a) aa) Art. 266g Abs. 1 OR sieht vor, dass die Parteien ein Mietverhältnis aus wichtigen Gründen mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen können. Dieses ausserordentliche Kündigungsrecht entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen vorzeitig beendet werden dürfen (BGE 92 II 299 E. 3b; HIGI, Zürcher Kommentar, N. 6 und 12 zu Art. 266g OR; BUCHER, Berner Kommentar, N. 200 ff. zu Art. 27 ZGB; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Auflage 1988, S. 384;
BGE 122 III 262 (266):
KRAMER/SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N. 163 f.; vgl. auch IVAN CHERPILLOD, La fin des contrats de durée, S. 123 ff.; GAUCH, System der Beendigung von Dauerverträgen, S. 186 ff.). Als wichtige Gründe gelten Umstände, welche die Vertragserfüllung unzumutbar machen (Art. 266g Abs. 1 OR). Dabei gilt es zu beachten, dass die Unzumutbarkeit der Erfüllung eines Mietvertrages nur bejaht werden kann, wenn die angerufenen Umstände bei Vertragsschluss weder bekannt noch voraussehbar waren und nicht auf ein Verschulden der kündigenden Partei zurückzuführen sind (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts, nachstehend: Botschaft, BBl 1985 I 1389ff., S. 1451; HIGI, Zürcher Kommentar, N. 36 ff. zu Art. 266g OR; SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 13 f. zu Art. 266g OR; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. unveränderte Auflage, S. 323 f. Rz. 5.2; ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, 2. Auflage, S. 109; vgl. auch BGE 33 II 574 E. 2 OR). Die vermögensrechtlichen Folgen einer zulässigen vorzeitigen Kündigung bestimmt der Richter gemäss Art. 266g Abs. 2 OR unter Würdigung aller Umstände, das heisst nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB). Die Haftung nach Art. 266g Abs. 2 OR weist somit wie diejenige eines Urteilsunfähigen gemäss Art. 54 Abs. 1 OR den Charakter einer Kausalhaftung aus Billigkeit auf (vgl. BGE 102 II 226 E. 2b S. 230). Anders als nach der Regelung vor der Mietrechtsrevision vom 15. Dezember 1989 schuldet die aus wichtigen Gründen kündigende Partei der anderen grundsätzlich nicht mehr das volle Erfüllungsinteresse (Botschaft a.a.O., S. 1451; SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 22 zu 266g OR; ZIHLMANN, a.a.O., S. 109; a.M. HIGI, Zürcher Kommentar, N. 80 zu Art. 266g OR). Die kündigende Partei hat gemäss Art. 266g Abs. 2 OR vielmehr nur dann eine Entschädigung zu leisten, wenn dies als billig erscheint. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei der finanziellen Situation der Parteien im Zeitpunkt des Urteils vorrangige Bedeutung zukommt (vgl. BGE 103 II 330 E. 4b/aa S. 335 f.; BGE 102 II 226 E. 3b S. 231 mit Hinweisen; BREHM, Berner Kommentar, N 19 zu Art. 54 OR; SCHNYDER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N. 6 zu Art. 54 OR; REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, S. 163 Rz. 814; KELLER; Haftpflicht im Privatrecht, Bd. I, 5. Auflage, S. 134; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/1, S. 148 Rz. 61 f.; HONSELL, Schweizerisches Haftpflichtrecht, S. 108; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, 2. Auflage, S. 138 Rz. 20 f.). So spricht der Umstand, dass die geschädigte Partei wohlhabend ist und die schädigende
BGE 122 III 262 (267):
Partei in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt, gegen eine Billigkeitshaftung (BREHM, Berner Kommentar, N. 22 zu Art. 54 OR). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Schädiger durch die Ersatzpflicht in eine Notlage geraten könnte (BREHM, Berner Kommentar, N. 46 zu Art. 54 OR; SCHNYDER, a.a.O., N. 6 zu Art. 54 OR; OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 148 Rz. 61) oder auf lange Zeit hinaus auf das Existenzminimum gesetzt wäre (BGE 71 II 225 E. 8 S. 232; KELLER, a.a.O., S. 135). Für eine Billigkeitshaftung spricht dagegen der Umstand, dass der Schaden für den Geschädigten eine grosse Belastung darstellt (BREHM, Berner Kommentar, N. 37 zu Art. 54 OR; OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 148 Rz. 61). Soweit die kausale Natur der Haftung aus Billigkeit dies zulässt, kommen bei deren Bemessung auch die Kriterien von Art. 43 und 44 OR zur Anwendung (BREHM, Berner Kommentar, N. 43 zu Art. 54 OR; SCHNYDER, a.a.O., N. 6 zu Art. 54 OR; vgl. ferner Botschaft, a.a.O., S. 1451; LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 324 Rz. 5.3; ZIHLMANN, a.a.O., S. 109). Ein Selbstverschulden der geschädigten Partei kann somit zur Aufhebung oder Herabsetzung der Billigkeitshaftung führen (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 151 Rz. 73; vgl. ferner: SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 23 zu Art. 266g OR; KELLER, a.a.O., S. 136). Ebenso gilt es, eine eventuelle Nichterfüllung der beiden Parteien obliegenden Pflicht zur Schadensminderung zu berücksichtigen (SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 25 zu Art. 266g OR; LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 324 Rz. 5.3).