BGE 134 III 452 |
74. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. SAirGroup in Nachlassliquidation gegen Zürcher Kantonalbank (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_29/2007 vom 29. Mai 2008 |
Regeste |
Art. 288 SchKG; Absichtsanfechtung; Rückzahlung eines Bankdarlehens in Teilbeträgen. |
Sachverhalt |
A. Die SAirGroup ging im Jahre 1997 durch Änderung der Firma aus der Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft hervor. Sie war eine Holdinggesellschaft mit Anteilen an verschiedenen im Fluggeschäft tätigen Firmen, unter anderem der SAirLines mit der neu gegründeten, für den eigentlichen Flugbetrieb zuständigen Swissair Schweizerische Luftverkehr-Aktiengesellschaft. Die SAirGroup musste am 2. April 2001 einen Konzernverlust für das Geschäftsjahr 2000 von rund 2,8 Milliarden Franken öffentlich bekannt geben. |
B. Die Zürcher Kantonalbank stand mit der einstigen "Swissair" wie auch mit der SAirGroup und ihren Tochtergesellschaften über Jahre hinweg in Geschäftsbeziehungen. Am 17./19. August 1999 gewährte sie der SAirGroup einen Kredit von 100 Mio. Franken (Blankolimite). Der Kredit wurde voll in Anspruch genommen und mehrfach verlängert. Am 2. Juli 2001 vereinbarten die Geschäftspartner, dass die SAirGroup die Zürcher Kantonalbank umgehend informiere, wenn eine Bank ihr Kreditengagement bzw. ihre bestätigten Kreditlimiten gegenüber der SAirGroup reduzieren oder vollständig aufheben sollte, und dass die Zürcher Kantonalbank den festen Vorschuss zur sofortigen Rückzahlung fällig stellen könne bei ausbleibender Information wie auch bei einer Reduktion eines Kreditengagements bzw. einer Reduktion oder Aufhebung einer bestätigten Kreditlimite durch Drittbanken. Gestützt auf die Kreditvereinbarungen zahlte die SAirGroup die folgenden Beträge an die Zürcher Kantonalbank:
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- 21.08.2001 (Valuta 22.08.2001) CHF 30 Mio. plus CHF 234'222.20 Zins;
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- 05.09.2001 (Valuta 06.09.2001) CHF 30 Mio. plus CHF 153'708.35 Zins;
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- 27.09.2001 (Valuta 27.09.2001) CHF 20 Mio. plus CHF 128'333.35 Zins,
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insgesamt also CHF 80'516'263.90. Am 2. Oktober 2001 musste die SAirGroup ihren Flugbetrieb einstellen (sog. Grounding).
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C. Am 5. Oktober 2001 wurde der SAirGroup die provisorische Nachlassstundung bewilligt. Das Bezirksgericht Zürich bestätigte den vorgeschlagenen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung am 20. Juni 2003. Die Verfügung wurde am 26. Juni 2003 rechtskräftig.
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D. Mit Klage vom 17. Juni/16. November 2005 beantragte die SAirGroup in Nachlassliquidation, es sei die Zürcher Kantonalbank gerichtlich zu verpflichten, ihr CHF 80'516'263.90 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 8. Juni 2005 zu bezahlen. Ihre Ansprüche stützte sie auf den Tatbestand der Absichtsanfechtung gemäss Art. 288 SchKG. Die Zürcher Kantonalbank schloss auf Abweisung. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage ab (Urteil vom 10. Januar 2007).
