BGE 138 III 304
 
46. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Swatch AG gegen X. SA (Beschwerde in Zivilsachen)
 
4A_589/2011 vom 5. April 2012
 
Ist das auf einen Vertrag (Abgrenzungsvereinbarung) gestützte gerichtliche Verbot an eine Partei, gegen Eintragungsgesuche einer bestimmten Marke Widerspruch zu erheben, bzw. der Befehl, bereits erhobene Widersprüche zurückzuziehen, ein Prozessführungsverbot ("anti-suit injunction")?
 
Markenabgrenzungsvereinbarung; Vertragsbeendigung aus wichtigen Gründen.
 
Sachverhalt


BGE 138 III 304 (306):

A. Die Swatch SA (Beschwerdeführerin) ist eine schweizerische Aktiengesellschaft, deren Zweck die Herstellung von und der Handel mit Uhren, Bijouterieartikeln, elektronischen Geräten wie auch von Konsumgütern jeder Art ist. Sie ist Inhaberin der als Gemeinschaftsmarke eingetragenen Wortmarke "swatch" mit dem Prioritätsdatum vom 15. April 1996.
Die X. SA (Beschwerdegegnerin) ist eine Aktiengesellschaft aus Y., deren Gesellschaftszweck sich über alle Tätigkeiten der Entwicklung, der Produktion und des Ein- und Verkaufs von Gütern und Dienstleistungen an etwelche mögliche nationale und internationale Abnehmer erstreckt. Im Handelsregister werden in der Rubrik "Werbung" auch Wertgegenstände wie namentlich Schmuck und Uhren genannt. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin der Gemeinschafts(wort)marke "Icewatch" mit dem Prioritätsdatum vom 13. Dezember 2006 bzw. Inhaberin der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch". Nachdem sie im Jahre 2005 entschied, Uhren in ihr Werbegeschenksortiment aufzunehmen, meldete sie am 13. Dezember 2006 beim europäischen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Harmonisierungsamt, HABM) die Wortmarke "icewatch" als Gemeinschaftsmarke in der Klasse 14 gemäss Nizza-Klassifikation an. Am 20. August 2008 erhob die Beschwerdeführerin dagegen Einspruch. Den betreffenden Streit legten die Parteien mit dem Abschluss einer "Abgrenzungsvereinbarung" vom 15./20. Mai 2008 bei, die den Eintrag der strittigen Marke erlaubte und wie folgt lautet:
    "The following is concluded:
    1. X. is the holder of CTM application n° AAA. for the word trademark ICEWATCH in the international class 14.
    2. SWATCH objected to the use and registration of the trademark ICEWATCH and introduced an opposition procedure with OHIM against aforementioned application (opposition n° BBB.).
    3. X. acknowledges the prior trademark rights for SWATCH on the term SWATCH and will never derive any rights against the use, registration or renewal by SWATCH of the trademark SWATCH.
    4. X. undertakes to use the trademark ICEWATCH only as a device trademark where the term "ICE" and the term "WATCH" are represented on two separate text lines. When referring to the product e.g. in commercial literature or in an article the applicant will be entitled to refer to the trademark as "ICE-WATCH" or "ice-watch", the two words always divided by a hyphen.
    5. X. untertakes to file for new trademark applications only as device trademark where the term "ICE" and the term "WATCH" are represented on two separate text lines.


    BGE 138 III 304 (307):

    6. With regard to points 4 and 5, SWATCH consents especially to the use and registration of the trademark ICEWATCH as shown below:
    7. According to point 4, X. undertakes to adapt its website www.ice-watch.com and to delete all references to the term ICEWATCH, except for those references in conformity with point 4 of the present agreement.
    8. SWATCH declares having no objection against the use of the website www.ice-watch.com and any mention of the term www.ice-watch.com.
    9. At latest within 10 days from the moment X. executed point 7 of the present agreement, SWATCH will withdraw the CTM opposition n° BBB.
    10. (...)
    11. The present agreement has world wide validity. It is granted for a duration corresponding to the duration of preservation of the titles protecting the tradmarks "ICEWATCH" and "SWATCH" and/or the use of the designation "ICE-WATCH".
    12. This agreement is governed by Swiss Law. Any dispute ensuing from the present agreement and especially concerning its conclusion, its validity, its interpretation, its execution, its violation or its cancellation, as well as any extra contractual complaint, will be in the exclusive competence of the courts of the Canton Bern, Switzerland.
    13. (...)"
Die Beschwerdegegnerin bemühte sich in der Folge, die Konditionen aus der Abgrenzungsvereinbarung auch ihren Detaillisten weiterzugeben und diese vertraglich an die korrekte Verwendung der Marke "Ice-Watch" zu binden. Sie erzielte mit ihrem Uhrenabsatz grosse Erfolge und ist mittlerweile an allen grossen Ausstellungen und Messen präsent.
Mit Kündigungsschreiben vom 5. Juni 2009 erklärte die Beschwerdeführerin die fristlose Auflösung der Abgrenzungsvereinbarung. Zur Begründung nannte sie verschiedene, in Darstellungen der Marke "ICE-WATCH" auf einer Zeile bestehende Verstösse gegen die Abgrenzungsvereinbarung.


