87 III 117
Urteilskopf
87 III 117
23. Entscheid vom 28. November 1961 i.S. Wenner.
Regeste
Kollokation und Verteilung beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung.
Inbezug auf pfandgesicherte Forderungen gelten in einem solchen Liquidationsverfahren dieselben Regeln wie im Konkurs:
a) Wenn das Pfand im Eigentum des Schuldners steht, also zur Liquidationsmasse gehört, ist im Kollokationsplan nur derdurch das Pfandrecht nicht gedeckte Forderungsbetrag unter die ungesicherten Forderungen aufzunehmen, gemäss Art. 219 Abs. 1-4 SchKG . Nur auf diesen Fall beziehen sich die Regeln des Art. 316 o SchKG über die Berücksichtigung des Pfandausfalles bei der Verteilung. Daran ändert auch Art. 316 k SchKG nichts; tragweite dieser Bestimmung.
b) Steht das Pfand im Eigentum eines Dritten, so ist im Kollokationsplan gemäss Art. 61 Abs. 1 KV der ganze anerkannte Forderungsbetrag ohne Rücksicht auf das Pfandrecht unter die ungesicherten Forderungen aufzunehmen, und bei der Verteilung ist Art. 61 Abs. 2 KV zu beachten.
Über das Eigentum des Schuldners oder eines Dritten am Pfandgegenstand ist somit im Kollokationsverfahren mitzuentscheiden. Die rechtskräftige Kollokationsverfügung ist für die Verteilung massgebend. Vorbehalten bleibt die Nichtigkeit einer durch betrügerische Angaben erschlichenen Kollokation.
A.- Die Gerberei Oberaach A.-G. steht im Liquidationsverfahren infolge Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung. Im Kollokationsplan wurde der Schweizerische Bankverein mit der von ihm eingegebenen Forderung von Fr. 200'928.-- in der fünften Klasse rechtskräftig anerkannt. Dabei war auf Pfänder in Dritteigentum hingewiesen worden: einen Inhaberschuldbrief über Fr. 100'000.--, lastend auf Liegenschaften der Immobilien A.-G. Oberaach, und 200 Aktien der Löw-Schuhverkauf A.-G. im Nennwert von je Fr. 1000.--.
B.- In der zur Berechnung einer vorläufigen. Liquidationsquote dienenden Verteilungsliste berücksichtigten die Liquidatoren jene inzwischen auf den Rekurrenten übergegangene Forderung des Schweizerischen Bankvereins nicht im vollen Betrage, sondern nur im Teilbetrag von Fr. 100'928.--, indem sie den Betrag des als Pfand haftenden (vollwertigen) Schuldbriefes von Fr. 100'000.-- abzogen. Zur Begründung führten sie an, bei der Kollokation habe man irrtümlicherweise angenommen, es handle sich um Drittpfänder. "Erst als wir später in die Pfandbestellungsurkunde vom 25. August 1955 Einsicht erhielten, zeigte es sich, dass die fraglichen Titel im Zeitpunkt der Verpfändung im Besitz der Gerberei Oberaach A.-G. gewesen sein mussten und nicht von der Immobilien A. G. bezw. von der Löw Schuhfabriken A.-G. dem Bankverein verpfändet worden waren."
C.- Der Rekurrent focht die Verteilungsliste durch Beschwerde an mit dem Antrag, die Liquidatoren seien anzuweisen, seine Forderung im vollen Betrag von Fr. 200'928.-- zu berücksichtigen und die Liquidationsquote von 40% von diesem Betrage zu berechnen.
D.- In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, erneuert er mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht den Beschwerdeantrag.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Im angefochtenen Entscheid vom 6. November 1961 lässt die Vorinstanz offen, ob man es, wie bei der Kollokation angenommen worden war und der Rekurrent weiterhin behauptet, mit Drittpfändern zu tun habe. Sie hält dafür, bei der Liquidation infolge Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung seien pfandversicherte Forderungen, auch wenn der Pfandgegenstand einem Dritten gehört, nur mit dem Betrag des zu erwartenden Pfandausfalles als unversicherte Forderung zu berücksichtigen, abweichend von der für den Konkurs aufgestellten Regel des Art. 61 KV. Dies ergebe sich aus dem auf den Pfandausfall abstellenden Art. 316 o SchKG, der als Sondernorm für die Liquidation infolge Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung zu betrachten sei und eine analoge Anwendung der für den Konkurs geltenden Normen in dieser Hinsicht ausschliesse. In einem solchen Liquidationsverfahren seien (nach Art. 316 k SchKG) die Pfandgläubiger denn auch nicht, wie im Konkurs (nach Art. 232 Ziff. 4 SchKG), zur Ablieferung der Pfänder verpflichtet.
