BGE 87 III 1
 
1. Entscheid vom 20. April 1961 i.S. Meier.
 
Regeste
Beschwerdebefugnis jedes (auch eines nicht betreibenden) Grundpfandgläubigers gegenüber den die Verwertung des Grundstücks betreffenden Massnahmen. Art. 17, 138-140 und 156 SchKG, 29, 34, 102 VZG.
Ausschluss neuer Beweismittel im Rekursverfahren vor Bundesgericht. Art. 79 Abs. 1 und 81 OG.
 
Sachverhalt


BGE 87 III 1 (2):

A.- Im Grundpfandverwertungsverfahren betreffend die Liegenschaft Hotel Astoria in Arosa setzte das Betreibungsamt Schanfigg die Steigerung auf den 14. April 1961, 15 Uhr, an. Binnen der Eingabefrist, am 22. März 1961, meldete Adolf Meier eine Grundpfandforderung von Fr. 50'000.-- im 2. Range mit Zins an. In dem vom Betreibungsamt beschafften Grundbuchauszug vom 13. Dezember 1960 war Adolf Meier nicht unter den Grundpfandgläubigern angeführt, und dem Betreibungsamt war bloss bekannt, dass er vorübergehend Gläubiger einer im 3. Range stehenden Grundpfandverschreibung von Fr. 50'000.-- gewesen war. Mit Schreiben vom 27. März 1961 ersuchte ihn das Betreibungsamt um Einsendung seiner Grundpfandverschreibung innert drei Tagen zur Einsichtnahme. Es fügte bei: "Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass Sie die Grundpfandverschreibung am 28. November 1960 an Dr. J. Ackermann, Rapperswil/SG abgetreten haben." Diesen Brief liess Adolf Meier unbeantwortet.
B.- Ebenfalls am 22. März 1961 hatte Adolf Meier gegen das Betreibungsamt Beschwerde geführt mit dem Begehren, die vorgesehene Liegenschaftssteigerung sei aufzuheben (wegen mangelhafter Schätzung und anderer Beanstandungen).
C.- Mit Entscheid vom 7. April 1961 ist die kantonale Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde nicht eingetreten, weil Adolf Meier die im 3. Rang stehende Grundpfandverschreibung am 3. November 1960 weiterzediert und

BGE 87 III 1 (3):

sich auf die Aufforderung des Betreibungsamtes nicht über andere Rechte ausgewiesen habe.
D.- Diesen am 8. April 1961 zugestellten Entscheid hat Adolf Meier am 14. April, dem Steigerungstag, an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu materieller Erledigung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell sei die Beschwerde durch die Rekursinstanz gutzuheissen. Er legt dem Rekurs neue Beweisstücke bei: a) die von ihm angemeldete Grundpfandverschreibung von Fr. 50'000.-- im 2. Range (Gläubigerdoppel) mit folgenden Zessionsvermerken: Zession vom 16. Juli 1959 der Frau B. Häberling an Adolf Meier; Zession vom 21. März 1961 des Adolf Meier an Edwin Häberling; Zession vom 29. März 1961 des Edwin Häberling an die ZIMAG AG Zürich; b) eine Erklärung des Edwin Häberling vom 14. April 1961, wonach ihm diese Grundpfandverschreibung nur treuhänderisch übergeben worden sei, gemäss einem Kaufvertrag mit aufschiebend bedingter Wirkung; die Übertragungsvermerke seien lediglich aus formellen Gründen angebracht worden, ohne die Eigentumsrechte des Adolf Meier zu beeinträchtigen; nun sei die Bedingung dahingefallen, somit gehe die Grundpfandverschreibung mit allen Rechten an Adolf Meier zurück; c) eine "Treuhand-Quittung" des Edwin Häberling an Adolf Meier vom 7. Januar 1961; d) eine Vereinbarung des Adolf Meier mit H. Schneider, Edwin Häberling und Martin Müller vom 22. Februar 1961.
In der Rekursschrift wird ausgeführt, die Beschwerde habe sich gar nicht auf die von der Vorinstanz erörterte Grundpfandverschreibung im 3. Range bezogen, sondern auf diejenige des 2. Ranges, die er dem Betreibungsamt gemeldet hatte. Es wäre Sache der Beschwerdeinstanz gewesen, die Legitimationsfrage abzuklären. Die uneinlässliche Behandlung der Beschwerde bedeute eine Rechtsverweigerung.
 


