BGE 136 III 155
 
23. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Betreibungsamt Horgen (Beschwerde in Zivilsachen)
 
5A_732/2009 vom 4. Februar 2010
 
Regeste
Gebühr und Auslagen für die Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 16 und 13 GebV SchKG).
 
Sachverhalt


BGE 136 III 155 (155):

A. Das Betreibungsamt Horgen lud in der von der X. AG gegen Z. eingeleiteten Betreibung für die Forderung von Fr. 300.- nebst Zinsen die Betriebene ein, den Zahlungsbefehl vom 16. Juli 2009 auf dem Amt abzuholen. Diese kam der Abholungseinladung am 20. Juli 2009 nach. Am gleichen Tag sandte das Betreibungsamt der X. AG das Gläubigerdoppel zu. Weiter verfügte es die Bezahlung von Gebühren und Auslagen von Fr. 30.- bzw. nach Abzug des Kostenvorschusses (Fr. 20.-) die Nachzahlung von Fr. 10.- (Kostenrechnung und Verfügung vom 20. Juli 2009).
B. Gegen die Kostenrechnung vom 20. Juli 2009 erhob die X. AG Beschwerde, welche das Bezirksgericht Horgen als untere kantonale Aufsichtsbehörde am 17. September 2009 teilweise guthiess. Sie reduzierte die Kostenrechnung auf Fr. 26.- (bzw. den nachzuzahlenden Betrag auf Fr. 6.-). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Gebühr für den Zahlungsbefehl Fr. 20.- und die Auslagen für dessen Zustellung an die Schuldnerin auf dem Amt Fr. 5.- betragen. Das Gläubigerdoppel sei nicht durch eingeschriebenen Brief, sondern vorschriftswidrig nur mit A-Post zugestellt worden, weshalb für diese Mitteilung nicht Fr. 5.-, sondern nur Fr. 1.- an Auslagen zu bezahlen seien.


BGE 136 III 155 (156):

C. Die X. AG gelangte an das Obergericht des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen und verlangte, dass die Kostenrechnung auf Fr. 21.- (bzw. der nachzuzahlende Betrag auf Fr. 1.-) zu reduzieren sei. Die Beschwerde wurde am 13. Oktober 2009 abgewiesen.
D. Mit Eingabe vom 30. Oktober 2009 (Postaufgabe) führt die X. AG Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Kostenrechnung des Betreibungsamtes Horgen vom 20. Juli 2009 auf Fr. 21.- (bzw. den nachzuzahlenden Betrag auf Fr. 1.-) zu reduzieren. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut.
(Auszug)
 
Aus den Erwägungen:
3.1 Das Vorgehen des Betreibungsamtes betreffend Zustellung steht nicht in Frage. Die Zustellung einer Betreibungsurkunde auf der Amtsstelle ist ohne weiteres zulässig (Urteil 7B.150/2001 vom 14. August 2001 E. 2b; ANGST, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1998, N. 14 zu Art. 64 SchKG; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 9 zu Art. 64 SchKG; JEANNERET/LEMBO, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 14 zu Art. 64 SchKG). Der Schuldner ist allerdings nicht zur Abholung des Zahlungsbefehls verpflichtet (ANGST, a.a.O.). Die Aufforderung des Betreibungsamtes zur Abholung des Zahlungsbefehls geht nicht über die Mitteilung hinaus, dass auf dem Amt ein ausgefertigter, zustellbereiter Zahlungsbefehl liegt (Urteil 5A_268/2007 vom 16. August 2007 E. 2.2, in: BlSchK 2008 S. 130).
3.2 Im kantonalen Beschwerdeverfahren war unbestritten, dass die Gebühr für den Erlass des Zahlungsbefehls für eine Forderung von Fr. 300.- gemäss Art. 16 Abs. 1 GebV SchKG Fr. 20.- beträgt. Die

