BGE 85 III 193
 
40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. November 1959 i. S. Konkursmasse Schilliger gegen Scheuch & Adler A. G.
 
Regeste
Anfechtungsklage nach Art. 287 SchKG.
Was ist unter einem üblichen Zahlungsmittel im Sinne der soeben erwähnten Ziff. 2 zu verstehen? (Erw. 4).
 
Sachverhalt


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A.- In dem am 14. Juni 1956 über den Möbelhändler Alois Schilliger in Zürich eröffneten Konkurs meldete

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seine Hauptlieferantin, die Firma Scheuch & Adler AG in Sirnach, einen Forderungssaldo von Fr. 9733.70 an. Sie legte einen Auszug über die "offenen Fakturen" an den Schuldner aus der Zeit vom 8. November 1955 bis zum 3. April 1956 im Gesamtbetrage von Fr. 45'835.50 bei, woran von dritter Seite Fr. 970.-- bezahlt worden waren, so dass die Forderung noch Fr. 44'865.50 betrug. Darauf rechnete sie den Betrag folgender ihr vom Schuldner abgetretenen Guthaben an:
a) das allfällig frei werdende Guthaben aus dem Depotkonto des Schuldners bei der Finanz AG, bis zum Betrage von Fr. 30 000.--
b) eine Forderung gegen Frau Margrit Brüderlin im Betrage von Fr. 1 000.--
c) eine Forderung gegen Franz Niederdorfer im Betrage von Fr. 2 091.--
Für den Fall der (nach dem Verlauf der ersten Gläubigerversammlung vorauszusehenden) Anfechtung dieser Abtretungen oder eines Teils derselben sollte der ganze betreffende Forderungsausstand als mitangemeldet gelten. Die Abtretungen a) und b) waren am 11. April 1956, die Abtretung c) am 14. desselben Monats erfolgt.
B.- Die Geschäftsverbindung des Schuldners mit der Firma Scheuch & Adler AG bestand seit dem Sommer 1953. Er bezog von ihr vom 3. Juli 1953 bis Mitte Dezember 1955 Waren für etwa Fr. 220'000.--. Gewöhnlich leistete er jeden Monat Zahlungen, so dass die Rechnungen in der Regel binnen 60 Tagen beglichen waren, sei es durch Barzahlung oder Check, gelegentlich durch Wechselakzept oder (in der erwähnten Zeitspanne etwa für insgesamt Fr. 20'000.--) durch Abtretung von Kundenguthaben. Kredit beschaffte sich der Schuldner namentlich bei der Finanz AG, Zürich, durch Abtretung seiner Rechte aus den mit seinen Kunden abgeschlossenen Teilzahlungs-Kaufverträgen. Laut dem sog. Rahmenvertrag diskontierte ihm die Finanz AG in der Regel etwa 90% der ihr abgetretenen restlichen Kaufpreisforderungen, während die übrigen 10% zurückbehalten und ihm auf dem sog.

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Depotkonto gutgeschrieben wurden. Sie waren ihm auszuzahlen, "wenn die volle zedierte Restkaufpreisforderung inkl. aller Nebenkosten bei der AG eingegangen sind." Angesichts des angewachsenen Schuldkontos bei der Firma Scheuch & Adler AG trat ihr Schilliger am 23. Februar 1954 "als Sicherstellung" seine Ansprüche aus dem damals Fr. 6464.-- betragenden Depotkonto bei der Finanz AG ab. Diese Firma wies die Zessionarin darauf hin, dass jener Betrag zunächst ihr selbst hafte, und umschrieb die Wirkungen der Zession wie folgt:
"Allfällig in Zukunft frei werdende Beträge werden wir somit nicht ausbezahlen, sofern wir nicht im Besitz Ihrer Zustimmung hierfür sind."
Diese Zession blieb bestehen, bis sie am 11. April 1956 durch die oben erwähnte Abtretung a) ersetzt wurde, als deren Gegenstand man "Fr. 30 000.-- aus dem ... Depotkonto" bezeichnete. Die Finanz AG wies in einem Brief an die Zessionarin darauf hin, dass das Depot-Konto dieses Kreditnehmers bis zum Betrage von Fr. 30'000.-- als Sicherheit für den richtigen Eingang der Zahlungen aus den ihr selbst zedierten Kaufverträgen bestehen bleibe. "Allfällig, unter Vorbehalt des Rahmenvertrages, in Zukunft frei werdende Beträge werden somit direkt an Sie ausbezahlt."
Sowohl diese Abtretung wie auch die Abtretungen b) und c) waren dadurch veranlasst, dass die Firma Scheuch & Adler wegen des hohen Schuldsaldos Schilligers auf Zahlung gedrängt hatte. Der von Schilliger am 25. Januar 1956 auf den 1. März 1956 ausgestellte Check von Fr. 14'290.--, den die Firma Scheuch & Adler AG ein paar Tage nach Verfall einlösen konnte, saldierte die Rechnungen aus der Zeit vor dem 8. November 1955; die Begleichung der neueren Rechnungen stand aus. Nach Einlösung des Checks lieferte die Firma Scheuch & Adler AG dem Schuldner noch Waren für etwa Fr. 8000.-- auf Kredit, so gegen Ende März 1956 durch Vermittlung der UTO-Möbel G.m.b.H. einen Geschirrschrank, den sie

