BGE 106 III 40
 
10. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 28. April 1980 i.S. Metro Bank AG in Nachlassliquidation (Rekurs)
 
Regeste
Art. 251 SchKG.
2. Dagegen ist die nachträgliche Anmeldung eines Anfechtungsanspruchs, der im Zeitpunkt der Konkurseröffnung mangels Legitimation noch nicht geltend gemacht werden konnte, zulässig (E. 4). Es handelt sich dabei nicht um eine Forderung, die erst nach der Konkurseröffnung entstanden ist und deshalb nicht berücksichtigt werden darf (E. 5).
 
Sachverhalt


BGE 106 III 40 (41):

A.- Die Profinanz AG, die dem Bankengesetz unterstand, verpfändete am 3. Mai 1968 der Metro Bank AG zur Sicherstellung ihrer Kontokorrentverpflichtung dieser gegenüber 500 Aktien der Immobiliare Metro SpA. Am 21. August 1974 gab die Metro Bank AG die verpfändeten Aktien der Liquidatorin der inzwischen in Liquidation getretenen Profinanz AG zurück, obwohl die Schuld noch nicht getilgt war.
Über die Profinanz AG wurde am 11. Dezember 1974 der Konkurs eröffnet. Als Konkursverwaltung wurde die bisherige Liquidatorin, die Coopers & Lybrand AG, eingesetzt. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung schuldete die Profinanz AG der Metro Bank AG Fr. 115'525.75.
Am 20. Dezember 1974 wurde der Metro Bank AG die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit entzogen, und am 7. Januar 1975 wurde ihr eine Nachlassstundung bis 7. Juli 1975 bewilligt. Als Sachwalterin wurde die Schweizerische Revisionsgesellschaft AG eingesetzt. Am 29. September 1975 bestätigte das Handelsgericht des Kantons Zürich den von der Metro Bank AG vorgeschlagenen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung und bestimmte die bisherige Sachwalterin als Liquidatorin.
Am 16. Januar 1975 hatten zwei Organe der Metro Bank AG im Konkurs der Profinanz AG eine Kurrentforderung von Fr. 115'525.75 angemeldet, die sich auch aus den Büchern der Gemeinschuldnerin ergab. Die Konkursverwaltung kollozierte die Forderung wie angemeldet in der 5. Klasse. Der Kollokationsplan wurde diesbezüglich nicht angefochten und erwuchs in Rechtskraft.
B.- Am 28. August 1979 meldete die Liquidatorin der Metro Bank AG im Konkurs der Profinanz AG eine faustpfandgesicherte Forderung von Fr. 115'525.75 an. Zur Begründung machte sie geltend, die Rückgabe der verpfändeten Aktien an diese trotz Weiterbestehens der Schuld stelle eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 286, allenfalls 288 SchKG dar. Mit Verfügung vom 25. September 1979 wies die Konkursverwaltung das Begehren um nachträgliche Zulassung des Pfandanspruchs unter Hinweis auf die Rechtskraft des Kollokationsplans ab. Gegen diese Verfügung erhob die Liquidatorin der Metro Bank AG beim Präsidenten des Handelsgerichts des Kantons Zürich als Beschwerdeinstanz im Konkurs über Banken Beschwerde mit folgendem Antrag:


BGE 106 III 40 (42):

