sich nicht mit der Angabe der zu verzinsenden Summe, des Zinsfusses und des Anfangstermins des Zinsenlaufs begnügen, sondern muss die Zinsforderung, die in diesem Falle den Charakter eines Hauptanspruchs hat, bestimmt beziffern. Ähnlich verhält es sich auch dann, wenn der Gläubiger den noch ausstehenden Teil eines ursprünglich höhern, durch Abzahlungen nach und nach verminderten Kapitalguthabens in Betreibung setzt und Zinsen nicht nur von dem bei Einleitung der Betreibung noch geschuldeten Betrag, sondern - bis zum Zeitpunkt der Zahlung - auch von den abbezahlten Teilbeträgen verlangt. In einem solchen Falle ist dem Gläubiger zuzumuten, die geforderten Zinsen mit Ausnahme derjenigen, die auf dem noch ausstehenden Kapitalbetrag seit der letzten Abzahlung laufen, in einer Summe anzugeben. Will man hierin nicht ein unerlässliches Erfordernis sehen, so muss von ihm doch zum mindesten verlangt werden, dass er genau angibt, welche Summe ursprünglich und nach jeder einzelnen Abzahlung geschuldet war und von wann bis wann eine jede dieser Kapitalsummen zu verzinsen ist (vgl. BGE 56 III 166). Betreibungsbegehren, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind zurückzuweisen. Geschieht dies nicht, sondern erlässt das Betreibungsamt einen Zahlungsbefehl, der die Angaben des mangelhaften Betreibungsbegehrens wiederholt, so ist der Zahlungsbefehl wenigstens in Bezug auf die ungenügend bezeichnete Zinsforderung als nichtig anzusehen, da die

BGE 81 III 49 (52):

auf die klare Bezeichnung der Forderung bezüglichen Bestimmungen wie z.B. diejenigen, die eine eindeutige Bezeichnung des Gläubigers verlangen (vgl. BGE 80 III 9 Erw. 2), zwingender Natur sind. Es ist namentlich im Hinblick auf die Vorschriften über den Rechtsvorschlag (Art. 74 SchKG), den Umfang der Pfändung und der Verwertung (Art. 97 Abs. 2 und 119 Abs. 2 SchKG) und die Verteilung (Art. 144 Abs. 3 SchKG) absolut notwendig, dass der Schuldner und das Betreibungsamt anhand der Angaben des Zahlungsbefehls sich ohne Schwierigkeiten genau davon Rechenschaft geben können, wieviel die Betreibungsforderung einschliesslich der Zinsen ausmacht.
Nach diesen Grundsätzen ist der vorliegende Zahlungsbefehl nichtig, soweit er sich auf Zinsen "von Fr. 545.--" bezieht. Soll es sich dabei nach der Meinung der Gläubigerin um Zinsen von einem Kapital handeln, das mit der Forderung von Fr. 48.05 nichts gemein hat, was möglich ist, da die Gläubigerin diese Forderung in der Beschwerde an die Vorinstanz als "separate Forderung" bezeichnete, so durften die Zinsen im Betreibungsbegehren und im Zahlungsbefehl nicht ohne bestimmte Bezifferung, als Nebenanspruch zur Kapitalforderung von Fr. 48.05, aufgeführt werden. Ist die Bezeichnung der Forderung aber so zu verstehen, dass der geforderte Kapitalbetrag von Fr. 48.05 der Rest eines Guthabens von ursprünglich Fr. 545.-- sei und dass der Schuldner neben den Zinsen auf der Restanz von Fr. 48.05 für die Zeit zwischen Fälligkeit und Zahlung auch noch Zinsen auf den getilgten Teilsummen schulde, welche Auslegung durch. die (freilich nicht sehr klaren) Angaben des Betreibungsbegehrens über den Forderungsgrund und dadurch nahegelegt wird, dass die Gläubigerin die Zinsen in der Beschwerde als "Verzugsgebühr" bezeichnet hat, so sind die Angaben des Zahlungsbefehls über die Zinsforderung auf jeden Fall deshalb zu bemängeln, weil daraus Zeitpunkt und Höhe der einzelnen Abzahlungen nicht ersichtlich sind. Angenommen schliesslich, der Betrag von Fr. 48.05 werde als

BGE 81 III 49 (53):

Rest eines Kapitalguthabens von Fr. 545.-- gefordert und die Gläubigerin wolle neben der Kapitalrestanz von Fr. 48.05 Zinsen vom ganzen ursprünglichen Kapitalbetrag verlangen, bis dieser vollständig getilgt ist, wofür die rein wörtliche Auslegung des Betreibungsbegehrens spricht, so ist der Zahlungsbefehl hinsichtlich der Zinsen "von Fr. 545.--" aus dem gleichen Grunde unwirksam wie in dem zuerst besprochenen Falle, dass die Forderung von Fr. 48.05 und der zu verzinsende Betrag von Fr. 545.-- überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Wer bis zur vollständigen Tilgung einer Forderung, die ratenweise abbezahlt wird, Zinsen vom ursprünglichen Kapitalbetrag verlangt, beansprucht damit in Wirklichkeit nicht Verzugszinsen, sondern eine - dazu noch äusserst rigorose - Konventionalstrafe. (18% pro Jahr von Fr. 545.-- sind mehr als 200% pro Jahr vom Restkapital von Fr. 48.05!) Eine solche lässt sich im Betreibungsverfahren keinesfalls als akzessorischer Zinsanspruch behandeln, der durch die Angabe des zu verzinsenden Betrags, des Zinsfusses und des Anfangstermins des Zinsenlaufs genügend bezeichnet wäre, sondern muss im Betreibungsbegehren und im Zahlungsbefehl bestimmt beziffert werden, was eben nicht geschehen ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Betreibungsamt angenommen hat, Zinsen "von Fr. 545.--" seien nicht wirksam in Betreibung gesetzt worden, sondern der eben wiedergegebene Zusatz zum Zinsbegehren sei ungültig.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Beschwerde der Gläubigerin abgewiesen.