BGE 137 III 8 |
2. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen T. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_84/2010 vom 14. Oktober 2010 |
Regeste |
Art. 612 Abs. 3 ZGB; Verkauf einer Erbschaftssache; Befugnisse der zuständigen Behörde. |
Sachverhalt |
2002 starb E. (Erblasser). Er hinterliess als gesetzliche Erben die Ehefrau und die fünf Kinder, nämlich den Sohn S. (Beschwerdeführer) und die Töchter T., U., V. und W. (Beschwerdegegnerinnen). Hauptgegenstand des Nachlasses ist eine Liegenschaft, über deren Bewertung und Zuweisung sich die Erben nicht einigen konnten. Der Beschwerdeführer offerierte für die Übernahme der Liegenschaft, deren Verkehrswert amtlich auf Fr. 150'600.- (2003) geschätzt wurde, die Zahlung von Fr. 41'000.-, was die anderen Erben ablehnten. Die Ehefrau des Erblassers klagte auf Erbteilung. In seiner Klageantwort widersetzte sich der Beschwerdeführer der Teilung als solcher nicht, wohl aber einer Teilung gemäss den Klagebegehren. Die Klägerin starb 2005, worauf die Teilungsklage abgeschrieben wurde. Gesetzliche Erben ihrer Mutter sind die Beschwerdeparteien. Ihre weiteren Bemühungen um Einigung scheiterten. 2007 ersuchten die Beschwerdegegnerinnen die Teilungsbehörde der Gemeinde G., die öffentliche Versteigerung der Nachlassliegenschaft anzuordnen. Die Teilungsbehörde entsprach dem Gesuch und ordnete an, das Grundstück sei nach Rechtskraft des Entscheids öffentlich zu versteigern. Die dagegen vom Beschwerdeführer eingereichten kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos. Die Regierungsstatthalterin und das alsdann angerufene Obergericht des Kantons Luzern wiesen die Beschwerden ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Der Beschwerdeführer ist an das Bundesgericht gelangt, das seine Beschwerde öffentlich beraten hat und abweist, soweit es darauf eintritt. |
(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
2.3 Mit Entscheid vom 21. Februar 2008 hat die Teilungsbehörde die öffentliche Versteigerung der Nachlassliegenschaft angeordnet. In den Entscheiderwägungen hat sie festgehalten, die Beschwerdeparteien seien die direkten Nachkommen ihrer Eltern und erbten mangels letztwilliger Verfügungen zu gleichen Teilen. Hauptgegenstand des Nachlasses sei das Grundstück Nr. 347 (Wohnhaus, Gerätehaus und Garage) mit einer Fläche von 708 m² und einem Katasterwert von Fr. 194'700.-. Die Beschwerdeparteien könnten sich über den Verkehrswert nicht einigen. Eine ungeteilte Zuweisung an den Beschwerdeführer gegen Zahlung von Fr. 41'000.- lehnten die Beschwerdegegnerinnen ab. Die Teilungsbehörde hat dafürgehalten, die sachlichen Voraussetzungen für eine körperliche Teilung des überbauten Grundstücks von 708 m² unter die fünf Erben seien nicht gegeben und die ungeteilte Zuweisung an den Beschwerdeführer sei ausgeschlossen, da der Wert des Grundstücks die Höhe seines Erbteils bei weitem übersteige. Das Grundstück müsse deshalb verkauft werden. Der Verkauf habe auf dem Weg der öffentlichen Versteigerung zu erfolgen, die zur Wahrung der Chancengleichheit aller Erben, im Interesse der Mehrheit der Erben und aus objektiver Sicht als angezeigt erscheine. Das Obergericht hat die Ansicht geteilt. Wie bereits im kantonalen Verfahren bestreitet der Beschwerdeführer vor Bundesgericht die sachliche Zuständigkeit der Teilungsbehörde, über die körperliche Teilbarkeit der Nachlassliegenschaft und deren Verkauf zu befinden. |
3.1.1 Das Bundesgericht hat zur Zuständigkeitsfrage festgehalten, das Bundesrecht schreibe nicht vor, welche Behörde darüber zu entscheiden hat, ob eine Erbschaftssache als solche in die Teilung einzubeziehen (d.h. einem Lose zuzuweisen) oder zu verkaufen bzw. zu versteigern sei (vgl. die Eventualerwägung in BGE 81 II 181 S. 183 f., seither bestätigt mit BGE 112 II 206 E. 1a S. 207 f.). |
3.1.3 Sind die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 612 Abs. 2 und 3 ZGB umstritten, soll nach abweichender Lehrmeinung darüber die Teilungsbehörde entscheiden, wenn sie angerufen wird, und der Teilungsrichter, soweit er sich mit den Modalitäten der Teilung befassen muss (PAUL PIOTET, in: Erbrecht, SPR Bd. IV/2, 1981, § 111/I S. 886, und in: SJK Nr. 789, Stand: 1985, S. 3). Nach dieser Auffassung gilt als Grundsatz, dass die Teilungsbehörde, wo sie unabhängig neben dem Teilungsrichter besteht, dieselben Lösungen treffen kann wie der Teilungsrichter, ihr Entscheid aber einen Erben nicht dazu verpflichten kann, beispielsweise einem anderen Erben eine Ausgleichszahlung zu leisten. Die Teilungsbehörde kann insoweit nur Lose bilden und dabei vorsehen, dass das eine Los mit einer Ausgleichszahlung belastet ist, die ganz oder teilweise zu den Aktiven eines oder mehrerer anderer Lose gehört (vgl. PAUL PIOTET, Partage judiciaire et constitution de propriétés par étages, ZSR 113/1994 I S. 207). |