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dieser Zwischenlieferantin mit Fr. 863.90 gutschrieb. Nach dem 3. April 1956 lieferte sie dem Schuldner dagegen nur mehr gegen Bar- oder Vorauszahlung. Er erklärte, die für die beträchtliche Schuldsumme verlangte Zahlung zur Zeit nicht leisten zu können, da in seinen Lieferungen an die Kundschaft Verschiebungen und Verzögerungen eingetreten seien. Dafür bot er die Zessionen an. Als der Prokurist der Firma Scheuch & Adler AG, David Salis, in der zweiten Hälfte April bei ihm vorsprach und neuerdings Zahlungen für die ausstehenden Verbindlichkeiten verlangte, gab ihm Schilliger Einblick in Aufstellungen, die er als Unterlagen für ein Gesuch um Nachlassstundung zu verwenden gedachte: Wareninventare, Inventar des Betriebsmobiliars, Liste der "pendenten" Kaufverträge. Die Nachlassstundung wurde ihm verweigert, und es kam zur Konkurseröffnung. Nach den Feststellungen des Konkursamtes standen den Aktiven von Fr. 56'100.-- Passiven von Fr. 402'149.40 gegenüber.
C.- Mit Vorstandsbegehren vom 22. November 1956 focht die Konkursmasse des Alois Schilliger die drei Abtretungen an und zwar die Abtretung a) gemäss Art. 287 Abs. 1 Ziff. 1, eventuell Ziff. 2, subventuell gemäss Art. 288 SchKG, die Abtretungen b) und c) gemäss Art. 287 Abs. 1 Ziff. 2, eventuell gemäss Art. 288 SchKG.
E.- Die kantonalen Gerichte haben die Klage abgewiesen. Mit vorliegender Berufung hält die Konkursmasse an ihren Begehren fest.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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3. Gegenüber allen drei Zessionen beruft sich die Klägerin in erster Linie auf Art. 287 SchKG. Die Zession a) fällt nach ihrer Ansicht unter Abs. 1 Ziff. 1 dieser Norm ("Begründung eines Pfandrechtes zur Sicherung bereits bestehender Verbindlichkeiten..."), eventuell unter die - gegenüber den Zessionen b) und c) einzig angerufene - Ziff. 2 daselbst ("Tilgung einer Geldschuld auf andere

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Weise als durch Barschaft oder durch anderweitige übliche Zahlungsmittel"). Es ist festgestellt, dass Schilliger, als er die angefochtenen Zessionen vornahm, bereits überschuldet war. Über den Anfechtungsgrund der soeben angeführten Ziff. 1 geht das Obergericht hinweg. Es beurteilt die Anfechtung aller drei Zessionen, soweit Art. 287 in Frage steht, nur nach der erwähnten Ziff. 2, also unter dem Gesichtspunkt von Tilgungsgeschäften. Diese Betrachtungsweise erweckt Bedenken. Von (erfolgter) Tilgung spricht man in der Regel nur bei Rechtshandlungen, die (sei es auch unter gewissen Vorbehalten) als Erfüllung oder vollwertiger Erfüllungsersatz gelten, so dass es (normalerweise) keiner weitern Leistung bedarf. Unter die erwähnte Ziff. 2 fallen daher Sachleistungen (Eigentumsübertragungen) wie auch Forderungszessionen "an Zahlungsstatt", dagegen nicht ohne weiteres auch Zessionen "zahlungshalber", die zwar einen zur Zahlung führenden Weg darstellen (vgl. Art. 172 OR), aber einstweilen nur als Tilgungsversuch gelten und daher dem Schuldner nicht sogleich, sondern nach Massgabe ihres künftigen Ertrages als Erfüllung gutgeschrieben zu werden pflegen. So ist denn auch die Beklagte vorgegangen. In der Literatur wird freilich, in Anlehnung an BGE 38 II 724= Sep.-Ausg. 15 S. 471, auch die Abtretung zahlungshalber der in Frage stehenden Ziff. 2 unterstellt (vgl. JAEGER/DAENIKER, N. 9 A zu Art. 287; BRAND, Anfechtungsklage, in der Schweizerischen juristischen Kartothek Nr. 742, III, B, 2, b). Das erwähnte Präjudiz will aber keinen allgemeinen dahingehenden Grundsatz aufstellen. Es hat nur die Übergabe von Wechseln im Auge, indem es (auf S. 727 der Amtlichen Sammlung = S. 474 der Separatausgabe) ausführt, bei der Annahme von Wechseln und wechselähnlichen Papieren pflege man im Geschäftsverkehr dem Unterschied zwischen einer Übergabe an Zahlungsstatt und einer Übergabe zahlungshalber entweder überhaupt keine Beachtung zu schenken oder doch keine wesentliche Bedeutung beizumessen, weil dem Nehmer eines solchen