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E. Dem Bundesgericht beantragt die SAirGroup in Nachlassliquidation, ihre Klage gutzuheissen, eventuell die Sache zur Neubeurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde abgewiesen, das Verfahren aber bis zum Entscheid des kantonalen Kassationsgerichts über die gleichzeitig gegen das handelsgerichtliche Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde sistiert (Präsidialverfügung vom 16. Februar 2007). Das Kassationsgericht trat auf die Beschwerde nicht ein (Zirkulationsbeschluss vom 15. November 2007). Die SAirGroup in Nachlassliquidation hat ihre Beschwerde mit den gleichen Sachanträgen erneuert und ergänzt. Die Zürcher Kantonalbank schliesst auf Abweisung, soweit auf die Beschwerde eingetreten werden könne. Das Handelsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde und die Klage gut. |
Aus den Erwägungen: |
4. Der Tatbestand gemäss Art. 288 SchKG setzt weiter voraus, dass der Schuldner die anfechtbare Handlung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. |
4.2 Voraussetzung des Tatbestandes gemäss Art. 288 SchKG ist schliesslich die Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht für den Dritten. Als erkennbar zu gelten hat alles, was bei Anwendung der durch die konkreten Verhältnisse gebotenen Aufmerksamkeit ohne Fahrlässigkeit erkannt werden konnte (vgl. BGE 21 I 279 E. 6 S. 286 f.; BGE 30 II 160 E. 5 S. 164). Es genügt, wenn der Dritte bei der ihm nach den Umständen zumutbaren Aufmerksamkeit die Gläubigerschädigung als natürliche Folge der angefochtenen Handlung hätte vorhersehen können und müssen (BGE 83 III 82 E. 3b S. 86; BGE 99 III 89 E. 4b S. 91 f.). Eine unbeschränkte Erkundigungspflicht wird damit nicht aufgestellt. Vielmehr kann Sorgfalt nur verlangt werden, wenn und soweit dazu Anlass besteht. Im Allgemeinen braucht sich niemand darum zu kümmern, ob durch ein Rechtsgeschäft die Gläubiger seines Kontrahenten geschädigt werden oder nicht. Nur wenn deutliche Anzeichen dafür sprechen, dass eine Schädigung beabsichtigt ist, darf vom Begünstigten eine sorgfältige Prüfung verlangt werden, ob jene Absicht wirklich bestehe oder nicht (BGE 30 II 160 E. 5 S. 165; BGE 37 II 303 E. 6 S. 310). Die Pflicht oder - genauer - Obliegenheit, den Schuldner zu befragen und die notwendigen Erkundigungen einzuziehen, setzt nicht bloss "Anzeichen" für eine Benachteiligung voraus (BGE 99 III 89 E. 4b S. 92), sondern weiterhin "deutliche Anzeichen" (Urteil 5C.3/2007 vom 9. August 2007, E. 3.4). In Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls ist zu beurteilen, ob der Dritte die Schädigungsabsicht des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Handlung wirklich erkannt hat (Tatfrage) oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können und müssen (Rechtsfrage; vgl. zur Abgrenzung: BGE 21 I 279 E. 6 S. 286 f. und die seitherige Rechtsprechung, z.B. BGE 33 II 665 E. 4 S. 668). |
5.1 Das Handelsgericht hat festgehalten, die SAirGroup habe in erkennbarer Weise mit Beginn des Jahres 2001 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt und sei Anfang April 2001 in die Sanierungsphase getreten. Es ist davon ausgegangen, in einer Sanierungsphase sei allen bewusst, dass kurzfristig, während der folgenden Monate, positive Lösungen gesucht und negative Entwicklungen vermieden oder eingedämmt werden müssten, wobei auf längere Sicht, ein Jahr und mehr, ein Scheitern nicht ausgeschlossen werden könne. Die Legitimation für Sanierungsbemühungen in Bezug auf eine nicht überschuldete Gesellschaft stehe ausser Frage. Die