BGE 133 III 229 |
27. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. A/S gegen Y. AG (Berufung) |
4C.403/2005 vom 28. Februar 2007 |
Regeste |
Patentrecht; Art. 7 Abs. 1 PatG. |
Für die Herstellung einer vorbekannten, besonders reinen Substanz kann ein Patent nur erteilt werden, wenn der beanspruchte Reinheitsgrad mit den herkömmlichen Verfahren nicht zu erreichen ist; Beweislast (E. 4). |
Sachverhalt |
Die Beklagte (X. A/S) ist in Dänemark ansässig. Sie ist auf die Erforschung, Herstellung und Vermarktung von Medikamenten gegen Erkrankungen des Zentralnervensystems spezialisiert. Sie war Inhaberin des Patents CH 626 886 für das Antidepressivum Citalopram. Am 30. April 1996 wurde ihr dafür ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt, das am 12. Januar 2002 ablief. |
Die Beklagte meldete am 22. Februar 2001 das Patent CH 691 537 ("Kristalline Citaloprambase") an, mit folgenden Ansprüchen:
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"1. Eine kristalline Base von Citalopram oder ein Hydrobromid- oder Hydrochloridsalz von Citalopram dadurch gekennzeichnet, dass es eine Reinheit von mehr als 99,8 % w/w hat.
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2. Die kristalline Base von Citalopram oder ein Hydrobromid- oder Hydrochloridsalz von Citalopram gemäss Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass es eine Reinheit von mehr als 99,9 % w/w hat.
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3. Eine pharmazeutische Mischung enthaltend das Hydrobromid- oder Hydrochloridsalz von Citalopram gemäss einem der Ansprüche 1-2 oder die kristalline Base von Citalopram.
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4. Eine pharmazeutische Zusammensetzung gemäss Anspruch 3, welche eine Tablette ist, die mittels
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a) direktem Komprimieren von Citalopram; oder
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b) mittels Komprimieren eines nassen Granulates von Citalopram oder
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c) mittels Komprimieren eines Schmelzgranulats von Citalopram hergestellt wird.
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5. Die pharmazeutische Zusammensetzung gemäss Anspruch 4, worin das Citalopram in Mischung mit pharmazeutisch annehmbaren Hilfsstoffen vorliegt.
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6. Die pharmazeutische Zusammensetzung gemäss einem der Ansprüche 3 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie das Razemat der Citaloprambase, des Citalopramhydrochlorids oder des Citalopramhydrobromids enthält."
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Die Klägerin beabsichtigt nach ihrer Darstellung, ein Citalopram-Präparat auf den Markt zu bringen.
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B. Am 12. Juni 2003 befasste die Klägerin das Handelsgericht des Kantons Zürich mit dem Rechtsbegehren, es sei das Schweizer Patent Nr. 691 537 nichtig zu erklären und es sei das Institut für geistiges Eigentum anzuweisen, die Löschung des erwähnten Patents im Register vorzunehmen. Die Beklagte erhob Widerklage mit dem Begehren, es sei der Klägerin zu verbieten, pharmazeutische Produkte herzustellen, zu verkaufen, abzugeben oder zu bewerben, die Hydrobromidsalz von Citalopram mit einer Reinheit von mehr als 99,8 % bzw. 99,9 % enthalten.
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Mit Urteil vom 18. Oktober 2005 stellte das Handelsgericht des Kantons Zürich in Gutheissung der Hauptklage fest, dass das Schweizer Patent Nr. 691 537 nichtig ist. Die Widerklage wurde abgewiesen. Das Gericht gelangte zum Schluss, mit der in den Patentansprüchen definierten Reinheit des vorbekannten Stoffes Citalopram werde keine neue Erfindung offenbart und kein bisher unbekannter technischer Effekt erreicht, weshalb Neuheit und erfinderische Tätigkeit fehlten. |
C. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich Berufung eingereicht mit den Anträgen, der Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 18. Oktober 2005 sei aufzuheben und die Klage auf Nichtigerklärung des Schweizer Patents Nr. 691 537 sei abzuweisen und festzustellen, dass das Schweizer Patent Nr. 691 537 nicht ungültig sei. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen mit der Auflage, das Verfahren im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichts neu zu beurteilen. Die Beklagte hält Art. 43a Abs. 1 lit. a OG möglicherweise für verletzt, weil die Vorinstanz ihr Urteil an Ausführungen der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts anlehne. Sie rügt sodann, die Vorinstanz habe Art. 7 Abs. 1 PatG (SR 232.14) in Verbindung mit Art. 8 ZGB und Art. 1 Abs. 2 PatG verletzt, indem sie die Neuheit bzw. die erfinderische Tätigkeit verneinte.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: |