BGE 138 III 304 (308):

Vorgängig dem Kündigungsschreiben waren seitens der Beschwerdeführerin keine Rügen oder Mahnungen gegenüber der Beschwerdegegnerin betreffend ihre Markenverwendung erfolgt.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 bestritt die Beschwerdegegnerin die Kündigung "förmlich". Die Beschwerdeführerin verwies mit Schreiben vom 10. Juli 2009 auf die im Kündigungsschreiben vorgebrachten Gründe und bemerkte, dass die Beschwerdegegnerin zwischenzeitlich die Verletzungen behoben habe, weshalb sie sich ihrer Verstösse genau bewusst gewesen sei. Am 8. Januar 2010 erfuhr die Beschwerdegegnerin davon, dass die Beschwerdeführerin gegen die Anmeldung ihrer Wort-/Bildmarke "ICE-WATCH", gemäss Abgrenzungsvereinbarung auf zwei Zeilen geschrieben, am 17. September 2008 in den USA Widerspruch erhoben hatte. Seither erfolgten zahlreiche Widersprüche der Beschwerdeführerin gegen Markeneintragungsgesuche der Beschwerdegegnerin.
B.
B.a Die Beschwerdegegnerin erhob am 14. Juli 2010 beim Handelsgericht des Kantons Bern Klage gegen die Beschwerdeführerin. Sie beantragte mit anlässlich der Hauptverhandlung geänderten und ergänzten Rechtsbegehren u.a., es sei festzustellen, dass die am 5. Juni 2009 ausgesprochene Kündigung der Abgrenzungsvereinbarung wirkungslos sei (Ziff. 1) und dass die Abgrenzungsvereinbarung betreffend die Marken ICE-WATCH und SWATCH gültig und für die Parteien rechtsverbindlich sei (Ziff. 2). Ferner sei der Beschwerdeführerin unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall zu verbieten, Widerspruch zu erheben gegen sämtliche bereits hängigen oder zukünftigen Markeneintragungsgesuche der Beschwerdegegnerin für die Wort-/Bildmarke oder dreidimensionale "Ice-Watch"-Marke, welche die Worte "Ice" und "Watch" ausschliesslich in folgender Darstellung enthalten (Ziff. 3):


BGE 138 III 304 (309):

In Ziffer 4 des Rechtsbegehrens beantragte die Beschwerdegegnerin weiter, die Beschwerdeführerin sei unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall zu verurteilen, 18 im Begehren im Einzelnen bezeichnete, in verschiedenen Ländern erhobene Widersprüche und jeden anderen Widerspruch gegen die Markeneintragungen der Beschwerdegegnerin für ihre Wort-/Bildmarke ICE-WATCH, der möglicherweise von der Beschwerdeführerin bereits eingereicht sei oder bis zum Ergehen des Urteils im vorliegenden Verfahren eingereicht werde, zurückzuziehen.
B.b Mit Entscheid vom 28. April 2011 stellte das Handelsgericht fest, dass die Kündigung vom 5. Juni 2009 wirkungslos und die Abgrenzungsvereinbarung für die Parteien rechtsverbindlich sei (Dispositiv Ziff. 1a/1b). Sodann verbot es der Beschwerdeführerin unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall, Widerspruch zu erheben gegen sämtliche bereits hängigen oder zukünftigen Markeneintragungsgesuche der Beschwerdegegnerin für die Wort-/Bildmarke, welche die Worte "Ice" und "Watch" ausschliesslich in folgender Darstellung enthalten (Dispositiv Ziff. 2a):
Weiter verurteilte das Handelsgericht die Beschwerdeführerin unter Androhung von Straffolgen gemäss Art. 292 StGB für den Widerhandlungsfall, 18 im Einzelnen bezeichnete, in verschiedenen Ländern erhobene Widersprüche gegen die Markeneintragungen der Beschwerdegegnerin für ihre Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" zurückzuziehen (Dispositiv Ziff. 2b).
C. Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen u.a., es seien die Dispositiv Ziffern 1 und 2 des Urteils des Handelsgerichts aufzuheben und es sei auf die Klage vom 14. Juli 2010 nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Subeventuell sei die Streitsache zur Vervollständigung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, weil die Vorinstanz in einem Punkt (Verwendung des Domainnamens

BGE 138 III 304 (310):

"www.ice-watch.com" auf einer Zeile im Layout ihrer Wort-/Bildmarke) eine Verletzung der Abgrenzungsvereinbarung zu Unrecht verneint hatte. Es weist die Sache an die Vorinstanz zurück zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen in diesem Punkt und zur Neubeurteilung, ob sämtliche bejahten Vertragsverletzungen einen wichtigen Grund für die Auflösung der Abgrenzungsvereinbarung bilden (Ermessensfrage).
(Zusammenfassung)
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 5
5.1 Die Beschwerdeführerin rügt sodann, die Vorinstanz habe Bundesrecht sowie Staatsvertragsrecht verletzt, indem sie auf die Rechtsbegehren Ziffern 3 und 4 eingetreten sei, mit denen die Beschwerdegegnerin beantragte, der Beschwerdeführerin sei unter Straffolge zu verbieten, Widerspruch gegen sämtliche hängigen und zukünftigen Markeneintragungsgesuche der Beschwerdegegnerin bezüglich der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" (fig.) zu erheben, und der Beschwerdeführerin sei zu befehlen, zahlreiche bereits eingereichte Widersprüche zurückzuziehen. Bei der von der Vorinstanz angeordneten Verpflichtung, Widersprüche gegen Markeneintragungsgesuche zurückzuziehen bzw. nicht zu erheben, handle es sich um unzulässige Prozessführungsverbote (anti-suit injunctions). Nach schweizerischem Recht dürfe ein Gericht generell keine Prozessführungsverbote aussprechen, und zwar unabhängig davon, ob ein Binnen- oder ein internationaler Sachverhalt vorliege. Ein Prozessführungsverbot bedeute einen unzulässigen Eingriff in die Kompetenz des Zielgerichts, selber über seine Zuständigkeit entscheiden zu können (sog. Kompetenz-Kompetenz). Namentlich soweit Widerspruchsverfahren im Anwendungsbereich des LugÜ (SR 0.275.12) betroffen seien, sei zu beachten, dass der vorliegend anwendbare Art. 16 Ziff. 4 LugÜ in der Fassung vom 16. September 1988 (aLugÜ; AS 1991 2436), gleich wie der Art. 22 Nr. 4 des revidierten LugÜ vom 30. Oktober 2007 vorsehe, dass Bestandesklagen über Immaterialgüterrechte, zu denen auch die Widerspruchsklagen zählten, von den Gerichten desjenigen Mitgliedstaats zu behandeln seien, in dem die Hinterlegung des Immaterialgüterrechts beantragt oder vorgenommen worden sei. Somit verstosse namentlich die Verpflichtung, die Widersprüche für Markeneintragungsgesuche im LugÜ-Raum zurückzuziehen bzw. in Mitgliedstaaten des LugÜ keine Widersprüche zu erheben, gegen Art. 16 Ziff. 4 aLugÜ.


