BGE 90 III 13
 
4. Entscheid vom 10. März 1964 i.S. Boog, Eheleute.
 
Regeste
Wird ein Dritter fälschlicherweise als gesetzlicher Vertreter des Schuldners betrachtet, so ist die an jenen erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls nichtig. Eine nachträgliche Ernennung jenes Dritten zum Beistand vermag den Mangel nicht zu beheben. Art. 392 Ziff. 2 und Art. 418 ZGB. Art. 47 SchKG. (Erw. 1).
 
Sachverhalt


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A.- In einer Betreibung der Anstalt Solana, Vaduz, gegen Frau Marie Boog für eine Forderung von Fr. 4'499.20 nebst Zins (als Vollschuld) musste für den mitzubetreibenden Ehemann der Schuldnerin, Alois Boog, der bevormundet ist, ein Beistand gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB ernannt werden, da die als Vormünderin ernannte Ehefrau ihn in dieser Angelegenheit nicht vertreten kann. Als Beistand ernannte der Gemeinderat von Ebikon Adolf Birrer. Indessen wurde die Betreibung Nr. 12638/39 wegen formeller Fehler aufgehoben, worauf der Gemeinderat Adolf Birrer auch für eine neue Betreibung der Anstalt Solana als Beistand des Alois Boog bezeichnete. Die neue Betreibung Nr. 12942 scheiterte dann aber ebenfalls an formellen Fehlern. Deshalb leitete die Gläubigerin am 24. Juli 1963 eine dritte Doppelbetreibung (Nr. 13329) ein. Der für Alois Boog bestimmte Zahlungsbefehl wurde wiederum Adolf Birrer ausgehändigt, der hierauf Rechtsvorschlag erhob. Auf Begehren der Gläubigerin ernannte am 24. September 1963 der Gemeinderat von Ebikon Adolf Birrer noch ausdrücklich als Beistand des Ehemannes der Schuldnerin für die Betreibung Nr. 13329.
B.- Die Eheleute Boog fochten die Betreibung Nr. 13329 durch Beschwerde als nichtig an, weil Birrer nicht mehr Beistand des Alois Boog gewesen sei und der

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Zahlungsbefehl dieser Betreibung ihm daher nicht gültig habe zugestellt werden können.
C.- Die kantonalen Aufsichtsbehörden haben Beschwerde und Rekurs der betriebenen Eheleute abgewiesen. Der Entscheid der obern Aufsichtsbehörde vom 11. Februar 1964 stützt sich auf folgende Erwägungen: Zu Unrecht halten die Rekurrenten dafür, die nach Aufhebung der ersten Betreibung laut Brief des Gemeinderates vom 1. Juni 1963 "für eine neue Betreibung" erneuerte Beistandsernennung habe nur für eine (einzige) Betreibung, nämlich die zweite, Nr. 12942, gegolten. "Vielmehr sollte der Beistand einfachhin in einer neuen Betreibung handeln können", also auch in der dritten, wie sie dann wegen formeller Mangelhaftigkeit jener zweiten notwendig wurde. Wollte man dies jedoch nicht gelten lassen, so wäre die Zustellung des für Alois Boog bestimmten Zahlungsbefehls Nr. 13329 an Adolf Birrer dennoch als gültig zu erachten, nachdem er ja dann am 24. September 1963 auch für diese Betreibung als Beistand ernannt worden ist. Denn in dieser Ernennung liegt eine nachträgliche Genehmigung der von Birrer als Beistand vorgenommenen Handlungen, insbesondere der Entgegennahme des Zahlungsbefehls Nr. 13329 und der Erhebung des Rechtsvorschlages.
D.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht halten die Eheleute Boog am Antrag fest, die Betreibung Nr. 13329 sei "als nichtig festzustellen und rechtsunwirksam zu erklären".
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Wenn, wie die Rekurrenten annehmen, Adolf Birrer bei der Entgegennahme des Zahlungsbefehls Nr. 13329 nicht als Beistand zu handeln befugt war, so erweist sich die Zustellung als ungültig und die Betreibung als nichtig. Denn wenn Birrer, gemäss dieser Auffassung, nicht mehr als gesetzlicher Vertreter des Ehemannes Boog zu amten hatte, so konnte diese Zustellung schlechthin keine Rechtswirkungen