Dem Art. 316 o SchKG kommt indessen nicht die ihm von den Liquidatoren und von der Vorinstanz zugeschriebene Tragweite zu. Wenn danach die Pfandgläubiger "mit dem tatsächlichen Pfandausfall" (Abs. 1) oder "mit der durch die Schätzung des Sachwalters festgestellten mutmasslichen Ausfallforderung" (Abs. 2) an einer Abschlagszahlung teilnehmen, so ist dabei eine Kollokation vorausgesetzt, wonach die Pfandforderung nur mit dem durch den Pfanderlös nicht gedeckten Teil als unversicherte Forderung zugelassen ist. An der Bedeutung der rechtskräftigen Kollokation als massgebender Grundlage der Verteilung (vgl.BGE 56 III 109, BGE 87 III 84) will Art. 316 o SchKG nichts ändern. Dem auch für die Liquidation infolge Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung vorgeschriebenen Kollokationsverfahren (Art. 316 g SchKG)
BGE 87 III 117 S. 121
kommen die gleichen Rechtswirkungen zu wie im Konkurs. Art. 316 o SchKG legt daher bloss für den Fall, dass ein Pfandgläubiger nach der ihn betreffenden Kollokation lediglich mit dem durch den Pfanderlös nicht gedeckten Betrag an der Verteilung des übrigen Vermögens des Schuldners teilnimmt, fest, was als Pfandausfall zu gelten habe und wie eine auf einem mutmasslichen Pfandausfall beruhende Zuteilung gegebenenfalls später zu berichtigen sei. Die in Abs. 3 vorgesehene Herausgabe einer Überdeckung kann sich übrigens zweifellos nur auf die Verwertung eines dem Schuldner gehörenden Pfandes beziehen.Vollends kann aus Art. 316 o SchKG keine von Art. 61 KV abweichende Vorschrift für die Kollokation abgeleitet werden (die hier nicht beobachtet worden wäre). Bei der Kollokation ist auszugehen von Art. 219 Abs. 4 SchKG, wonach (bloss) "der ungedeckte Betrag der pfandversicherten Forderungen... auf den Erlös der ganzen übrigen Konkursmasse" anzuweisen ist. Diese Bestimmung hat, wie sich aus dem Hinweis auf die übrige Konkursmasse ergibt, offensichtlich nur dem Schuldner selbst gehörende Pfänder im Auge. Bei dieser Berücksichtigung bloss des durch den Pfanderlös nicht gedeckten Betrages als unversicherter Forderung kann es bei Drittpfändern nicht sein Bewenden haben. Bei Pfandbestellung aus Drittvermögen soll die Schuld in der Regel letzten Endes das Vermögen des Schuldners belasten. Daher bleibt denn auch normalerweise selbst bei voller Deckung durch den Erlös eines solchen Pfandes die Schuld unvermindert bestehen; es findet lediglich ein Übergang der Gläubigerrechte auf den Dritten statt, sei es, dass das ihm gehörende Pfand verwertet worden ist oder dass er es eingelöst hat (vgl. Art. 110 Ziff. 1 OR;BGE 60 II 178). Im Nachlassliquidationsverfahren ist dies ebenso zu berücksichtigen wie im Konkurs. Art. 61 KV gilt daher gleichermassen im einen wie im andern Verfahren. Sein Abs. 2 behält für die Verteilung ausdrücklich die im einzelnen Falle gegebenen
BGE 87 III 117 S. 122
Verhältnisse vor. Erhebt sich Streit über den Eintritt oder den Umfang der Subrogation, so haben sich die Konkurs- oder Liquidationsorgane an die gerichtliche Entscheidung zu halten (vgl.BGE 54 III 64ff.).Dem Gesagten steht auch Art. 316 k SchKG nicht entgegen, der die Faustpfandgläubiger von der im Konkurse nach Art. 232 Ziff. 4 SchKG für Sachen des Gemeinschuldners bestehenden Ablieferungspflicht befreit und ihnen damit ein Absonderungsrecht zugesteht. Bei Drittpfändern besteht ohnehin, auch im Konkurse, keine Ablieferungspflicht, und Art. 61 KV bezieht sich nur auf Drittpfänder, setzt also keineswegs eine Ablieferungspflicht voraus. Art. 316 k SchKG berührt daher die Frage, wie drittpfandversicherte Forderungen zu kollozieren seien, nicht.
2. Somit kommt es entscheidend auf die von der Vorinstanz offen gelassene Frage des Eigentums an den Pfändern an. Darüber ist indessen, weil der Umfang des in fünfter Klasse zuzulassenden Forderungsbetrages von diesen Eigentumsverhältnissen abhing, bei der Kollokation dieser Forderung mitentschieden worden, wie es Art. 61 KV vorschreibt (vgl.BGE 54 III 67/68 undBGE 62 III 198/99; ZbJV 75 S. 116 lit. d). Dabei muss es grundsätzlich bleiben. Kollokationsverfügungen, die binnen der gesetzlichen Frist unangefochten geblieben und daher in Rechtskraft erwachsen sind, unterliegen nicht der nachträglichen Anfechtung wegen Irrtums. Um so weniger sind die Organe des Konkurs- oder Liquidationsverfahrens befugt, von sich aus bei der Verteilung davon abzugehen. Vorbehalten ist die Nichtigkeit einer durch unerlaubte Handlung veranlassten, insbesondere einer auf betrügerischen Angaben beruhenden Kollokation (BGE 64 III 141ff., BGE 87 III 79 ff.). Ob die Liquidatoren eine solche Nichtigkeit behaupten wollen, und wie es sich damit verhält, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Die Sache ist daher zur Abklärung dieses Punktes und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die kantonale Aufsichtsbehörde zurückgewiesen wird.
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