anderen Lösungen, z.B. eine freiwillige Liquidation, erschienen gerade bei Publikumsgesellschaften mit ihren vielen Mitarbeitern, Verpflichtungen und Verflechtungen als völlig unpraktikabel, weil sie von vornherein massivste Wertverluste für die Aktionäre und die Gläubiger zur Folge hätten. Sanierungsbemühungen würden somit in aller Regel - und davon dürfe auch vorliegend ausgegangen werden - im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger und auch der Aktionäre unternommen. Sie setzten grundsätzlich die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs mit Fortführungswillen mehr oder weniger im Sinne eines "courant normal" voraus. Zur Führung eines Geschäftsbetriebs gehörten die Generierung von Einnahmen und die Geltendmachung von Rechten, aber auch die Erfüllung von Verpflichtungen, insbesondere die Bezahlung von Schulden. Erstere Verhaltensweisen bildeten die Voraussetzung der Gewinnerzielung, letztere schafften Vertrauen, was wiederum ersteren diene. Das Handelsgericht hat daraus gefolgert, es könne nun nicht der Zweck der Anfechtungsklage sein, echte Sanierungsbemühungen mit der Gefahr einer späteren Rückgängigmachung von Rechtshandlungen zu belasten. Die Geschäftspartner der zu sanierenden Gesellschaft dürften in der Regel davon ausgehen, diese sei mindestens auf absehbare Zeit in der Lage, ihren fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen, weshalb man auch von ihr ohne Risiko Erfüllungshandlungen entgegennehmen könne. Von daher gesehen dürfe für die Anwendung von Art. 288 SchKG nicht einfach das Wissen um die "schlechte Lage" genügen. Es müsse vielmehr zur Bejahung der Anfechtungsklage um die Erkenntnis (beim Schuldner auch um das Erkennenmüssen, beim Gläubiger um das Erkennensollen) gehen, dass die Sanierung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich sei, dass nur mehr die Liquidation bleibe. In der Sanierungsphase sei eine Gleichbehandlung der Gläubiger - wie sie dem Anfechtungsrecht zugrunde liege - per definitionem nicht möglich, in der Liquidationsphase, die aus Sicht von Art. 288 SchKG schon mit besagter Erkenntnis beginne, sei sie Pflicht. |
5.2 Nach der Rechtsprechung hat die Anfechtungsklage nicht zum Zweck, alle Versuche zur Rettung des Schuldners unmöglich oder sehr gefährlich zu machen. Es liegt im Interesse der Gläubiger, dass Dritte versuchen, dem Schuldner zu Hilfe zu kommen, ohne Gefahr zu laufen, im Falle der Nutzlosigkeit der Bemühungen das Entgelt für ihre Leistungen zurückzahlen zu müssen (BGE 78 III 83 E. 2 S. 87/ 88). Die Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass es erlaubt ist, dem Schuldner "aus der Klemme zu helfen" (BGE 33 II 345 E. 6 S. 349), und demzufolge die Anfechtungsklage nicht verhindern will, dass einem bedrängten Schuldner durch Gewährung von Zahlungsmitteln geholfen wird, sofern nur diese Hilfe ernstlich als erfolgverheissend betrachtet werden kann (BGE 53 III 78 S. 80; BGE 74 III 48 E. 4 S. 52 ff.; BGE 79 III 78 E. 4 S. 83 ff.). Diese Zahlungsmittel müssen dabei zum besonderen Zweck der Sanierung gewährt worden sein und nicht bloss mit der Absicht, Geld kurzfristig und zu hohem Zins anzulegen (BGE 99 III 27 E. 5 S. 37). |
