BGE 93 III 33 |
7. Entscheid vom 25. April 1967 i.S. Robert Walther AG |
Regeste |
Die Pfändung und Arrestierung von Erwerbseinkommen (Art. 93, 275 SchKG) bleibt nicht nur bei einem Stellenwechsel des Schuldners, sondern auch dann wirksam, wenn dieser die selbständige mit einer unselbständigen Erwerbstätigkeit vertauscht oder umgekehrt. |
Eine revisionsweise verfügte Erhöhung des gepfändeten oder arrestierten Einkommensbetrages kommt den Gläubigern nachgehender Gruppen erst nach Ablauf der für die vorgehenden Gruppen erfolgten Lohnpfändungen oder nach vollständiger Befriedigung der betreffenden Gläubiger zugut (Art. 110 Abs. 3 SchKG). |
Das gilt auch dann, wenn dieVerhältnisse, welche die Erhöhung rechtfertigen, beim Vollzug eines Arrestes entdeckt werden. |
Der Arrestgläubiger kann in einem solchen Falle nicht die entsprechende Anwendung von Art. 281 Abs. 1 SchKG verlangen (Erw. 2). |
Sachverhalt |
A.- Am 25. Juni 1966 pfändete das Betreibungsamt Bern 2 zugunsten der Gläubiger der Gruppe Nr. 1793 vom Verdienst des Schuldners Nyffeler, der nach seinen Angaben als Graphiker auf eigene Rechnung arbeitete, monatlich Fr. 70.-. Am 31. August 1966 vollzog es zugunsten der Gläubiger der Gruppe Nr. 2039 eine Verdienstpfändung von monatlich Fr. 60.-, die nach Ablauf der Pfändung für die Gruppe Nr. 1793 wirksam werden sollte. |
Vom Betreibungsamt offenbar wegen Nichtablieferung des gepfändeten Betrages vorgeladen, erklärte der Schuldner am 20. Oktober 1966, er habe diesen Betrag wegen Erhöhung seiner Mietauslagen nicht mehr abliefern können.
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Am 21. Dezember 1966 erhielt die Robert Walther AG, die am 1. November 1966 das Pfändungsbegehren gestellt hatte, für ihre Forderung von insgesamt Fr. 619.75 einen Verlustschein, weil kein pfändbares Vermögen vorhanden sei und auch kein künftiger Lohn gepfändet werden könne (Art. 115 Abs. 1 SchKG; Formular Nr. 7 g).
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B.- Am 19. Januar 1967 erwirkte die Walther AG für ihre Verlustscheinsforderung einen Arrestbefehl, der sämtliche Guthaben des Schuldners gegenüber der Verbandsdruckerei AG Bern als Arrestgegenstand bezeichnete. Eine Erkundigung des Betreibungsamtes bei dieser Firma ergab, dass der Schuldner dort als Schriftsetzer arbeitet (und auch schon im Jahre 1966 gearbeitet hat) und berechtigt ist, nebenbei als selbständiger Graphiker zu arbeiten. Der Schuldner bestätigte bei seiner Einvernahme diesen Sachverhalt. Daraufhin änderte das Betreibungsamt seine Pfändungsverfügungen für die Gruppen Nr. 1793 und 2039 am 2. Februar 1967 dahin ab, dass es vom Lohn des Schuldners bei der Verbandsdruckerei AG vierzehntäglich den Betrag von Fr. 60.- pfändete, für die erste Gruppe mit sofortiger Wirkung, für die zweite mit Wirkung vom Ablauf der vorgehenden Pfändung an. Gleichzeitig arrestierte es vom Lohn des Schuldners zugunsten der Walther AG vierzehntäglich Fr. 60.-, beginnend nach Ablauf der Lohnpfändung für die Gruppe Nr. 2039 (Arrest Nr. 277). |
C.- Die Walther AG führte gegen den Arrestvollzug Beschwerde mit den Begehren, der arrestierte Lohnbetrag sei angemessen zu erhöhen und es sei zu verfügen, dass sie mit sofortiger Wirkung an der Lohnpfändung teilnehme.
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Die untere Aufsichtsbehörde entschied am 3. März 1967, vom Einkommen des Schuldners sei vierzehntäglich ein Betrag von Fr. 105.-- zu arrestieren bezw. zu pfänden. Das Betreibungsamt änderte am 13. März 1967 die Pfändungsverfügungen vom 2. Februar 1967 für die Gruppen Nr. 1793 und 2039 sowie die Lohnpfändung, die es am 10. März.1967 für die Arrestforderung der Beschwerdeführerin in der Betreibung Nr. 39497 vollzogen hatte, in diesem Sinne ab.
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Die kantonale Aufsichtsbehörde, an welche die Sache zur Beurteilung des zweiten Beschwerdebegehrens weitergeleitet wurde, erkannte am 4. April 1967, die Beschwerde werde abgewiesen, soweit damit eine Gesetzesverletzung geltend gemacht werde. Damit wies sie das zweite Beschwerdebegehren ab.