3. Der Ansicht der Beklagten kann nicht gefolgt werden, wenn sie in Frage stellt, ob die Entscheide der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts für die Anwendung des schweizerischen Patentgesetzes von Bedeutung sein können. Mit dem Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen, EPÜ; SR 0.232.142.2) wurden die materiellen Voraussetzungen der Patentierbarkeit unter den Mitgliedstaaten harmonisiert. Die Anforderungen an die patentfähige Erfindung sind inhaltlich im Geltungsbereich des EPÜ die gleichen (CHRISTOPH BERTSCHINGER, in: Bertschinger/Münch/Geiser [Hrsg.], Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. VI, Rz. 4.2). Die harmonisierten Bestimmungen sind entsprechend in gleicher Weise auszulegen (HANS PETER WALTER, Die Auslegung staatsvertraglichen und harmonisierten Rechts: Gewicht und Bedeutung von Entscheidungen ausländischer Gerichte und der Beschwerdekammern des EPA, GRUR 1998 S. 866/ 870). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts berücksichtigt hat, soweit sie die Auslegung der harmonisierten Normen des EPÜ betrifft und für die zu beurteilende Frage erheblich ist. |
4.1 Eine Erfindung ist nur dann neuheitsschädlich vorweggenommen, wenn sie vor der Patentanmeldung mit allen ihren Merkmalen veröffentlicht worden ist. Beim Entscheid, ob das zutreffe, ist jede vorbekannte Lösung einzeln mit der patentierten Erfindung zu vergleichen. Nur wenn eine davon in allen Teilen mit den Merkmalen der Erfindung identisch ist, fehlt dieser die Neuheit (BRINER, a.a.O., S. 114 ff.; BERTSCHINGER, a.a.O., Rz. 4.92; vgl. schon BGE 114 II 82 E. 2 S. 84; BGE 94 II 319 E. 3 S. 323; BGE 93 II 504 E. 3a S. 510; BGE 92 II 48 E. 2 S. 52). Dabei genügt, ist aber auch erforderlich, dass eine vorbekannte Ausführung dem Fachmann die beanspruchte technische Lehre vermittelt (BRINER, a.a.O., S. 120; BERTSCHINGER, a.a.O., Rz. 4.93 ff.; KLAUS-JÜRGEN MELULLIS, in: G. Benkard [Hrsg.], Europäisches Patentübereinkommen, Beck'sche Kurz-Kommentare, Bd. 4a, N. 161 zu Art. 54 EPÜ). Chemische Stoffe können für den Fachmann in verschiedener Weise verständlich beschrieben sein, etwa durch Strukturformeln, wissenschaftliche Bezeichnung oder als Ergebnis eines bestimmten Verfahrens (BRINER, a.a.O., S. 122). Sie müssen in allen wesentlichen und eigenartigen Parametern offenbart und herstellbar sein (MELULLIS, a.a.O., N. 162 ff. zu Art. 54 EPÜ). Im vorliegenden Fall ist nicht bestritten, dass der von der Beklagten im Patent CH 691 537 als kristalline Base beanspruchte chemische Stoff Citalopram als solcher der Öffentlichkeit bekannt und für den Fachmann herstellbar war. |
4.3 Das Institut für geistiges Eigentum prüft gemäss Art. 59 Abs. 4 PatG nicht, ob die Erfindung neu ist. Es erscheint daher fraglich, ob sich die aus der Eintragung der beanspruchten Erfindung im schweizerischen Register ergebende Vermutung der Gültigkeit des Patents auch auf die Voraussetzung der Neuheit bezieht. Jedenfalls kann der Beklagten nicht gefolgt werden, wenn sie als Verletzung von Art. 8 ZGB rügt, dass ihr die Beweislast dafür auferlegt wurde, dass der beanspruchte Reinheitsgrad der vorbekannten chemischen Verbindung mit herkömmlichen, den Fachleuten allgemein bekannten Methoden nicht zu erreichen ist. Eine allenfalls durch den Registereintrag geschaffene Vermutung (auch) der Neuheit der beanspruchten chemischen Verbindung ist dadurch widerlegt, dass der beanspruchte Stoff Citalopram im früheren Stand der Technik in allen wesentlichen Parametern offenbart und für den Fachmann herstellbar ist. Nachdem die beanspruchte chemische Verbindung zum Stand der Technik gehört und damit nach allgemeiner Erfahrung in sämtlichen Reinheitsgraden vorbekannt ist, bedarf besonderer Begründung, weshalb mit dem beanspruchten Reinheitsgrad ein neues Element eingeführt wird und der Anspruch ausnahmsweise neu ist. Der entsprechende Nachweis kann insbesondere mit dem Beweis erbracht werden, dass ein besonderes Verfahren zur Herstellung dieser Reinheit erforderlich ist. Es obliegt aber in jedem Fall der Beklagten, die allgemeine Erfahrung zu widerlegen, dass der von ihr beanspruchte Reinheitsgrad mit herkömmlichen Methoden nicht zu erreichen ist (MELULLIS, a.a.O., N. 177 zu Art. 54 EPÜ). Die Rüge der Beklagten, die Vorinstanz habe ihr zu Unrecht die Beweislast auferlegt und damit Art. 8 ZGB verletzt, ist unbegründet. |