BGE 138 III 304 (311):

5.2 Die Vorinstanz erwog dazu, die Antwort auf die Frage, ob ein schweizerisches Gericht ein Urteil mit Wirkungen über die eigenen Landesgrenzen hinaus fällen könne, sei in der Abgrenzungsvereinbarung zwischen den Parteien zu suchen. Vorliegend könne die Vorinstanz gestützt auf schweizerisches Recht ein Urteil über konkrete vertragliche Verpflichtungen fällen. Es könne und müsse im Rahmen der gesetzlichen Schranken formell zulässige Rechtsbegehren, wenn sie begründet seien, zusprechen, und zwar so wie unter den Parteien vereinbart. Vorliegend hätten die Parteien die weltweite Gültigkeit der Abgrenzungsvereinbarung vorgesehen, so dass sich die Beschwerdeführerin verpflichtet habe, weltweit keine Widersprüche gegen die Wort-/Bildmarke der Beschwerdegegnerin gemäss Abgrenzungsvereinbarung zu erheben. Gestützt darauf könne die Beschwerdeführerin zum Rückzug der weltweiten Widersprüche verurteilt werden.
5.3.1 Anti-suit injunctions sind Prozessführungsverbote, mit denen das Gericht, das sich zur Entscheidung einer internationalen Streitigkeit als zuständig ansieht, einer Partei eines bei ihm anhängigen Verfahrens untersagt, eine Klage vor einem anderen (ausländischen) Gericht zu erheben, dessen Zuständigkeit es als nicht gegeben oder zumindest weniger begründet als seine eigene betrachtet, oder ein dortiges Verfahren weiterzubetreiben (DOMENICO ACOCELLA, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ] zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Kommentar, Anton K. Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 29 zu Vorbem. Art. 2 LugÜ; FAVALLI/AUGSBURGER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 50 zu Art. 31 LugÜ; YVES DERAINS, L'abus des "anti-suit injunctions" en matière d'arbitrage international et la convention de New York, in: De lege ferenda, Études pour le Professeur Alain Hirsch, 2004, S. 105 f.; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international, 2. Aufl. 2010, Rz. 457a; EMMANUEL GAILLARD, Introduction, in: Anti-suit injunctions in international arbitration, New York 2005, S. 1; OLIVIER LUC MOSIMANN, Anti-suit injunctions in international commercial arbitration, Den Haag 2010, S. 7). Es geht dabei um Klagen mit einem identischen oder konnexen Verfahrensgegenstand bzw. um "Parallelverfahren" (FAVALLI/AUGSBURGER, a.a.O., N. 50 zu Art. 31 LugÜ; SCHNYDER/LIATOWITSCH, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2011, Rz. 328; MANUEL LIATOWITSCH,

BGE 138 III 304 (312):

Schweizerische Schiedsgerichte und Parallelverfahren vor Staatsgerichten im In- und Ausland, 2002, S. 146; LIATOWITSCH/BERNET, Probleme bei parallelen Verfahren vor staatlichen Gerichten und vor Schiedsgerichten, in: Internationales Zivilprozess- und Verfahrensrecht, Bd. IV, Karl Spühler [Hrsg.], 2005, S. 162). Entsprechende Prozessführungsverbote sind dem Zuständigkeitsrecht und damit dem Prozessrecht zuzuordnen; sie bilden eine Erscheinungsform des Kampfes um den (vorteilhaften) Gerichtsstand (MARCO STACHER, Prozessführungsverbote zur Vermeidung von sich widersprechenden Entscheiden, ZZZ 2006 S. 61 ff., 62 Rz. 4; MICHAEL KÄHR, Der Kampf um den Gerichtsstand - Forum Shopping im internationalen Verfahrensrecht der Schweiz, 2010, S. 11; LIATOWITSCH, a.a.O., S. 147 spricht von einer "prozessualen Offensivwaffe"; ebenso LIATOWITSCH/BERNET, a.a.O., S. 162; vgl. dazu auch ACOCELLA, a.a.O., N. 29 ff., 36 zu Vorbem. Art. 2 LugÜ; BERGER/KELLERHALS, International and domestic arbitration in Switzerland, 2. Aufl. 2010, Rz. 616 f.; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, a.a.O., Rz. 457a). Insbesondere Gerichte aus dem angelsächsischen Raum erlassen anti-suit injunctions denn auch, um ein missbräuchliches forum-shopping zu verhindern. Als Anwendungsfälle zu nennen sind insbesondere die drohende oder bereits eingeleitete missbräuchliche Prozessführung vor ausländischen Gerichten oder die drohende oder bereits erfolgte Verletzung von Gerichtstands- und Schiedsvereinbarungen oder in einem Vergleich geschlossenen Vereinbarungen, über den verglichenen Streitgegenstand nicht mehr zu prozessieren; weitere Fallgruppen bilden Konstellationen, in denen mehrere alternative Gerichtsstände zur Verfügung stehen oder das Prozessieren im Ausland als grob unbillig empfunden wird (GION JEGHER, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse, 2003, S. 93 ff.; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, a.a.O., Rz. 457a/b; LIATOWITSCH, a.a.O., S. 147; LIATOWITSCH/BERNET, a.a.O., S. 163).
Anti-suit injunctions bzw. Prozessführungsverbote wurden vom EuGH in einer Vorabentscheidung aus dem Jahre 2004 als mit dem Brüsseler Übereinkommen (Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; EuGVÜ) im Widerspruch stehend und damit unzulässig beurteilt, und zwar selbst für den Fall, dass die Partei, gegen die das Prozessführungsverbot ausgesprochen wird, mit der Prozesseinleitung beim anderen Gericht wider Treu und Glauben zu dem Zweck handelt, das bereits anhängige Verfahren zu behindern (Urteil des EuGH vom