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D.- Den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht weitergezogen. Die Rekursschrift enthält keinen Antrag. Der Begründung lässt sich indes entnehmen, dass die Rekurrentin am Begehren festhält, es sei anzuordnen, dass sie mit sofortiger Wirkung an der Lohnpfändung teilnehme. Sie macht im wesentlichen geltend, Verdienst- und Lohnpfändung seien nicht dasselbe; die zunächst verfügte Verdienstpfändung sei infolge Pflichtverletzung des Schuldners ertraglos geblieben; ein Lohnguthaben sei erst mit dem Arrestvollzug aufgedeckt worden; die vorherige Verdienstpfändung habe dieses neue Aktivum, von dem niemand Kenntnis gehabt habe, nicht erfasst; der Arrestgläubiger, der ein VOIlstreckungssubstrat aufdecke, dürfe nach dem Grundgedanken von Art. 281 SchKG nicht um die Früchte seiner Bemühungen gebracht werden; vielmehr müsse man ihn in gleicher Weise wie die andern Gläubiger am Arrestgegenstand teilhaben lassen. |
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: |
1. Unter den Begriff des Lohnes im Sinne von Art. 93 SchKG fällt jedes Einkommen, das im wesentlichen das Entgelt für persönliche Arbeit des Schuldners darstellt, gleichgültig, ob es sich dabei um eine selbständige oder um eine unselbständige Erwerbstätigkeit handle (BGE 85 III 39 mit Hinweisen, BGE 86 III 16 und 55, BGE 91 IV 69). Zwischen der Pfändung eines aus selbständiger Erwerbstätigkeit herrührenden "Verdienstes" und der Pfändung eines durch eine unselbständige Erwerbstätigkeit verdienten "Lohnes" besteht also hinsichtlich der rechtlichen Natur des gepfändeten Gegenstandes kein Unterschied. Aber auch im Vollzug unterscheiden sich diese Massnahmen nicht grundsätzlich. Entscheidend ist in beiden Fällen die Erklärung des Betreibungsbeamten gegenüber dem Schuldner, dass ein bestimmter Betrag des Erwerbseinkommens gepfändet sei, verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass sich der Schuldner bei Straffolge (vgl. Art. 169 StGB) jeder vom Betreibungsbeamten nicht bewilligten Verfügung über diesen Betrag zu enthalten habe (Art. 96 Abs. 1 SchKG). Die Anzeige an den Arbeitgeber, die gemäss Art. 99 SchKG womöglich zu erlassen ist, wenn der Schuldner eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt (obligatorisches Formular Nr. 10), ist kein wesentlicher Bestandteil des Pfändungsvollzugs, sondern eine zu diesem hinzutretende Sicherungsmassnahme (BGE 78 III 128 mit Hinweisen, BGE 83 III 5). Die einmal vollzogene Lohnpfändung erfasst daher bei einem Stellenwechsel des Schuldners während des Jahres, für das sie verfügt wurde, ohne weiteres den Lohn aus dem neuen Dienstverhältnis, was sich darin zeigt, dass sie dem neuen Arbeitgeber so bald als möglich anzuzeigen ist und dass sich der Schuldner gemäss Art. 169 StGB strafbar macht, wenn er zum Nachteil der Gläubiger eigenmächtig über einen Lohnbetrag verfügt, den der neue Arbeitgeber an ihn statt an das Betreibungsamt ausbezahlt hat, weil ihm die Lohnpfändung mangels Meldung des Stellenwechsels noch nicht hatte angezeigt werden können (BGE 78 III 128 /129, BGE 83 III 5, 6). In entsprechender Weise bleibt die Pfändung von Lohn im Sinne des Art. 93 SchKG bestehen, wenn der Schuldner die im Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit mit einer unselbständigen vertauscht oder umgekehrt. Aus den gleichen Gründen ist eine Pfändungsverfügung, die einen nach seinen Angaben selbständig erwerbstätigen Schuldner zur Ablieferung eines bestimmten Einkommensbetrages verpflichtet, nicht gegenstandslos, wenn der Schuldner schon zur Zeit des Pfändungsvollzugs in Wahrheit eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübte, sondern hat der Schuldner die ihm auferlegten Zahlungen an das Betreibungsamt aus dem durch diese Tätigkeit erzielten Lohne zu leisten. |
Das Begehren der Rekurrentin, sie sei mit sofortiger Wirkung am Ertrag der Pfändung des Lohnes zu beteiligen, den der Schuldner als Angestellter der Verbandsdruckerei AG verdient, lässt sich demnach entgegen ihrer Ansicht nicht damit begründen, dieser Lohn werde von der im Jahre 1966 zugunsten der Gruppen Nr. 1793 und 2039 verfügten Verdienstpfändung nicht erfasst, sondern stelle ein neues Aktivum dar.