5.4 Die weitergehende Rechtsauffassung des Handelsgerichts kann nicht geteilt werden. Sie schränkt den Anwendungsbereich der Absichtsanfechtung ein und führt zu einer Ungleichbehandlung der Gläubiger, je nachdem, ob die anfechtbare Handlung des Schuldners in der - zeitlich schwer eingrenzbaren - Sanierungsphase erfolgt ist oder vor Beginn der Sanierungsphase, aber noch innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Jahren vor der Bewilligung der Nachlassstundung oder des Konkursaufschubs (Art. 288 i.V.m. Art. 331 Abs. 2 SchKG). In Anwendung der Art. 285 ff. SchKG können zwar Bemühungen um die Sanierung von Unternehmen berücksichtigt werden, doch nicht in einer Weise, dass jegliche Anfechtungsklage ab einem bestimmten Zeitpunkt faktisch ausgeschlossen wäre. Die SchKG-Revision von 1994/97 sah von der Schaffung eines eigentlichen Sanierungsrechts für Unternehmen ausdrücklich ab (vgl. Botschaft vom 8. Mai 1991 über die Änderung des SchKG, BBl 1991 III 1, S. 8 f.) und beschränkte sich diesbezüglich auf punktuelle Änderungen und Ergänzungen im Rahmen des geltenden Rechts (vgl. die Voten in AB 1993 N 43 f. und S 631 f.). Die als Folge des Zusammenbruchs der "Swissair" im Sommer 2003 eingesetzte Expertengruppe "Nachlassverfahren" hat das Problem der Sanierungsdarlehen erörtert (vgl. Bericht vom April 2005, S. 43), auf einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung aber verzichtet (vgl. Bericht vom Juni 2008, S. 29). |
6.1 Ein Beitrag zur Sanierung muss zwar nicht zwingend in der Gewährung neuer Zahlungsmittel bestehen. Es kann auch die blosse Verlängerung eines früher gewährten Darlehens zur Sanierung beitragen, wenn wie hier die Beschwerdegegnerin auf Grund der Kreditvereinbarung berechtigt war, das Darlehen jederzeit nach freiem Ermessen sofort zur Rückzahlung fällig zu stellen. Dass die Beschwerdegegnerin davon absah und das Darlehen im März 2001 um drei Monate verlängerte, entsprach indessen lediglich ihrer bisherigen Praxis und hatte nicht den Zweck, die ab Beginn des Jahres 2001 erkennbar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende SAirGroup bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Die späteren Absprachen zwischen der Beschwerdegegnerin und der SAirGroup, insbesondere die Vereinbarung vom 2. Juli 2001, belegen, dass es der Beschwerdegegnerin vorab um die Gleichstellung mit anderen Kreditgebern gegangen ist. Sie wollte informiert werden und Darlehensrückzahlungen erhalten, wenn die SAirGroup Kredite anderer Darlehensgeber bedienen musste ("pari passu"-Klausel). Die Beschwerdegegnerin hat im Vergleich mit anderen Kreditgebern weder Sonderleistungen versprochen noch ein eigentliches Entgegenkommen gezeigt noch die Sanierung direkt unterstützt, sondern nach der Mitteilung von Zahlungen an andere Kreditgeber ihrerseits Teilbeträge des Darlehens nebst Zins sofort fällig gestellt und ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der SAirGroup eingefordert. Dass die Beschwerdegegnerin zu diesem Vorgehen mit Rücksicht auf ihre Anteilseigner und Gläubiger berechtigt war, steht ausser Diskussion. Unter dem Blickwinkel der zu prüfenden Frage aber unterscheidet sich die Beschwerdegegnerin mit ihrem Verhalten nicht von anderen gewöhnlichen Kreditgebern. |
6.3 Aus den dargelegten Gründen kann nicht auf die Rechtsprechung zum Sonderfall der Sanierungsdarlehen abgestellt werden (E. 5 hiervor). Ob die SAirGroup das Darlehen an die Beschwerdegegnerin in der dieser erkennbaren Absicht zurückbezahlt hat, ihre Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen, ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen (E. 4 hiervor). |