BGE 138 III 304 (313):

27. April 2004 C-159/02 Turner c. Grovit, Slg. 2004 I-03565; vgl. dazu ACOCELLA, a.a.O., N. 30 ff. zu Vorbem. Art. 2 LugÜ; STACHER, a.a.O., S. 69 f.; kritisch: FAVALLI/AUGSBURGER, a.a.O., N. 54 f. zu Art. 31 LugÜ sowie BERNHARD BERGER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 58 zu Art. 23 LugÜ; s. ferner LAURENT KILLIAS, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Kommentar, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 155 zu Art. 23 LugÜ).Der Gerichtshof erwog dazu, es sei wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Vertragsstaaten, dass im Anwendungsbereich des Übereinkommens dessen Zuständigkeitsregeln, die allen Gerichten der Vertragsstaaten gemeinsam seien, von jedem dieser Gerichte mit gleicher Sachkenntnis ausgelegt und angewandt werden könnten. Das Übereinkommen gestatte - von begrenzten Ausnahmen abgesehen - die Prüfung der Zuständigkeit eines Gerichts durch das Gericht eines anderen Vertragsstaats nicht. Das von einem Gericht an eine Partei gerichtete Verbot, eine Klage bei einem ausländischen Gericht zu erheben oder ein dortiges Verfahren weiterzubetreiben, beeinträchtige dessen Zuständigkeit für die Entscheidung des Rechtsstreits (Ziffer 24 ff. des zit. Entscheids).
Diese Rechtsprechung ist grundsätzlich auch von den schweizerischen Gerichten zu beachten, soweit im LugÜ geregelte Zuständigkeiten im Raum stehen (BGE 135 III 185 E. 3.2; BGE 129 III 626 E. 5.2.1; je mit Hinweisen; zweifelnd: FAVALLI/AUGSBURGER, a.a.O., N. 55 zu Art. 31 LugÜ). Zur Zulässigkeit des Erlasses von Prozessführungsverboten durch Schweizer Gerichte ausserhalb des Anwendungsbereichs des LugÜ hat sich das Bundesgericht noch nie geäussert.
Die schweizerische Lehre steht einer solchen wohl überwiegend ablehnend gegenüber, da zivilrechtlichen und staatsrechtlichen Prinzipien widersprechend (SCHNYDER/LIATOWITSCH, a.a.O., Rz. 328; BERGER/KELLERHALS, a.a.O., Rz. 616; JEGHER, a.a.O., S. 103; STACHER, a.a.O., S. 77 f., inbesondere Rz. 56; differenzierend aber: OLIVIER LUC MOSIMANN, anti-suit injunctions in international arbitration, Den Haag 2010, S. 40 ff.; ANDREAS BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé - Convention de Lugano, 2011, N. 5 zu Art. 183 IPRG; vgl. auch das Urteil des Tribunal de première instance des Kantons Genf vom 2. Mai 2004 E. C, in: Bulletin ASA 2005 S. 728 ff., in dem eine anti-suit injunction als mit der schweizerischen Rechtsordnung im Widerspruch stehend beurteilt wurde). Es wird

BGE 138 III 304 (314):

namentlich argumentiert, Prozessführungsverbote seien überflüssig, um dem Problem widersprechender Entscheide beizukommen. Die Grundsätze über die Litispendenz und die res iudicata sowie die Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen reichten dazu aus, so dass es an einem Rechtsschutzinteresse für die Anordnung von Prozessführungsverboten fehle, die dem Prinzip der Kompetenz-Kompetenz widersprächen; solche Massnahmen seien unter dem Gesichtspunkt der internationalen Rücksichtnahme (comity) problematisch und beinhalteten überdies ein Eskalationspotential. Es bestehe die Gefahr, dass das Zielgericht in der Folge seinerseits ein Wider-Prozessführungsverbot (anti-anti-suit injunction) ausspreche, womit den Parteien der Zugang zu beiden angerufenen Gerichten abgeschnitten würde, mit der Folge, dass nicht nur keine widersprechenden Urteile gesprochen würden, sondern gar keine (STACHER, a.a.O., S. 74 ff. insb. Rz. 42, 51, 57; JEGHER, a.a.O., S. 103; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, a.a.O., Rz. 458b; SCHYDER/LIATOWITSCH, a.a.O., Rz. 328).
Es liegt vorliegend namentlich kein Fall vor, in dem sich für einen bestimmten Streitgegenstand die Frage stellte, welches Gericht dafür die Zuständigkeit beanspruchen könne, oder in dem eine missbräuchliche Klageerhebung im Raum stand. Namentlich war und ist unumstritten, dass die Vorinstanz - gemäss der in der Abgrenzungsvereinbarung enthaltenen und nach dem vorliegend anwendbaren Art. 17 aLugÜ gültigen Gerichtsstandsklausel - ausschliesslich zur Beurteilung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Abgrenzungsvereinbarung zuständig ist; es geht mit den ausgesprochenen Befehlen bzw. Verboten nicht darum, den Gerichtsstand bei der Vorinstanz abzusichern. Selbstredend geht es ebenso wenig um die Bestimmung von Zuständigkeiten für allfällige Widerspruchsverfahren.
In der Abgrenzungsvereinbarung stimmte die Beschwerdeführerin dem weltweiten Gebrauch und weltweiten Registrierungen der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" in der Form gemäss Abgrenzungsvereinbarung durch die Beschwerdegegnerin zu. Sie ging mit anderen