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Auslagen für die Zustellung des Zahlungsbefehls an die Beschwerdeführerin (Gläubigerin) wurden von der unteren Aufsichtsbehörde von Fr. 5.- auf Fr. 1.- reduziert, weil das Gläubigerdoppel nicht durch eingeschriebenen Brief (vgl. Art. 34 SchKG; BGE 130 III 387 E. 4 S. 391), sondern vorschriftswidrig mit A-Post zugestellt worden ist. Auch dieser Punkt war im vorinstanzlichen Verfahren unbestritten. Sodann bestehen keine Hinweise, dass erfolglose Versuche zur Zustellung des Zahlungsbefehls (vgl. Art. 16 Abs. 3 GebV SchKG) an die Schuldnerin vorausgegangen sind. Der im Verfahren vor der oberen Aufsichtsbehörde entschiedene und vom Bundesgericht zu beurteilende Streitpunkt ist einzig, ob das Betreibungsamt von der Beschwerdeführerin Auslagen von Fr. 5.- erheben darf, weil der Zahlungsbefehl gestützt auf eine vor dem ersten Zustellversuch ergangene Abholungseinladung der Schuldnerin auf dem Amt zugestellt worden ist.
3.3 Welche Gebühren und Entschädigungen zu belasten und wie sie zu bemessen sind, bestimmt ausschliesslich die GebV SchKG; andere als die darin vorgesehenen Gebühren und Entschädigungen dürfen im Rahmen eines Vollstreckungs-, Nachlass- oder Notstundungsverfahrens nicht erhoben werden (Art. 1 GebV SchKG; BGE 128 III 476 E. 1 S. 478). Es wird unterschieden zwischen Gebühren, d.h. dem Entgelt für die besondere Inanspruchnahme amtlicher Tätigkeit, und Entschädigungen, d.h. den Auslagen, die mit Amtshandlungen verbunden sind, wie Porti, Reiseauslagen, Inserate, Verpflegung und Unterkunft, Post, Telefon und dergleichen (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 1984, § 15 Rz. 4; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 13 Rz. 1). Zu prüfen ist, welche Gebühren und Auslagen für die Zustellung des Zahlungsbefehls auf dem Amt anfallen.
3.3.1 Die Gebühr für "den Erlass, die doppelte Ausfertigung, die Eintragung und die Zustellung des Zahlungsbefehls" wird in Art. 16 Abs. 1 GebV SchKG festgesetzt. Der Wortlaut der Bestimmung lässt keinen Zweifel, dass die Beanspruchung des Betreibungsamtes für die Zustellung des Zahlungsbefehls in der Gebühr enthalten ist (vgl. BOESCH, in: Kommentar SchKG Gebührenverordnung, 2008, N. 10 zu Art. 16 GebV SchKG; EMMEL, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 1998, Bd. I, N. 24 zu Art. 64 SchKG). Die amtliche Tätigkeit der Zustellung besteht in einer qualifizierten Mitteilung; diese erfolgt durch die offene Übergabe der

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Betreibungsurkunde an den Schuldner (Art. 64 SchKG; vgl. AMONN/WALTHER, a.a.O., § 12 Rz. 13). Die Bezahlung der Gebühr nach Art. 16 Abs. 1 GebV SchKG umfasst daher die offene Übergabe des Zahlungsbefehls (Urteil 7B.1/2007 vom 26. April 2007 E. 3.3, in: BlSchK 2007 S. 185/186).
3.3.3 Gemäss Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG ("Auslagen im allgemeinen") müssen alle Auslagen, die z.B. durch den Beizug der Polizei zur Zustellung des Zahlungsbefehls entstehen, ersetzt werden. Die Bestimmung macht einen Vorbehalt, wenn die Zustellung durch das Amt erfolgt. In diesem Fall gelten als Auslagen nur die dadurch eingesparten Posttaxen (Art. 13 Abs. 2 GebV SchKG), d.h. der Auslagenersatz wird begrenzt. Dies ist der Fall, wenn die Zustellung z.B. durch den Betreibungsbeamten oder -weibel vorgenommen wird (BOESCH, a.a.O., N. 12 zu Art. 16 GebV SchKG; vgl. STRAESSLE/KRAUSKOPF, Erläuterungen zum Gebührentarif über Schuldbetreibung und Konkurs vom 7. Juli 1971, 1972, N. 2 zu Art. 12 aGebV SchKG). Voraussetzung zur Anwendung des Vorbehaltes (Abs. 2 von Art. 13 GebV SchKG) bzw. dieser Begrenzung des Auslagenersatzes ist demnach, dass bei einer Amtshandlung überhaupt Auslagen entstehen können, welche im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG zu entschädigen und zur Gebühr von Art. 16 GebV SchKG hinzuzuschlagen sind.
Dies ist bei der Zustellung des Zahlungsbefehls auf dem Amt nicht der Fall. Die offene Übergabe der Betreibungsurkunde ist - wie dargelegt (E. 3.3.1) - in der Gebühr von Art. 16 Abs. 1 GebV SchKG enthalten. Andere Auslagen, welche mit der Übergabe des Zahlungsbefehls verbunden sind, entstehen nicht. Der Kommentator zur Gebührenverordnung hält fest, dass keine Auslagen entstehen, wenn die Zustellung des Zahlungsbefehls z.B. gleichzeitig mit einem Pfändungsvollzug auf dem Amt erfolgt (BOESCH, a.a.O., N. 12 [zu Ziff. 3] zu Art. 16 GebV SchKG). Nichts anderes gilt, wenn keine Pfändung