3.3.1 Nach schweizerischer Rechtsauffassung sind Gerichte und Behörden befugt, Vorfragen aus einem anderen Zuständigkeitsbereich zu beurteilen, solange darüber die hiefür zuständigen Behörden und Gerichte im konkreten Fall noch keinen rechtskräftigen Entscheid getroffen haben. Die Antwort auf die Vorfrage ist dabei lediglich Urteilserwägung und nimmt an der Rechtskraft des Urteils nicht teil (vgl. BGE 90 II 158 E. 3 S. 161; BGE 131 III 546 E. 2.3 S. 551). Der Grundsatz gilt auch im Erbrecht (z.B. Ausstellung eines Erbenscheins: BGE 128 III 318 E. 2.2.1 S. 322 f.). Wo nach kantonalem Zivilprozessrecht das Erbteilungsgericht eine Urkundsperson damit betraut, einen Teilungsplan als Urteilsgrundlage auszuarbeiten, ist ebenfalls anerkannt, dass die Urkundsperson sich zu sämtlichen Punkten äussert und - soweit erforderlich - auch Vorfragen (z.B. über die güterrechtliche Auseinandersetzung) beantwortet (vgl. DENIS TAPPY, L'expertise notariale dans les procès en partage: passé, présent, avenir, in: Mélanges publiés par l'Association des notaires vaudois, 2005, S. 121 ff., 130). |
3.4.1 Gemäss Art. 607 Abs. 2 ZGB können die Erben (unter einem hier nicht in Betracht kommenden Vorbehalt) die Teilung frei vereinbaren. Sofern und soweit sie über die Teilung einig sind, ist für deren Durchführung einzig ihr Wille massgebend (vgl. BGE 97 II 11 E. 3 S. 15 f.). Kommt eine vertragliche Einigung nicht zustande, steht es jedem Erben frei, seinen Teilungsanspruch (Art. 604 Abs. 1 ZGB) vor Gericht einzuklagen. Im Rahmen der Rechtsbegehren hat das Erbteilungsgericht ein vollstreckbares Urteil zu fällen, d.h. die Teilung durchzuführen und die Erbbetreffnisse konkret zuzuweisen. Es entscheidet über sämtliche Streitfragen und hat umfassende Teilungs- und Zuweisungskompetenz (vgl. BGE 69 II 357 E. 7 S. 369 und E. 10 S. 371; BGE 130 III 550 E. 2.1.1 S. 552 mit Hinweisen). |
3.4.3 Ist die Erbteilungsklage hingegen rechtshängig, fällt die Anrufung der Teilungsbehörde nur noch ausnahmsweise in Betracht. Der Erbteilungsprozess wird zwar durch die Dispositionsmaxime beherrscht (BGE 130 III 550 E. 2.1.3 S. 553), doch ist das Gericht nicht verpflichtet, Rechtsbegehren zuzulassen, an deren Beurteilung kein Rechtsschutzinteresse besteht. Mit Bezug auf den eingeklagten Streitgegenstand besteht für die Erben weder die Möglichkeit, während des Erbteilungsprozesses die Teilungsbehörde anzurufen, noch ein berechtigtes Bedürfnis danach, kann doch das Erbteilungsgericht über alle Streitfragen entscheiden. Vorbehalten bleiben Sonderfälle, wo das Gericht von sich aus die Teilungsbehörde als Hilfsperson beizieht und gleichsam "zwischenschaltet" (vgl. TUOR/SCHNYDER/RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 758 in Anm. 19) oder wo nach kantonalem Zivilprozessrecht eine Urkundsperson damit betraut ist, einen Teilungsplan als Urteilsgrundlage auszuarbeiten, und Zwischenstreitigkeiten immer wieder vor dem Erbteilungsgericht ausgetragen werden können (z.B. Art. 399 ff., vorab Art. 403 Abs. 3 LPC/GE [RSG E 3 05]; Art. 475 ff. CPC/TI [RL 3.3.2.1], vgl. dazu BGE 109 II 408). |
3.5 Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Rechtsauffassung der kantonalen Instanzen nicht als bundesrechtswidrig. Kommt eine vertragliche Erbteilung nicht zustande, steht es jedem Erben frei, die Teilungsklage zu erheben oder zuerst die zuständige Behörde gemäss Art. 611 ff. ZGB anzurufen. Die zuständige Behörde darf materiellrechtliche Vorfragen beantworten, solange das Erbteilungsgericht darüber nicht bereits rechtskräftig geurteilt hat und keine Erbteilungsklage rechtshängig ist. Ordnet sie an, dass die von einem Erben verlangte Versteigerung öffentlich stattfindet, kann jeder Erbe, der damit nicht einverstanden ist, die dagegen vorgesehenen Rechtsmittel ergreifen oder beim Gericht die Erbteilungsklage erheben. Andernfalls wird der Entscheid vollzogen.
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