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Worten, wie auch die Vorinstanz unwidersprochen festhielt, die Verpflichtung ein, den Gebrauch und Registrierungen der Marke in der erwähnten Form zu dulden bzw. nicht zu behindern, d.h. alles zu unterlassen, was ihren Gebrauch und ihre Registrierung beeinträchtigen könnte, namentlich keine Einsprachen gegen Registrierungen zu erheben. Damit ging die Beschwerdeführerin eine vertragliche, dem materiellen Recht zuzuordnende Duldungs- bzw. Unterlassungsverpflichtung ein und schloss nicht eine prozessrechtliche Vereinbarung ab, über einen bestimmten Streitgegenstand, namentlich eine individuell bestimmte Markeneintragung in einem bestimmten Land keinen Prozess oder nur einen Prozess an einem bestimmten Ort einzuleiten. Es geht nicht um die Regelung der Zuständigkeit zur Beurteilung eines konkreten Markeneintragungsgesuchs, sondern um die generelle Verpflichtung der Beschwerdeführerin, jeglichen zukünftigen Markeneintragungsgesuchen in beliebigen Ländern, die je für sich einen eigenen Streitgegenstand bilden könnten, nicht zu opponieren, mithin um eine Unterlassungsverpflichtung, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist (vgl. dazu CHRISTIAN KÖLZ, Die Zwangsvollstreckung von Unterlassungspflichten im schweizerischen Zivilprozessrecht, 2007, S. 11 Rz. 16; LUCAS DAVID, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, [nachfolgend: MSchG] 1999, N. 53 zu Art. 3 MSchG). Damit liegt namentlich auch nicht die in der Literatur als Anwendungsfall von anti-suit injunctions genannte Konstellation vor, in der es um die Durchsetzung einer in einem Vergleich geschlossenen Vereinbarung ginge, über den bestimmten, verglichenen Streitgegenstand nicht mehr zu prozessieren (JEGHER, a.a.O., S. 93).
Daran ändert nichts, dass die Abgrenzungsvereinbarung aus Anlass eines von der Beschwerdeführerin angestrengten Widerspruchsverfahrens abgeschlossen wurde, geht sie doch in ihrem Gehalt weit über die vergleichsweise Einigung über den konkreten Streitgegenstand bzw. den vereinbarten Rückzug des entsprechenden Widerspruchs hinaus. Die Beschwerdeführerin verzichtete damit generell, nicht bloss in einem bestimmten Verfahren, auf die Geltendmachung ihrer Prioritätsrechte gegenüber der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" gemäss Abgrenzungsvereinbarung. Überdies ist davon auszugehen, dass im Rahmen von inländischen und wohl auch von ausländischen Widerspruchsverfahren nur markenrechtliche, nicht aber vertragsrechtliche Ansprüche beurteilt werden können, wie sie vorliegend strittig sind, mithin zur Durchsetzung von vertraglichen Ansprüchen

BGE 138 III 304 (316):

ausschliesslich der Zivilprozess in Frage kommt (DAVID, a.a.O., N. 53 zu Art. 3 und N. 5 zu Art. 31 MSchG; CHRISTOPH WILLI, MSchG, Kommentar, 2002, N. 15 zu Art. 31 MSchG; GREGOR WILD, in: Markenschutzgesetz, Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2009, N. 9 zu Art. 31 MSchG; vgl. auch BUTZ/GORDON, Die Übertragung von Abwehrbefugnissen als wirksameres Sicherungsmittel im Rahmen einer markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarung?, sic! 2003 S. 485 ff., 489; für Widerspruchsverfahren nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung beim Harmonisierungsamt: HARTE-BAVENDAMM/VON BOMHARD, Abgrenzungsvereinbarungen und Gemeinschaftsmarken, GRUR 1998 S. 530 ff., 537 f.), für den die Parteien vorliegend den Gerichtsstand in Bern vereinbart haben. Eine Qualifikation der von der Vorinstanz an diesem Gerichtsstand erlassenen Anordnungen als (unzulässige) anti-suit injunctions würde demnach dazu führen, dass die Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit Widerspruchsverfahren jeglichen Mittels zur Durchsetzung ihrer Ansprüche aus der Abgrenzungsvereinbarung beraubt würde.
5.4 Die Vorinstanz ist unbestrittenermassen international zuständig, über Ansprüche aus der Abgrenzungsvereinbarung, der die Parteien weltweite Geltung verliehen haben, zu entscheiden. Damit steht ihr nach einem allgemeinen Grundsatz des Bundesprivatrechts auch zu, Befehle und Verbote zu erlassen, die zur grenzüberschreitenden Durchsetzung von als zu Recht bestehend erkannten Unterlassungsansprüchen erforderlich sind, und für den Fall der Nichtbeachtung derselben strafrechtliche Sanktionen anzudrohen (vgl. dazu KÖLZ, a.a.O., S. 12 Rz. 16, S. 122 Rz. 142; vgl. ferner DAVID, a.a.O., N. 5 zu Art. 31 MSchG und HARTE-BAVENDAMM/VON BOMHARD, a.a.O., S. 538, wo von der Zulässigkeit einer entsprechenden Leistungsklage ausgegangen wird), soweit Letzteres in der anwendbaren Prozessordnung vorgesehen ist, was vorliegend nicht bestritten ist (vgl. dazu nunmehr Art. 236 Abs. 2, Art. 337 Abs. 1 und Art. 343 Abs. 1 lit. a der Schweizerischen ZPO [SR 272]). Würde dies verneint, drohte der Unterlassungsanspruch seines Inhalts entleert zu werden und müsste sich die Beschwerdegegnerin auf die Geltendmachung ihrer vertraglichen Rechte in unzähligen Verfahren in verschiedenen Ländern (soweit überhaupt zulässig [vgl. vorstehende E. 5.3.2 in fine]), und allenfalls auf die Erhebung von Schadenersatzansprüchen wegen Vertragsverletzung beschränken.
Der Vorinstanz ist damit weder ein Verstoss gegen Bundesrecht noch gegen Staatsvertragsrecht vorzuwerfen, weil sie auf die Rechtsbegehren Ziffern 3 und 4 eintrat. Die Rüge ist unbegründet.