"Die Beschwerdegegnerin sei anzuhalten, die Forderungsanmeldung der Beschwerdeführerin vom 28. August 1979 im Sinne einer verspäteten Konkurseingabe gemäss Art. 251 SchKG im Konkurs der Profinanz AG zuzulassen und eine Kollokationsverfügung zu erlassen bzw. die Metro Bank AG in Nachlassliquidation mit einer pfandgesicherten Forderung von Fr. 115'525.75 zuzüglich Zins zu 10% seit 31. Dezember 1974 zu kollozieren.
Der Kollokationsplan der Profinanz AG sei entsprechend abzuändern."
Mit Verfügung vom 5. März 1980 wies der Handelsgerichtspräsident die Beschwerde ab.
C.- Gegen diese Verfügung rekurrierte die Metro Bank AG, in Nachlassliquidation, unter Aufrechterhaltung ihres Beschwerdeantrages an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
Die Konkursverwaltung der Profinanz AG beantragt die Abweisung des Rekurses.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 36 Abs. 2 BankG und Art. 53 Abs. 2 der VV vom 30. August 1961 zum BankG (welch letztere Bestimmung gemäss Art. 63 Abs. 2 der BankV vom 17. Mai 1972 bis zum Erlass bundesgerichtlicher Vorschriften in Kraft geblieben ist) können im Bankenkonkurs Entscheide des Konkursgerichts über Beschwerden gegen Verfügungen der Konkursverwaltung mit Rekurs im Sinne von Art. 19 SchKG ans Bundesgericht weitergezogen werden. Dabei kann das Bundesgericht nach Art. 53 Abs. 2 letzter Satz der VV vom 30. August 1961 auch die Angemessenheit des angefochtenen Entscheids überprüfen. Für das Verfahren vor Bundesgericht gelten im übrigen die Art. 75 ff. OG, insbesondere Art. 79 Abs. 1 OG, wonach die Begründung eines Rekurses im Sinne von Art. 19 SchKG in der Rekursschrift selbst enthalten sein muss und eine Verweisung auf Vorbringen im kantonalen Verfahren, wie sie die Rekurrentin vornimmt, daher unbeachtlich ist (BGE 99 III 60 E. 1).
2. Soweit die Rekurrentin beantragt, ihre Forderung sei als pfandgesichert zu kollozieren und der Kollokationsplan sei entsprechend abzuändern, kann auf den Rekurs nicht eingetreten werden. Die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden beschränkt sich auf die Prüfung der Frage, ob dem unter Berufung

BGE 106 III 40 (43):

auf Art. 251 SchKG nachträglich angemeldeten Recht nicht die Rechtskraft des Kollokationsplans entgegenstehe (BGE 42 III 23). Erst wenn feststeht, dass die nachträgliche Anmeldung entgegengenommen werden muss, stellt sich die weitere Frage, wie der materielle Kollokationsentscheid zu lauten habe. Diese Frage ist zunächst von der Konkursverwaltung zu beurteilen. Sie kann die nachträgliche Eingabe abweisen, zulassen oder ihr einen andern als den geltend gemachten Rang zuweisen. Gegen ihren Entscheid ist nicht mit Beschwerde an die Aufsichtsbehörde, sondern mit Kollokationsklage vorzugehen. Die Aufsichtsbehörden haben der Konkursverwaltung auch keine Weisungen darüber zu erteilen, wie eine Forderung zu kollozieren sei.
In ihrer Verfügung vom 25. September 1979 hat die Konkursverwaltung die nachträgliche Konkurseingabe der Rekurrentin mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen für eine verspätete Eingabe seien nicht gegeben; angesichts der formellen Rechtskraft des Kollokationsplans erübrige es sich, auf die materiellrechtlichen Aspekte einzugehen. Entgegen ihrer Darstellung in der Rekursvernehmlassung hat sie damit klarerweise nicht eine materielle Kollokationsverfügung, sondern einen nach dem Gesagten mit Beschwerde anfechtbaren verfahrensrechtlichen Entscheid getroffen. Der Standpunkt der Konkursverwaltung, die abweisende Verfügung vom 25. September 1979 sei mangels rechtzeitiger Anfechtung durch Kollokationsklage rechtskräftig geworden, ist daher unhaltbar.
Ob die Rekurrentin auf diese Weise das von ihr angestrebte Ziel erreichen kann, ist freilich fraglich, da der Anfechtungsanspruch

BGE 106 III 40 (44):