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Papiers in beiden Fällen bei Nichtzahlung der Rückgriff auf den Aussteller oder den Remittenten zustehe. Diese Erwägungen lassen sich nicht auf die Abtretung irgendwelcher Forderungen zahlungshalber übertragen. Bei den vorliegenden Abtretungen an die Beklagte sollte übrigens wohl nicht einmal die mit einer Abtretung zahlungshalber gewöhnlich verbundene aufschiebende Einrede gegenüber persönlicher Belangung des Schuldners (vgl. VON TUHR, OR § 56, II) gelten. Es wurden eben erst in Zukunft fällige, ratenweise über einen längern Zeitraum hin zu tilgende Forderungen (so bei den Zessionen b) und c)) abgetreten, bzw. Gegenstand der Abtretung waren aufschiebend bedingte, ungewiss ob und wann frei werdende Guthaben (so bei der Zession a) aus dem vorerwähnten Depotkonto). Wie der Geschäftsführer der Finanz AG bezeugt hat, waren Auszahlungen aus diesem Konto weder am 11. April 1956 fällig noch auch nur in absehbarer Zeit zu erwarten. Dem entspricht es, dass die Beklagte sich durch die Zessionen vom 11. und 14. April 1956 nicht davon abhalten liess, gleich in der zweiten Hälfte des nämlichen Monats neuerdings auf Zahlung der Rückstände zu drängen. Derartige Zessionen unsicherer zukünftiger Guthaben als Tilgungen im Sinne von Art. 287 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG zu betrachten, geht nicht wohl an. In erster Linie kam ihnen jedenfalls die Bedeutung einer Sicherstellung zu. Daher ist vorweg Ziff. 1 der in Frage stehenden Anfechtungsnorm anzuwenden, die, wie die Rechtsprechung längst anerkennt, nicht nur Pfandbestellungen, sondern auch andere auf dingliche Sicherstellung gerichtete Rechtshandlungen treffen will (vgl. BGE 38 II 728= Sep. Ausg. 15 S. 475, BGE 57 III 142). Da diese Zessionen neben der sofort zu bietenden Sicherheit allenfalls in Zukunft auch Tilgung verschaffen sollten, kann man sich allerdings fragen, ob von den Anfechtungsgründen des Art. 287 auch Ziff. 2 zutreffe. Es mag offen bleiben, ob dieser Anfechtungsgrund auch Rechtshandlungen erfasse, die in so unsicherer Weise wie die vorliegenden