BGE 138 III 304 (317):

6. Mit dem streitbetroffenen Vertrag verpflichtete sich die Beschwerdegegnerin u.a., ihre Marke "Ice-Watch" nur in bestimmter Form bzw. grafischer Ausgestaltung, d.h. mittels Darstellung der Worte "Ice" und "Watch" auf zwei separaten Zeilen, in Registern eintragen zu lassen (Ziff. 5) und abgesehen von im Einzelnen umschriebenen Ausnahmen in entsprechender Form bzw. Ausgestaltung zu benutzen (Ziff. 4 und 8). Daraufhin gab die Beschwerdeführerin ihre Zustimmung zum entsprechenden Gebrauch und entsprechenden Registrierungen der Wort-/Bildmarke "Ice-Watch" (Ziff. 6). Es ist unbestritten und zutreffend, dass die Parteien damit eine sog. Abgrenzungsvereinbarung getroffen haben, mit der typischerweise der Inhaber der älteren Marke auf eine vollumfängliche Durchsetzung seines Ausschliesslichkeitsanspruchs verzichtet und der Inhaber der jüngeren Marke ihm im Gegenzug garantiert, dass er dieselbe nie ausserhalb des vereinbarten Einsatzbereichs bzw. ausschliesslich auf die vereinbarte Art und Weise verwenden wird, regelmässig verbunden mit der Zusicherung, gestützt auf das jüngere Zeichen keine Abwandlungen oder Neuanmeldungen der älteren Marke anzugreifen (sog. Vorrechtserklärung; vgl. Ziffer 3 der vorliegend strittigen Vereinbarung). Ausgangssituation für eine solche Vereinbarung ist ein rechtlicher Konflikt zwischen markenrechtlichen Schutz beanspruchenden Kennzeichen, die identisch oder zumindest verwechslungsfähig sind (vgl. Art. 3 Abs. 1 MSchG [SR 232.11]). Die Parteien grenzen damit die Einsatzbereiche ihrer Marken ab und verpflichten sich regelmässig, die Marke des Vertragspartners in deren vertraglich festgelegtem Einsatzbereich nicht zu behindern. Damit ist regelmässig beiden Parteien gedient. Der Inhaber des jüngeren Zeichens kann sein Zeichen zumindest wie vereinbart benützen, während der Inhaber der älteren Marke den Kernbereich seines Zeichens frei halten kann, ohne sich in eine vielleicht unsichere Auseinandersetzung einlassen zu müssen. Es handelt sich bei solchen Verträgen um synallagmatische Innominatkontrakte, die durch eine stark vergleichs- und verzichtsähnliche Struktur charakterisiert sind. Sie sind auf eine endgültige und dauerhafte Beilegung eines bestehenden oder zumindest nicht auszuschliessenden Konflikts ausgerichtet und müssen, um diesen Zweck zu erfüllen, grundsätzlich unkündbar sein; nur so kann das Wiederaufflammen des Konflikts verhindert werden (EUGEN MARBACH, Markenrecht, SIWR Bd. III/1, 2. Aufl. 2009, Rz. 714 ff. mit Hinweis auf ein Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Juni 1980, in: SMI 1980 S. 139 ff., 150;

BGE 138 III 304 (318):