BGE 87 III 1 (4):

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Der Vorinstanz ist darin beizustimmen, dass zur Beschwerde nach Art. 17 SchKG nur die Parteien des Betreibungsverfahrens und solche Drittpersonen berechtigt sind, die durch die angefochtene Verfügung in ihren rechtlichen Interessen betroffen werden (BGE 71 III 172, BGE 77 III 66, 78, BGE 79 III 5, BGE 82 III 54 /55; FRITZSCHE, Schuldbetreibung I 39). Der Rekurrent ist denn auch in der Beschwerde als (nicht betreibender) Grundpfandgläubiger aufgetreten. Es wäre jedoch seine Sache gewesen, sich über diese Voraussetzung des Beschwerderechtes auszuweisen. Und zwar hätte er dies von sich aus tun sollen, da er die in Frage stehende Zession einer im 2. Range stehenden Grundpfandforderung nicht hatte gemäss Art. 66 der Grundbuchverordnung im Gläubigerregister vermerken lassen und daher nicht damit rechnen konnte, in den Betreibungsakten als Grundpfandgläubiger genannt zu sein. Freilich meldete er am Tag der Beschwerdeführung die ihm angeblich zustehende Grundpfandforderung im 2. Rang dem Betreibungsamte zur Aufnahme in das Lastenverzeichnis an. Er tat dies jedoch gleichfalls ohne Ausweis über sein Gläubigerrecht. Ausserdem liess er die ihm vom Betreibungsamte dann am 27. März 1961 eingeräumte Frist zur Vorlegung der Forderungsurkunde verstreichen, ohne auch nur zu antworten und allenfalls um Bewilligung einer Nachfrist zur Einreichung seiner Belege zu bitten. Was er zur Rechtfertigung seiner Säumnis vorbringt, hält der Überprüfung nicht stand. Das Betreibungsamt erliess jene Aufforderung im Anspruchseingabeverfahren (Art. 138 Abs. 1 Ziff. 3/Art. 156 SchKG und Art. 29, 34 und 102 VZG) und handelte damit im Rahmen seiner Befugnisse. Der Rekurrent hätte allen Grund gehabt, die ihm gebotene Gelegenheit, sich als Grundpfandgläubiger auszuweisen, zu benutzen, zumal auch im Hinblick auf seine Beschwerde, wozu die Aufsichtsbehörde die Vernehmlassung

BGE 87 III 1 (5):

des Betreibungsamtes einzuholen hatte. Der Rekurrent musste sich sagen, die Aufsichtsbehörde werde seine Beschwerdelegitimation auf Grund der dem Betreibungsamt zur Verfügung stehenden Belege, namentlich des Grundbuchauszuges, nachprüfen. Die Beschwerdeinstanz hat denn auch ihrerseits den Erfolg der betreibungsamtlichen Fristeinräumung abgewartet und das Ausbleiben des dem Rekurrenten aufgegebenen Nachweises festgestellt.
Ist die Vorinstanz somit bei dem gegebenen Aktenstande mit Recht nicht auf die Beschwerde eingetreten, so steht es dem Rekurrenten nun nicht zu, das Versäumte im Rekursverfahren nachzuholen. Die Weiterziehung an das Bundesgericht darf sich grundsätzlich nicht auf neue Vorbringen tatsächlicher Art noch auf neue Beweismittel stützen (Art. 79 Abs. 1 OG). Solche Rekursgrundlagen sind nach dieser Vorschrift nur zu berücksichtigen, wenn im kantonalen Verfahren keine Gelegenheit bestanden hatte, sie geltend zu machen; ferner nach der Rechtsprechung dann, wenn erst der kantonale Entscheid Grund zu solcher Geltendmachung bietet (BGE 84 III 78 Erw. 1). Weder das eine noch das andere trifft hier zu, was nach dem Gesagten keiner weitern Begründung bedarf. Sollte der Rekurrent das erst mit dem Rekurs vorgelegte Gläubigerdoppel der Grundpfandverschreibung am 21. März mit seinem Zessionsvermerk an Edwin Häberling ausgehändigt und, als er die Aufforderung des Betreibungsamtes erhielt, nicht in seinem Besitz gehabt haben, so war er doch gehalten, das Betreibungsamt - auch zu Handen der Aufsichtsbehörde - zu orientieren und sich um baldige Einreichung der Urkunde und allfälliger weiterer Beweismittel zu bemühen. Es kommt auch nicht etwa in Frage, die mit dem Rekurs vorgelegten Beweisstücke gemäss Art. 81 OG von Amtes wegen zuzulassen. Denn es handelt sich nicht um amtliche Akten, sondern um Schriftstücke, die (soweit sie überhaupt schon vorhanden waren) der Rekurrent eben weder dem Betreibungsamt noch der Vorinstanz vorgelegt hatte.


BGE 87 III 1 (6):

Unter diesen Umständen muss es beim Nichteintretensentscheide der Vorinstanz sein Bewenden haben und ist nicht zu prüfen, ob die bereits am Tage vor der Forderungseingabe und der Beschwerde des Rekurrenten erfolgte Zession an Edwin Häberling durch die weitern Rekursbeilagen rechtsgenüglich entkräftet wäre, falls diese Beilagen im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch in Betracht fallen dürften.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.