nach allgemeiner Ansicht nicht dinglichen, sondern bloss obligatorischen Charakter hat und im Konkurs des Anfechtungsbeklagten grundsätzlich nur als gewöhnliche Konkursforderung geltend gemacht werden kann (BGE 45 III 222 /223; JAEGER, N. 2 zu Art. 200, N. 1 zu Art. 211, N. 1 A zu Art. 285 und N. 2 A zu Art. 291 SchKG; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. 2, S. 276; BERZ, Der paulianische Rückerstattungsanspruch, Diss. Zürich 1960, S. 21 ff.; FAVRE, Droit des poursuites, 3. Aufl., S. 373 und 382/383, wo bezüglich der Wirkungen im Konkurs des Anfechtungsbeklagten allerdings eine etwas andere Ansicht vertreten wird; im gleichen Sinne auch BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 870/871). Wie es sich damit verhält, ist indessen eine materiell-rechtliche Frage, die nicht im Beschwerdeverfahren, sondern gegebenenfalls vom Richter im Kollokationsprozess zu prüfen ist. Das Gleiche gilt für die Frage, ob der Anfechtungsanspruch verjährt sei, wie der Handelsgerichtspräsident annimmt, die Rekurrentin jedoch bestreitet. Die Aufsichtsbehörden müssen bei der Prüfung der Frage, ob die Rechtskraft des Kollokationsplans der Berücksichtigung der nachträglichen Pfandansprache entgegenstehe, von der These der Rekurrentin ausgehen, dass das von ihr geltend gemachte Pfandrecht in einem Kollokationsprozess durchgesetzt werden könne.
4. Nach Art. 251 Abs. 1 SchKG können Konkurseingaben bis zum Schluss des Konkursverfahrens angebracht werden. Die Zulassung verspäteter Konkurseingaben darf jedoch nicht dazu führen, eine im Kollokationsplan rechtskräftig getroffene Entscheidung wieder in Frage zu stellen. Dies liefe auf eine Umgehung von Art. 250 Abs. 1 SchKG hinaus, welcher für die Anfechtung des Kollokationsplans durch Klage beim Richter eine Frist von 10 Tagen vorsieht. Eine nachträgliche Eingabe ist deshalb nur zulässig, wenn es sich dabei um eine erstmals geltend gemachte Forderung handelt und nicht etwa der rechtskräftig gewordene Kollokationsplan hinsichtlich einer bereits getroffenen Kollokationsverfügung abgeändert werden will (BGE 42 III 23 /24, BGE 36 I 461). Nun umfasst die Kollokation einer Forderung, wie in BGE 42 III 24 zutreffend ausgeführt wird, notwendigerweise nicht nur die Feststellung ihres Bestandes und ihrer Höhe, sondern auch die Bestimmung des Ranges, in dem sie im Verhältnis zu den andern Forderungen

BGE 106 III 40 (45):

am Verwertungserlös teilnimmt. Wird eine Forderung daher in der 5. Klasse kolloziert, so wird damit zugleich ein besserer Rang für diese Forderung ausgeschlossen. Beansprucht der Gläubiger einen besseren Rang, muss er innert Frist Kollokationsklage erheben, andernfalls die Kollokation - sofern auch kein anderer Gläubiger klagt - in Rechtskraft erwächst.
Im vorliegenden Fall versucht die Rekurrentin, für den Saldo aus dem Kontokorrentverhältnis mit der Gemeinschuldnerin einen besseren Rang, nämlich ein Faustpfandrecht, zu erlangen. Sie strebt damit eine Änderung der rechtskräftig erfolgten Kollokation der gleichen Forderung in der 5. Klasse an, was nach dem Gesagten an sich unzulässig ist. Indessen konnte die Rekurrentin, was der Handelsgerichtspräsident übersieht, im Zeitpunkt der Konkurseröffnung über die Profinanz AG gar kein Pfandrecht beanspruchen und sie hätte auch mit einer Kollokationsklage keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil ihr damals die Legitimation für die Anfechtungsklage im Sinne von Art. 285 Abs. 2 SchKG fehlte. Zur Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs war sie erst lange nach Eintritt der Rechtskraft des Kollokationsplans berechtigt, nämlich als über sie das Liquidationsverfahren eröffnet wurde, was erst mit der Bestätigung des Nachlassvertrages am 29. September 1975 der Fall war (vgl. Art. 31 VNB). Bis zu jenem Zeitpunkt war die Freigabe der verpfändeten Aktien als zivilrechtlich gültig zu betrachten, und weder die Rekurrentin selber noch auch ihre Sachwalterin im Stundungsverfahren konnten darauf zurückkommen. Erst für die Liquidatorin im Liquidationsverfahren konnte sich die Frage stellen, ob die Freigabe der Pfänder eine paulianisch anfechtbare Rechtshandlung darstelle und daher rückgängig gemacht werden könne.
In einem solchen Fall kann die Rechtskraft des Kollokationsplans der verspäteten Konkurseingabe nicht entgegengehalten werden. Das Bundesgericht hat denn auch in dem bereits erwähnten BGE 42 III 24 die nachträgliche Geltendmachung eines besseren Ranges ausdrücklich für den Fall vorbehalten, in dem die rechtzeitige Anmeldung des Rangverhältnisses dem Gläubiger nicht möglich war (vgl. hiezu auch SPICHTY, Gegenstand, Rechtsnatur und Rechtskraftwirkung des Kollokationsplanes im Konkurs, Diss. Basel 1979, S. 132). Auch in BGE 36 I 461 wurde die nachträgliche Beanspruchung eines besseren