GALLUS JOLLER, in: Markenschutzgesetz, Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2009, N. 358 ff. zu Art. 3 MSchG; YVAN CHERPILLOD, Le droit suisse des marques [nachfolgend: Droit], 2007, S. 142; LUCAS DAVID, Lexikon des Immaterialgüterrechts [nachfolgend: Lexikon], SIWR Bd. I/3, 2005, S. 2 f.; WILLI, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 55 MSchG; CLAUDIA MARADAN, Les accords de coexistence en matière de marques, 1994, S. 46 ff.; HANS NEUBAUER, Markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung aus rechtsvergleichender Sicht, Berlin 1983, S. 7 ff., 75 ff.; BUTZ/GORDON, a.a.O., S. 486; KARL-HEINZ FEZER, Markenrecht, 4. Aufl., München 2009, N. 1088 ff. zu § 14 MarkenG).
Die Zulässigkeit von Abgrenzungsvereinbarungen unter dem geltenden MSchG vom 28. August 1992 wird in der schweizerischen Lehre einhellig bejaht, namentlich auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 27 ZGB (s. die vorstehend zitierten Autoren; vgl. aber BGE 99 II 104 E. 5d S. 114, der unter dem nicht mehr geltenden Bundesgesetz vom 26. September 1890 betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, der Herkunftsbezeichnungen von Waren und der gewerblichen Auszeichnungen [aMSchG] erging; vgl. auch JOLLER, a.a.O., N. 362 zu Art. 3 MSchG, DAVID, Lexikon, a.a.O., S. 3 und CHERPILLOD, Droit, a.a.O., S. 143 f., die darauf hinweisen, dass Abgrenzungsvereinbarungen wettbewerbsrechtlich problematisch sein können).
Mit einer Abgrenzungsvereinbarung werden nach dem Ausgeführten im Wesentlichen dauernde Unterlassungspflichten statuiert, die sich immerhin im Bereich des Inhabers des jüngeren Zeichens insoweit als Pflicht zu einem Tun auswirken, als dieser innerhalb seiner Organisation dauerhaft zu überwachen hat, dass der Gebrauch seiner Marke sich innerhalb der Grenzen der Vereinbarung hält. Vorliegend kann offenbleiben, ob es sich dabei um ein eigentliches Dauerschuldverhältnis handelt, in dem sich die typische Hauptleistungspflicht des Vertrags als Dauerschuld qualifiziert (BGE 128 III 428 E. 3b S. 430), die ein fortdauerndes oder wiederholtes Leistungsverhalten verlangt, solange die Schuld besteht (4A_141/2007 vom 20. August 2007 E. 4.1; PETER GAUCH, System der Beendigung von Dauerverträgen [nachfolgend: Beendigung], 1968, S. 5 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 2008, Nr. 94 und 263; vgl. auch IVAN CHERPILLOD, La fin des contrats de durée [nachfolgend: Contrats], 1988, S. 11 ff.), oder bloss um ein Schuldverhältnis, das wie ein Dauerschuldverhältnis wirkt, wie die Vorinstanz mit Hinweis auf CHERPILLOD

BGE 138 III 304 (319):

(Droit, a.a.O., S. 142) und MARADAN (a.a.O., S. 59 ff.) angenommen hat. Die Vorinstanz hat jedenfalls zutreffend erkannt und es ist unbestritten, dass auf einen entsprechenden Vertrag mit dauerhafter Wirkung die allgemeinen Regeln über die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen anzuwenden sind (vgl. dazu CHERPILLOD, Contrats, a.a.O., S. 13 Rz. 6), mithin auch die Regeln über die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund (vgl. dazu MARADAN, a.a.O., S. 139 ff.; CHERPILLOD, Droit, a.a.O., S. 143; NEUBAUER, a.a.O., S. 209 Fn. 1000 m.H. auf Handelsgericht des Kantons Zürich, a.a.O., in: SMI 1980 S. 149).
7. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse von einer Partei bei Vorliegen von wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar machen, vorzeitig gekündigt werden können (BGE 128 III 428 E. 3 S. 429 f.; BGE 122 III 262 E. 2a/aa S. 265 f.). Ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Bindung an den Vertrag für die Partei wegen veränderter Umstände ganz allgemein unzumutbar geworden ist, also nicht nur unter wirtschaftlichen, sondern auch unter anderen die Persönlichkeit berührenden Gesichtspunkten (BGE 128 III 428 E. 3c S. 432). Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, nach dem einer Partei eine Weiterführung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann, besteht ohne weiteres ein Recht dieser Partei auf eine sofortige Auflösung eines Dauervertrages. Es muss ihr unter dieser Voraussetzung möglich sein, sich vom Vertrag zu lösen (Urteil 4A_148/2011 vom 8. September 2011 E. 4.3.1). Bei besonders schweren Vertragsverletzungen ist ein wichtiger Grund regelmässig zu bejahen. Auch weniger gravierende Vertragsverletzungen können aber eine Fortsetzung des Vertrags für die Gegenpartei unzumutbar machen, wenn sie trotz Verwarnung oder Abmahnung immer wieder vorgekommen sind, so dass nicht zu erwarten ist, weitere Verwarnungen würden den Vertragspartner von neuen Vertragsverletzungen abhalten (vgl. z.B. BGE 127 III 153 E. 1a S. 155; BGE 117 II 560 E. 3b S. 562).
Im vorliegenden Fall ist der strittigen Kündigung keine Verwarnung vorangegangen, so dass nur zu prüfen ist, ob der von der Vorinstanz festgestellte Gebrauch des Zeichens "ice-watch" durch die Beschwerdegegnerin bis zur Kündigung, soweit er der Abgrenzungsvereinbarung widerspricht, so schwer wiegt, dass der Beschwerdeführerin die Weiterführung des Vertrags objektiv nicht mehr zumutbar war und sie zur Vertragsbeendigung mit sofortiger Wirkung berechtigt war.


BGE 138 III 304 (320):