7.3 In Kenntnis der schwierigen Finanzlage verfolgte die SAirGroup eine beständige Kreditpolitik. Die Beschwerdegegnerin sollte nicht zu den Hauptkreditgebern der SAirGroup gehören und ihre Darlehen mittelfristig zurückbezahlt erhalten (vgl. E. 6.2 hiervor). Gestützt auf die Vereinbarung vom 2. Juli 2001 (vgl. E. 6.1 hiervor) und in Übereinstimmung mit ihrer Kreditpolitik teilte die SAirGroup der Beschwerdegegnerin jeweilen mit, wenn andere Kredite bedient werden mussten, und zahlte die von der Beschwerdegegnerin fällig gestellten Teilbeträge am 21. August, am 5. September und 27. September 2001 zurück. Dabei ersuchte sie zwar förmlich um Verlängerung des Darlehens im bisherigen Umfang; besondere Anstrengungen, die Beschwerdegegnerin im Sinne eines Beitrags zur Sanierung zu weitergehendem Entgegenkommen zu bewegen, unternahm die SAirGroup im Zusammenhang mit dem Kredit über 100 Mio. Franken jedoch nicht. Sie beglich die fällig gestellten Darlehensbeträge jeweilen auf erste Aufforderung hin anstandslos. |
8.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die SAirGroup in erkennbarer Weise jedenfalls mit Beginn des Jahres 2001 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte und nicht bloss vor konjunkturellen, sondern vor strukturellen Problemen stand. Gleichwohl verlängerte die Beschwerdegegnerin das Darlehen im März 2001 um drei Monate, wie sie das bis anhin bereits viermal getan hatte. Sie äusserte gegenüber der SAirGroup an deren Bonität zwar Zweifel, unterliess aber weitere Abklärungen. Spätestens im April 2001 erhielt die Beschwerdegegnerin davon Kenntnis, dass die SAirGroup im Vorjahr einen Verlust von 2,8 Milliarden Franken erlitten hatte, ihre oberste Geschäftsleitung erneuerte und ihre Liquidität durch eine zusätzliche Kreditlinie von einer Milliarde Franken bei drei Grossbanken absichern musste. Nachdem sie von der Verpfändung eines Aktienpakets durch die SAirGroup an eine Drittbank im Mai 2001 aus der Presse erfahren hatte, verlängerte die Beschwerdegegnerin das Darlehen ab 1. Juni 2001 nur noch um einen Monat statt um drei Monate und trat mit der SAirGroup in Verhandlungen, die mit der Vereinbarung vom 2. Juli 2001 endeten. Danach war die SAirGroup verpflichtet, die Beschwerdegegnerin insbesondere über die Rückzahlung von Krediten an andere Banken zu informieren, und die Beschwerdegegnerin berechtigt, im Falle derartiger Rückzahlungen ihrerseits das gewährte Darlehen gegenüber der SAirGroup mit sofortiger Wirkung fällig zu stellen. Den Vertretern mehrerer Banken, unter anderem der Beschwerdegegnerin, wurde am 11. Juli 2001 von Seiten der SAirGroup ein "Restructuring Plan" vorgestellt und am 18./19. Juli 2001 ein Informationspaket mit dem Titel "Interim Information Disclosure for Lenders" übergeben. Danach sollten die Erlöse aus Verkäufen von Unternehmensteilen der Rückzahlung der Darlehen dienen. Auf Grund der Mitteilung der SAirGroup, dass eine Drittbank einen Kredit von 30 Mio. Franken nicht mehr verlängere, verlangte die Beschwerdegegnerin die sofortige Rückzahlung von 30 Mio. Franken nebst Zins per 22. August 2001. |
8.2 Für die Zeit nach der ersten Darlehensrückzahlung steht weiter verbindlich fest, dass die SAirGroup am 30. August 2001 einen Halbjahresabschluss bekannt geben musste, der ein düsteres Bild zeichnete. Das schlechte Halbjahresergebnis wurde gegenüber den Kreditgebern kommentiert und in einem Medienbulletin vom gleichen Tag der Öffentlichkeit erläutert. Darin hiess es, die SAirGroup habe Vereinbarungen, um Verluste bei anderen Fluggesellschaften zu stoppen, erfolgreich abgeschlossen und konkrete Schritte zu den bereits angekündigten Verkäufen von Unternehmensteilen in den Bereichen "Swissport" und "Nuance Group" unternommen. Aus dem Erlös sollten insbesondere ungesicherte Bankschulden zurückbezahlt werden, um - im Sinne der erwähnten Kreditpolitik (E. 6.2 hiervor) - die Zahl der Kreditgeber zu vermindern und mit einer kleineren Gruppe von Kreditgebern die Geschäftsbeziehungen fortzusetzen. Per Ende August 2001 lehnte die Beschwerdegegnerin es ab, der SAirGroup einen Hypothekarkredit von 100 Mio. Franken gegen Belehnung eines unbelasteten Grundstücks einzuräumen. Auf Grund der Mitteilung der SAirGroup, dass ein Kredit von 80 Mio. Franken an eine Drittbank zurückbezahlt werden müsse, stellte die Beschwerdegegnerin das Darlehen umgehend im Teilbetrag von 30 Mio. Franken nebst Zins per 6. September 2001 fällig. |