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2. Ändern sich während der Dauer einer Lohnpfändung die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse, so ist die Lohnpfändung durch Erhöhung oder Ermässigung dieses Betrages den neuen Verhältnissen anzupassen (BGE 78 III 129, BGE 83 III 4). Gläubiger und Schuldner können das erreichen, indem sie ein Revisionsbegehren stellen (BGE 83 III 4 mit Hinweisen). Das Betreibungsamt hat die Lohnpfändung aber auch ohne Begehren eines Beteiligten von Amtes wegen zu revidieren, sobald es auf irgendeine Weise erfährt, dass seine Anordnungen den Verhältnissen nicht mehr entsprechen (BGE 78 III 129 /130, BGE 83 III 4). Sind Lohnpfändungen für Gläubiger verschiedener Gruppen erfolgt, so kommt eine auf dem Wege der Revision verfügte Erhöhung des pfändbaren Betrages den Gläubigern nachgehender Betreibungen erst nach Ablauf der vorgehenden Pfändungen oder nach vollständiger Befriedigung der betreffenden Gläubiger zugut (BGE 78 III 130), da weder die Revision noch die sie veranlassende Änderung der Verhältnisse die vom Zeitpunkt der Pfändungsbegehren abhängige Gruppeneinteilung der Gläubiger und die daraus sich ergebende rechtliche Stellung der verschiedenen Gläubiger beeinflusst. Die gleichen Grundsätze müssen auch gelten, wenn sich während der Dauer einer Lohnpfändung ergibt, dass der pfändbare Betrag auf Grund falscher oder unvollständiger Angaben des Schuldners zu niedrig bemessen wurde. |
Der Vorinstanz ist demnach darin beizustimmen, dass das Betreibungsamt richtig vorging, indem es auf Grund der Ergebnisse des Arrestvollzuges die zugunsten der Gruppen Nr. 1793 und 2039 erfolgten Verdienstpfändungen revidierte und verfügte, der Arrest (und die nachherige Pfändung) von Lohn zugunsten der Rekurrentin werde erst nach Ablauf der Pfändungen für die vorgehenden Betreibungen wirksam. Beizufügen ist nur, dass die Rekurrentin schon früher zum Zuge kommt, wenn die Gläubiger der vorgehenden Betreibungen vor Ablauf der für sie vollzogenen Lohnpfändungen vollständig befriedigt werden (was das Betreibungsamt als selbstverständlich nicht besonders zu sagen brauchte).
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Die Tatsache, dass das Anstellungsverhältnis des Schuldners und der daraus fliessende Lohnanspruch erst beim Vollzug des von der Rekurrentin erwirkten Arrestes entdeckt wurden, vermag an diesem Ergebnis entgegen der Auffassung der Rekurrentin nichts zu ändern. Es kommt nach den angeführten Grundsätzen nicht darauf an, auf welche Weise das Betreibungsamt erfährt, dass die Lohnpfändung den Verhältnissen nicht entspricht. Art. 281 Abs. 1 SchKG, den die Rekurrentin entsprechend angewendet wissen möchte, betrifft einen ganz andern Sachverhalt, nämlich den Fall, dass die Arrestgegenstände nach der Ausstellung des Arrestbefehls von einem andern Gläubiger gepfändet werden, bevor der Arrestgläubiger das Pfändungsbegehren stellen kann. Wenn in diesem Falle das Gesetz den Arrestgläubiger provisorisch an der Pfändung teilnehmen lässt, so darf daraus nicht geschlossen werden, der Arrestgläubiger nehme, wenn beim Arrestvollzug die wahren Verdienstverhältnisse des Schuldners entdeckt werden, an einer lange vor Ausstellung des Arrestbefehls vollzogenen und auf Grund dieser Entdeckung revidierten Lohnpfändung teil. Art. 281 Abs. 1 SchKG in dieser Weise auf einen darin nicht vorgesehenen Fall entsprechend anzuwenden und damit den Arrestgläubiger gegenüber andern Gläubigern zu bevorrechten, widerspräche Art. 281 Abs. 3 SchKG, wonach der Arrest "im übrigen", d.h. unter Vorbehalt der in Art. 281 Abs. 1 und 2 genau umschreibenen Ausnahmen, kein Vorzugsrecht begründet. |
Die Rekurrentin wird durch diese Entscheidung nicht um die Früchte ihrer Bemühungen gebracht. Abgesehen davon, dass sie nur in allgemeiner Form die Arrestierung sämtlicher Guthaben des Schuldners gegenüber der Verbandsdruckerei AG verlangt hat und dass das Bestehen eines Anstellungsverhältnisses erst durch die Erkundigungen des Betreibungsamtes festgestellt worden ist, kommt ihr die Ermittlung der wahren Verdienstverhältnisse des Schuldners spätestens vom Ablauf der vorgehenden Lohnpfändungen an zugut.
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Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
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