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vollzogen wird. In der Tat können bei der Übergabe des Zahlungsbefehls auf dem Amt für diese Amtshandlung keine Auslagen für Leistungen an Dritte entstehen (Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG; vgl. BOESCH, a.a.O., N. 19 zu Art. 16 GebV SchKG), so dass die Auslagenbegrenzung nach Art. 13 Abs. 2 GebV SchKG nicht in Betracht fällt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz gehört der blosse personelle Aufwand, der bei der Übergabe des Zahlungsbefehls auf dem Amt entsteht, nicht zu den Auslagen, ebenso wenig wie die Kosten des Materials oder der Vervielfältigung gebührenpflichtiger Schriftstücke (Art. 13 Abs. 3 lit. a GebV SchKG), welche allgemeine Unkosten des Amtes darstellen bzw. durch die Gebühr gedeckt sind. Auch die kantonale Praxis scheint bis anhin davon auszugehen, dass für die aufgrund einer Abholungseinladung erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner auf dem Amt keine Auslagen zu belasten sind (Entscheid des Bezirksgerichts Zürich als unterer Aufsichtsbehörde vom 11. Oktober 2006). Wenn die Vorinstanz festgehalten hat, die Art der Zustellung (z.B. durch den Weibel oder auf dem Amt selber) mache bezüglich Auslagenersatz keinen Unterschied, sondern sei gestützt auf Art. 13 Abs. 2 GebV SchKG in jedem Fall geschuldet, übergeht sie die systematische Einordnung dieser Bestimmung sowie den Sinn und Zweck der Gebühren einerseits und der hinzuzuschlagenden Entschädigungen andererseits. Die Auffassung der oberen Aufsichtsbehörde, dass die Beschwerdeführerin für die auf dem Betreibungsamt an die Schuldnerin erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls Auslagen von Fr. 5.- für eingesparte Posttaxen zu ersetzen habe, ist mit der GebV SchKG nicht vereinbar.
3.3.4 Anzufügen ist, dass die kantonalen Aufsichtsbehörden (so wie das Betreibungsamt) für das Schreiben des Betreibungsamtes an die Schuldnerin mit der Aufforderung bzw. Einladung, den Zahlungsbefehl auf dem Amt abzuholen, nichts berechnet haben. Dies scheint der kantonalen Praxis zu entsprechen, welche die vor dem ersten Zustellversuch an den Schuldner versandte Abholungseinladung nicht verrechnet bzw. als in der nach Art. 16 Abs. 1 GebV SchKG vorgesehenen Gebühr eingeschlossen betrachtet (Entscheid des Bezirksgerichts Winterthur als unterer Aufsichtsbehörde vom 12. Februar 2007, in: BlSchK 2008 S. 129). Das vorliegende Beschwerdeverfahren gibt keinen Anlass, diesen Punkt weiter zu erörtern. Es kann offenbleiben, ob für die vor dem ersten Zustellversuch erfolgte Mitteilung des Betreibungsamtes, dass auf dem Amt ein ausgefertigter, zustellbereiter Zahlungsbefehl liegt (vgl. E. 3.1),

BGE 136 III 155 (160):

überhaupt eine Gebührenpflicht besteht, zumal es sich nicht um eine vorgeschriebene Amtshandlung handelt (EMMEL, a.a.O., N. 20 zu Art. 68 SchKG).