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auf zukünftige Tilgung abzielen. Wird dies bejaht, so sind einfach die beiden Anfechtungsgründe zugleich (mit den für jeden von ihnen geltenden Vorbehalten) zu bejahen. Keineswegs liesse es sich rechtfertigen, deshalb, weil sich die angefochtenen Rechtshandlungen nicht eindeutig nur der einen der angerufenen Ziffern unterstellen lassen, Art. 287 nun überhaupt nicht anzuwenden. Diese Norm will (gegenüber der auf Rechtshandlungen jeder Art anwendbaren Vorschrift des Art. 288) die Anfechtung bestimmter Rechtshandlungen erleichtern: derjenigen Rechtshandlungen nämlich, die der Schuldner im Zustande der Überschuldung in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung vorgenommen hat und die auf eine von der ihm obliegenden Verbindlichkeit abweichende ("inkongruente") Deckung abzielen, sei es im Sinne der Sicherstellung (Ziff. 1) oder des Erfüllungsersatzes (Ziff. 2) oder der vorzeitigen Leistung (Ziff. 3). Liegt, wie hier, eine in doppelter Hinsicht, sowohl gemäss Ziff. 1 wie auch gemäss Ziff. 2, inkongruente Deckung vor, so muss die "Überschuldungspauliana" des Art. 287 SchKG (die sich nach der Eigenart der von ihr betroffenen Rechtshandlungen auch als "Deckungspauliana" benennen liesse) um so mehr Platz greifen.
4. Angesichts des überwiegenden Sicherungscharakters der vorliegenden Zessionen kann der im Sinne von Art. 287 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG erhobene Einwand, es habe sich um "übliche Zahlungsmittel" gehandelt, von vornherein nicht durchdringen. Er erweist sich im übrigen, auch wenn man diese Ziff. 2 allein ins Auge fasst, entgegen der vorinstanzlichen Entscheidung als unzutreffend. Auch wenn man nämlich einerseits dem Begriff der "Tilgung einer Geldschuld" blosse Tilgungsversuche, welche die Schuld nicht sogleich zum Erlöschen bringen, wie namentlich die Abtretung von Forderungen zahlungshalber, mitunterstellt, lässt sich anderseits grundsätzlich der Begriff des "üblichen Zahlungsmittels" nicht auf derartige nur auf mittelbare Tilgung angelegte Ersatzübertragungen

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ausdehnen. Vielmehr ist eine Abtretung zahlungshalber, sofern überhaupt "Tilgung", in aller Regel eben als Tilgung "auf andere Weise als durch Barschaft oder durch anderweitige übliche Zahlungsmittel" zu betrachten, also gemäss dieser Norm anfechtbar. Als "übliche Zahlungsmittel" ("valeurs usuelles", "mezzi usuali di pagamento") können nur Leistungen gelten, die üblicherweise barem Gelde gleichgeachtet werden. Freilich fällt nicht nur in Betracht, was jedermann wie bare Münze anzunehmen pflegt (namentlich Banknoten). Es genügt eine am betreffenden Ort oder in den Gewerbekreisen, denen die Beteiligten angehören, übliche Zahlungsweise, sofern nicht etwa in ihren persönlichen Geschäftsbeziehungen abweichende Gepflogenheiten bestehen ("Orts- und Brancheüblichkeit"; vgl. BLUMENSTEIN, Handbuch S. 882/3; JAEGER, N. 9 B zu Art. 287). Diese Auslegung nimmt Rücksicht auf den weit verbreiteten bargeldlosen Zahlungsverkehr (durch Postcheck- und Bankgiro) wie auch auf die besondern Gebräuche bestimmter Gewerbe, in denen üblicherweise gewisse Arten von Kundenguthaben an Zahlungsstatt angenommen werden. So pflegt manchenorts im Baugewerbe der Unternehmer seine Forderung an den Bauherrn den Handwerkern als "Zahlung" abzutreten (vgl. BRAND, SJK Nr. 742 S. 6: III B b; BlZR 33 Nr. 127; auch Übertragung leicht verkäuflicher Wertpapiere, allenfalls eines Schuldbriefs, kann als übliche "Zahlungsweise" in Betracht kommen; vgl. BGE 74 III 58/59). Einer blossen Abtretung oder Anweisung zahlungshalber ist dagegen der Charakter eines "üblichen Zahlungsmittels" in aller Regel nicht zuzuschreiben. Es handelt sich jedenfalls bei den vorliegenden Abtretungen - abgesehen vom Sicherungszweck, der die Beklagte nicht hinderte, weiterhin jederzeit eigentliche Zahlung zu verlangen, sobald der Schuldner dazu in der Lage wäre - um ein blosses Surrogat, dem nicht die Bedeutung einer präsenten Zahlung zukommen sollte. Dieser mit Rücksicht auf das Ausstehen eines beträchtlichen Schuldbetrages gewählte Notbehelf

BGE 85 III 193 (201):