BGE 106 III 40 (46):

Ranges nur deswegen für unzulässig erklärt, weil der Gläubiger ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, seinen Standpunkt bereits während der 10-tägigen Auflagefrist des Art. 250 SchKG auf dem Klageweg geltend zu machen; daraus ergibt sich, dass es sich umgekehrt verhalten muss, wenn dem Gläubiger diese Möglichkeit nicht zur Verfügung steht. In ähnliche Richtung gehen die Überlegungen in BGE 51 III 230 ff., wo einem Gläubiger die Möglichkeit zugestanden wurde, die Ausdehnung seines Pfandrechts auf Vermögensobjekte geltend zu machen, die der Konkursmasse nachträglich angefallen waren. Nach der Rechtsprechung gilt sodann ganz allgemein, dass trotz der Rechtskraft des Kollokationsplanes bei der Verteilung auf eine seit der Kollokation eingetretene Änderung des Rechtsverhältnisses Rücksicht zu nehmen ist, was auf eine Abänderung des Kollokationsplanes hinausläuft (BGE 102 III 159 E. 3, 96 III 79 mit Hinweisen; SPICHTY, a.a.O., S. 133 ff.). Entsprechend verhält es sich hier.
5. Dem liesse sich freilich entgegenhalten, der Pfandanspruch der Rekurrentin sei, da die Rückgabe der Pfänder vor der Bestätigung des Nachlassvertrags über die Rekurrentin nicht angefochten werden konnte, erst nach der Konkurseröffnung entstanden und dürfe aus diesem Grund im Konkurs der Profinanz AG nicht berücksichtigt werden. Das wesentliche Element des in Frage stehenden Anfechtungstatbestandes, der nach der Vorstellung der Rekurrentin das Wiederaufleben des verlorengegangenen Pfandrechts bewirken soll, nämlich die anfechtbare Handlung als solche, fällt jedoch in die Zeit vor der Konkurseröffnung. Dass der Anfechtungsanspruch im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht geltend gemacht werden konnte, lag einzig daran, dass es der Rekurrentin damals noch an der Klageberechtigung im Sinne von Art. 31 VNB fehlte. Zur Vollendung des Tatbestandes bedurfte es somit keiner Rechtshandlung der Gemeinschuldnerin mehr, die sie gemäss Art. 204 SchKG nach der Konkurseröffnung nicht mehr hätte vornehmen dürfen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt SPICHTY, a.a.O., S. 3). Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, der Anfechtungsanspruch und damit das Pfandrecht seien erst nach der Konkurseröffnung entstanden, sowenig wie dies bei bedingten Forderungen der Fall ist, die nach Art. 210 Abs. 1 SchKG im Konkurs zum vollen Betrag zugelassen werden, auch wenn die Bedingung im Zeitpunkt der

BGE 106 III 40 (47):

Konkurseröffnung noch nicht eingetreten ist. Abgesehen davon würde die Rekurrentin - immer vorausgesetzt, das von ihr mit der Anfechtung verfolgte Ziel sei grundsätzlich erreichbar - anders als ein gewöhnlicher neuer Gläubiger das geltend gemachte Recht überhaupt verlieren, wenn es im vorliegenden Konkurs nicht mehr berücksichtigt werden könnte, da die von ihr beanspruchten Pfänder in diesem Verfahren liquidiert werden. Das wäre nicht gerechtfertigt, zumal es die Rekurrentin bzw. deren Liquidatorin nicht zu vertreten haben, dass die Freigabe der Pfänder im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht angefochten werden konnte.
Die nachträgliche Konkurseingabe der Rekurrentin ist auch nicht etwa deswegen zurückzuweisen, weil diese nach der am 29. September 1975 erfolgten Bestätigung des Nachlassvertrags noch nahezu vier Jahre mit der Erhebung ihrer Pfandansprache zugewartet hat. Art. 251 Abs. 1 SchKG lässt verspätete Konkurseingaben ohne Einschränkung bis zum Schluss des Konkursverfahrens zu. Der Gläubiger hat lediglich die in Abs. 2 und 3 der genannten Bestimmung angeführten Nachteile zu tragen.