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz, welche die Beschwerdeführerin zu Recht rügt, darf das Recht auf Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht von der weiteren Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass die kündigende Partei zuvor eine Frist zur Behebung des vertragswidrigen Zustands bzw. zur Vertragserfüllung im Sinne von Art. 107 OR ansetzt. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes besteht die Möglichkeit zu einer sofortigen Vertragsauflösung vielmehr unabhängig von einem - im vorliegenden Fall nicht erfolgten - Vorgehen nach Art. 107 ff. OR, und nicht bloss als subsidiäre Möglichkeit, wie die Vorinstanz zu Unrecht angenommen hat (BGE 92 II 299 E. 3b S. 300; Urteil 4C.35/1988 vom 11. April 1989 E. 3, nicht publ. in: BGE 115 II 1; MARIE-NOËLLE VENTURI-ZEN-RUFFINEN, La résiliation pour justes motifs des contrats de durée, 2007, S. 85 Rz. 243 mit Hinweisen; GAUCH, Beendigung, a.a.O., S. 150, 195 f.; CHERPILLOD, Contrats, S. 140 Rz. 269 f.).
Allerdings trifft es nicht zu, dass die Vorinstanz aufgrund ihrer unzutreffenden Annahme, es wäre ein Vorgehen nach Art. 107 ff. OR erforderlich gewesen, überhöhte Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestellt hätte, wie die Beschwerdeführerin weiter geltend macht. So prüfte die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid selbständig, ob die von ihr (zu Recht) für eine sofortige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund aufgestellte (erste) Voraussetzung gegeben sei, d.h. ob Vertragsverletzungen vorliegen, die so schwerwiegend sind, dass der Beschwerdeführerin eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar ist, und die mithin eine Auflösung aus wichtigem Grund (ohne vorherige Abmahnung bzw. Fristansetzung zur Vertragserfüllung) rechtfertigen. Dies verneinte sie nach eingehender Würdigung der zu berücksichtigenden Vertragsverletzungen. Allein gestützt darauf durfte sie die Wirksamkeit der strittigen Kündigung verneinen, vorausgesetzt, ihre Würdigung sei bundesrechtskonform, was nachfolgend zu prüfen ist.
(...)
Zunächst kann eine unwirksame ausserordentliche Kündigung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht in eine ordentliche Kündigung konvertiert werden, es sei denn, die Kündigung sei bloss irrtümlich als ausserordentliche Kündigung bezeichnet worden (Art. 18 OR), was hier indessen nicht geltend gemacht wird (vgl. BGE 135 III 441 E. 3.1. S. 442 und E. 3.3 S. 444 f.).
Unabhängig davon ist eine Abgrenzungsvereinbarung, wie bereits dargelegt wurde (E. 6 vorne), ihrem Wesen nach unkündbar, andernfalls sie ihren Zweck einer endgültigen und dauernden Beilegung eines bestehenden oder zumindest nicht auszuschliessenden Konflikts nicht erreichen könnte. Dies entspricht der einhelligen Lehre und wird namentlich auch unter dem Gesichtswinkel einer übermässigen Bindung im Sinne von Art. 27 ZGB als unproblematisch betrachtet (vgl. WILLI, a.a.O., N. 16 zu Art. 55 MSchG; MARBACH, a.a.O., Rz. 717; JOLLER, a.a.O., N. 361 zu Art. 3 MSchG; CHERPILLOD, Droit, a.a.O., S. 143; MARADAN, a.a.O., S. 124; vgl. auch Handelsgericht des Kantons Zürich, in: SMI 1980 S. 150). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gilt die Unkündbarkeit dabei umfassend und beschränkt sich nicht bloss auf den Teil des Vertrags, mit dem ein bereits entstandener Kennzeichenkonflikt beigelegt wird. Dem steht der Vergleichscharakter einer Abgrenzungsvereinbarung nicht entgegen, kann ein Vergleich doch nicht nur einen bestehenden oder unmittelbar bevorstehenden Konflikt beilegen, sondern auch dazu dienen, eine Ungewissheit über ein bestehendes Rechtsverhältnis durch gegenseitige Zugeständnisse vertraglich zu beseitigen (BGE 95 II 419 E. 2b S. 423 f.; SCHLUEP, Innominatverträge, in: SPR Bd. VII/2, 1979, S. 945). Auch geht die Beschwerdeführerin fehl, wenn sie den Teil einer Abgrenzungsvereinbarung, mit dem über eine bestehende Streitigkeit hinaus der zukünftige Gebrauch des jüngeren Kennzeichens geregelt wird, als Lizenzvertrag qualifizieren will, in dem der Inhaber des älteren Zeichens dem Inhaber des jüngeren Zeichens ohne Gegenleistung die Befugnis einräume, dieses zu gebrauchen, und gestützt darauf die Regeln über die ordentliche Auflösung von Lizenzverträgen zur Anwendung gebracht sehen will. Eine Markenabgrenzungsvereinbarung unterscheidet sich grundlegend von einem Markenlizenzvertrag, indem im Rahmen einer solchen Vereinbarung jede Partei ihr eigenes Markenrecht behält und ihre eigene Marke führt. Ein Lizenzvertrag hat die

BGE 138 III 304 (322):

Befugnis zur Nutzung einer einzigen Marke, derjenigen des Lizenzgebers zum Gegenstand, während eine Abgrenzungsvereinbarung eine Verwechslungsgefahr und daraus erwachsende Konflikte zwischen zwei unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Markenrechten bannen bzw. beseitigen will; der Inhaber der älteren Marke räumt damit dem Inhaber der jüngeren Marke nicht das Recht ein, seine, die ältere Marke zu nutzen, sondern verpflichtet sich bloss, die jüngere Marke nicht gestützt auf sein Prioritätsrecht anzufechten, d.h. seine Abwehrrechte gegenüber dieser geltend zu machen (MARBACH, a.a.O., Rz. 716; DAVID, Lexikon, a.a.O., S. 208; MARADAN, a.a.O., S. 48 ff.; BUTZ/GORDON, a.a.O., S. 489; vgl. auch FEZER, a.a.O., N. 1090 zu § 14 MarkenG; NEUBAUER, a.a.O., S. 11 ff.). Wie bereits ausgeführt (E. 6.1), ist eine Markenabgrenzungsvereinbarung sodann ein synallagmatischer Vertrag, der regelmässig beiden Parteien dient. Auch dem Argument, die Beschwerdeführerin müsse sich vom Vertrag lösen können, da sie der Beschwerdegegnerin ohne Gegenleistung eine Befugnis eingeräumt habe, kann daher nicht gefolgt werden.