war keine ordentliche, gewöhnliche, im Möbelgrosshandel allgemein übliche oder unter den beteiligten Kaufleuten, also zwischen der Beklagten und Schilliger, in Brauch gekommene Zahlungsweise. Schon die frühere Abtretung eines Guthabens aus dem Depotkonto bei der Finanz AG hatte zur Sicherstellung einer stark angewachsenen Schuldsumme gedient, und nur ein geringer Bruchteil der Verbindlichkeiten war aus abgetretenen Kundenguthaben gedeckt worden.
Die von der Vorinstanz eingeholten Gutachten rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Was für Bräuche im Möbelhandel bestehen, ist zwar Tatfrage. Ob jedoch die Abtretung von Forderungen, wie sie nach Veranlassung und Häufigkeit in diesem Gewerbekreise vorkommt, als "übliches Zahlungsmittel" im Sinne von Art. 287 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG zu gelten habe, ist eine vom Bundesgericht frei zu überprüfende Rechtsfrage, nämlich Frage der Auslegung der erwähnten gesetzlichen Norm und der Beurteilung tatsächlicher Vorgänge unter dem Gesichtspunkt dieser Rechtsnorm, also "rechtliche Beurteilung einer Tatsache" im Sinne von Art. 43 Abs. 4 OG (vgl. im übrigen zur Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen bei Anwendung von Art. 287 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG: BRAND, SJK Nr. 743 S. 7: IV, 2 c, cc). Nun führt der Gutachter F. Moser aus, es seien weniger als 20 Prozent der Möbeldetaillisten, die ihre Teilzahlungs-Kaufverträge ganz oder teilweise als Zahlungsmittel an die Möbelfabrikanten zedieren. Ein Zürcher Grossunternehmen des Möbelhandels habe erklärt, es nehme solche Zessionen als Zahlungsmittel nur in Ausnahmefällen an, "wenn es absolut nicht anders gehe". Bisweilen verlange der Grosshändler oder Fabrikant die Abtretung von Teilzahlungs-Kaufverträgen, wenn ihm "die Zahlungsfähigkeit des Verkäufers nicht genügt bzw. keine Sicherheit vorhanden ist", somit als Notbehelf. Die Möbelfabrikanten und die Grossisten des Möbelhandels seien für die Übernahme von Abzahlungskaufverträgen "an Stelle von Bargeld"

BGE 85 III 193 (202):

nicht vorbereitet. Auch im Betrieb der beklagten Firma dürfte es sich nach Ansicht des Experten "um Ausnahmen und Einzelfälle handelt", ansonst sie gezwungen wäre, sich bessere Deckungen und Sicherheiten geben zu lassen. Nach alldem können Abtretungen von Kundenguthaben keineswegs als "übliches Zahlungsmittel" zur Begleichung von Lieferantenschulden des Kleinhändlers gelten. Ohne sich auf andere tatsächliche Unterlagen zu stützen, hält freilich der andere Gutachter, J. Ströbel, dafür, "dass diese Zahlungsart ohne weiteres heute schon als üblich betrachtet werden darf". Seine Ausführungen - sein Hinweis auf die schwierige Lage der mittleren Möbelhändler, die danach trachten, die immer häufiger werdenden Abzahlungsverträge mit ihren Kunden "in flüssige Mittel umzuwandeln" - beruhen jedoch auf einer Verkennung des Begriffs des (der Barzahlung gleichzuachtenden) "üblichen Zahlungsmittels". Daraus, dass sich "schon heute verschiedene Möbelhändler vorstellen", der Fabrikant müsse (statt mit Hilfe einer Bank oder eines andern Finanzierungsinstitutes bar bezahlt zu werden) zu solcher Abwicklung der Verbindlichkeiten Hand bieten, und es seien "die Anfänge bereits in einem beachtlichen Umfange gemacht worden", folgt nichts, was es rechtfertigen würde, die Abtretung von Guthaben aus Abzahlungsverträgen des Charakters der "Tilgung einer Geldschuld auf andere Weise als durch Barschaft oder anderweitige übliche Zahlungsmittel" zu entkleiden und diese Rechtshandlung speziell im Verhältnis zwischen dem Fabrikanten oder Grosshändler und dem Kleinhändler des Möbelgewerbes als Zahlungsmittel, das üblicherweise wie Barschaft angenommen würde, zu betrachten. Vollends stellte die Abtretung des Guthabens aus dem Depotkonto bei der Finanz AG, woraus nur allenfalls in Zukunft irgendwelche nicht zum voraus bestimmbare Beträge frei werden konnten, keine präsente Zahlung dar.


BGE 85 III 193 (203):

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, die Ziffern 1, 3 und 4 des Rechtsspruchs des Urteils des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 7. April 1959 werden aufgehoben, und folgende Rechtshandlungen des Gemeinschuldners Alois Schilliger werden gemäss Art. 285 ff. SchKG anfechtbar erklärt:
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Die Beklagte wird verpflichtet, die ihr abgetretenen Rechte auf die Klägerin zu übertragen, dieser die darauf bezüglichen Urkunden, namentlich die Originalkaufverträge zwischen Alois Schilliger und den Drittschuldnern laut lit. b) und c) hievor, auszuhändigen und ihr die von den Drittschuldnern geleisteten Zahlungen zu erstatten.