8.4 Neben vielen einzelnen Indizien, die rechtlich so oder anders gewürdigt werden können, ist für die Beurteilung der Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht entscheidend, dass die Beschwerdegegnerin auch dann noch passiv geblieben ist und keine weitergehenden Erkundigungen eingezogen hat, als auf Grund der wirtschaftlichen Gesamtlage bereits deutliche Anzeichen dafür bestanden, die SAirGroup könnte mit den jeweiligen Darlehensrückzahlungen eine Schädigung anderer Gläubiger zumindest in Kauf nehmen. Vor der ersten Darlehensrückzahlung per 22. August 2001 hat die Beschwerdegegnerin alarmieren müssen, dass die SAirGroup nach Mitteilung des massiven Vorjahresverlustes und der ersten einschneidenden Massnahmen (Auswechseln der Führungsspitze) ihre Liquidität bereits im April 2001 nur mehr durch die erfolgreiche Aushandlung eines Kredits von einer Milliarde Franken sicherstellen konnte und im Juli 2001 den Verkauf von Unternehmensteilen ankündigen musste. Hängt aber die jederzeitige Zahlungsbereitschaft des Schuldners vom Erfolg der Verhandlungen mit Kreditgebern oder dem Verkauf von Unternehmensteilen ab, darf sich ein Gläubiger nicht darauf beschränken, seine Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern von Bankdarlehen abzusichern, wie das die Beschwerdegegnerin getan und erreicht hat. Unter den gegebenen Voraussetzungen muss vom Gläubiger vielmehr eine sorgfältige Prüfung verlangt werden, ob durch Zahlungen des Schuldners die Schädigung anderer Gläubiger als möglich erscheint oder vom Schuldner gar gewollt sein könnte. Gleicherweise deutliche Alarmzeichen haben vor der zweiten Darlehensrückzahlung per 6. September 2001 darin bestanden, dass der am 30. August 2001 bekannt gegebene Halbjahresabschluss die äusserst schlechte Finanzlage der SAirGroup bestätigt hat und dass es sich bei den zu veräussernden Unternehmensteilen um die Bereiche "Swissport" und "Nuance Group" handeln sollte. Ihre Untätigkeit muss sich die Beschwerdegegnerin auch mit Blick auf die dritte Darlehensrückzahlung per 27. September 2001 vorhalten lassen, hat doch die SAirGroup Mitte September 2001 die Bundesbehörden um finanzielle Unterstützung bei der Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ersucht. Ein Schuldner, der die werthaltigen und gewinnträchtigen Unternehmensteile veräussern muss und sogar den Staat um finanzielle Hilfe angeht, kämpft erkennbar um sein wirtschaftliches Überleben, so dass jeder Gläubiger, der von ihm noch Zahlungen entgegennimmt, damit rechnen muss, sein Schuldner könnte dadurch andere Gläubiger schädigen. Insgesamt gilt für alle drei Darlehensrückzahlungen, dass die Beschwerdegegnerin praktisch blind darauf vertraut hat, die mögliche und auf Grund ihres Wissensstandes auch nahe liegende Gläubigerschädigung, die die SAirGroup zumindest in Kauf zu nehmen bereit gewesen sein könnte, würde ausbleiben. Selbst wenn der Beschwerdegegnerin somit ein allenfalls bloss fahrlässiges Verhalten anzulasten ist, genügt dies für die Bejahung der Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht. |