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entfalten, auch dann nicht, wenn die Urkunde alsdann in die Hände des (handlungsunfähigen) Alois Boog selbst oder seiner (in dieser Angelegenheit nicht vertretungsberechtigten) Vormünderin gelangte. Ein derart unwirksamer Zustellungsakt konnte - entgegen den Eventualerwägungen der Vorinstanz - nicht durch eine spätere Ernennung des Adolf Birrer als Beistand nachträglich gültig werden. Der Hinweis auf EGGER, N. 2 zu Art. 418 ZGB, geht fehl. Wenn danach Handlungen eines von der Vormundschaftsbehörde ernannten Beistandes, die er als dringlich ohne Einholung genauer Weisungen vorsorglicherweise vornahm, nachträglich genehmigt werden können, so folgt daraus nicht, dass auch Handlungen eines Unbefugten für einen Dritten Verbindlichkeit erlangen, wenn jener nachträglich als dessen Beistand ernannt wird. Art. 418 ZGB hat nur die Weisungen der Vormundschaftsbehörde an einen bereits ernannten Beistand im Auge, und jene Kommentarstelle bezieht sich demgemäss auf Handlungen, die der Betreffende vornimmt, um eben die ihm (bereits) übertragene Aufgabe als Beistand zu erfüllen. Jemand aber, dem diese Stellung nicht zukommt, kann überhaupt nicht in solcher Eigenschaft handeln, auch nicht im Hinblick auf eine künftige Ernennung. Vorbehalten bleiben Rechtshandlungen, die, auch wenn sie ohne Vertretungsbefugnis vorgenommen wurden, nachträglicher Genehmigung zugänglich sind (vgl. Art. 38 OR). Dies steht aber hier nicht in Frage. Es geht nicht etwa um den von Adolf Birrer für Alois Boog erhobenen Rechtsvorschlag, sondern um die Zustellung des Zahlungsbefehls, eine Handlung des Betreibungsamtes. Wurde diese Betreibungsurkunde einer fälschlicherweise als Vertretungsbeistand betrachteten Person zugestellt, so konnte eine spätere Beistandsernennung nicht rückwirkend die in ungültiger Weise erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls Nr. 13329 gültig machen.
2. Somit hängt die Entscheidung davon ab, ob Birrer bei der Zustellung des Zahlungsbefehls Nr. 13329 als

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Beistand zu wirken befugt war. Dies hat die Vorinstanz in ihren Haupterwägungen in zutreffender Weise bejaht. Wenn nach Aufhebung der vorausgegangenen Betreibungen der Gemeinderat am 1. Juni 1963 erklärte, dass "für eine neue Betreibung ebenfalls ... Birrer ... mitzuwirken" habe, so muss dies bei mangelhafter Einleitung einer zweiten Doppelbetreibung gegen die Eheleute Boog vernünftigerweise auch für die nachfolgende dritte Betreibung gelten, welche dieselbe Forderung betraf und wobei die Vormünderin wiederum gehindert war, den mitbetriebenen Ehemann zu vertreten. Es war daher unnötig, dass der Gemeinderat am 24. September 1963 auch für die Betreibung Nr. 13329 Birrer zum Beistand ernannte. Er war es bei Anhebung dieser Betreibung schon gewesen. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die Vertretungsbeistandschaft nicht selbst dann, wenn sie lediglich für die damals bevorstehende zweite Betreibung erneuert worden wäre, über deren Dauer hinaus auch für die dieselbe Schuld betreffende dritte Betreibung hätte gelten müssen, weil es im Grunde genommen um die Vollstreckung der in Frage stehenden Vollschuld der Frau Boog ging und die Betreibung Nr. 13329 nichts anderes als eine durch das formelle Scheitern der zweiten Betreibung bedingte Weiterung der Angelegenheit war (vgl. H. PFANDER, Die Beistandschaft nach Art. 392 und 393 ZGB, Diss. 1932, S. 46, und EGGER, 2. Auflage, N. 2 zu Art. 439/40 ZGB).
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.