BGE 138 III 443 |
65. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Konkursamt Berner Jura-Seeland (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_741/2011 vom 13. Juni 2012 |
Regeste |
Art. 47 GebV SchKG; Entgelt der Konkursverwaltung für anspruchsvolle Verfahren. |
Sachverhalt |
A.a Am 14. Oktober 2008 wurde über X. auf eigenen Antrag (nach Art. 191 SchKG) vom Konkursrichter beim Gerichtskreis III Aarberg-Büren-Erlach der Konkurs eröffnet, welcher vom Konkursamt Seeland im summarischen Verfahren durchgeführt wird.
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A.b Mit Gesuch vom 7. Juni 2010 gelangte das Konkursamt an das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, und ersuchte gestützt auf Art. 47 GebV SchKG um die Bewilligung eines Entgeltes für ein anspruchsvolles Verfahren.
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A.c Mit Entscheid vom 15. Juni 2010 genehmigte die Aufsichtsbehörde das beantragte Entgelt von Fr. 6'000.-. Die hiergegen von X. erhobene Beschwerde in Zivilsachen wurde mit Urteil 5A_524/2010 des Bundesgerichts vom 9. Februar 2011 gutgeheissen; der angefochtene Entscheid wurde aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Aufsichtsbehörde zurückgewiesen. |
A.d Am 19. Juli 2010 gelangte X. an die Aufsichtsbehörde und beschwerte sich über die im Konkursprotokoll vom 2. Juni 2010 aufgeführten ordentlichen Konkurskosten im Umfang von Fr. 6'924.25. Die Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheid vom 5. Oktober 2011 ab (bundesgerichtliches Verfahren 5A_743/2011).
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B. Am 5. Oktober 2011 entschied die Aufsichtsbehörde (vgl. Lit. A.c) gestützt auf das ergänzte Gesuch des Konkursamtes vom 14. April 2011 und einer Stellungnahme der Schuldnerin erneut über die Bewilligung eines Entgeltes von Fr. 6'000.- nach Art. 47 GebV SchKG für ein anspruchsvolles Verfahren. Sie genehmigte das Gesuch des Konkursamtes.
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C. Mit Eingabe vom 24. Oktober 2011 (Postaufgabe) hat X. Beschwerde "nach Art. 19 SchKG" erhoben. Die Beschwerdeführerin verlangt im Wesentlichen, der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 5. Oktober 2011 und die Genehmigung des Entgeltes nach Art. 47 GebV SchKG seien aufzuheben. Weiter ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Die Aufsichtsbehörde und das Konkursamt haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es auf sie eintritt.
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Aus den Erwägungen: |
2.1 Welche Gebühren und Auslagen im Konkursverfahren im Einzelfall zu belasten sind und wie sie zu bemessen sind, bestimmt ausschliesslich der SchKG-Gebührentarif (Art. 16 Abs. 1 SchKG; Art. 1 Abs. 1 GebV SchKG). Mit Beschwerde in Zivilsachen kann die gesetzwidrige Anwendung der GebV SchKG gerügt werden; darunter fällt auch die gesetzwidrige Ermessensbetätigung durch die Zwangsvollstreckungsorgane bzw. Aufsichtsbehörden. |
2.2 Die Aufsichtsbehörde hat das Konkursverfahren als "anspruchsvoll" im Sinne von Art. 47 GebV SchKG betrachtet, weil das "häufige Einwirken der Schuldnerin, ihrer Mutter und ihres Ex-Mannes" einen Zeitaufwand verursacht habe, der über das Normalmass hinausgehe. Das "Misstrauen der Schuldnerin, ihrer Mutter und ihres Ex-Mannes" gegenüber dem Konkursamt, welches durch insgesamt 15 Beschwerden zum Ausdruck gekommen sei, habe das zügige und einfache Durchführen verhindert, insbesondere hätten die Vernehmlassungen an die Aufsichtsbehörde teilweise mehrere Stunden in Anspruch genommen. Zudem sei das Konkursamt veranlasst gewesen, "jeden Schritt seiner Tätigkeit besonders sorgfältig zu prüfen und zu kontrollieren". Der zeitlich umfangreiche Aufwand im Verfahren rechtfertige das Entgelt nach Art. 47 GebV SchKG. |
2.2.2 Vorliegend lassen sich dem angefochtenen Entscheid keine Anhaltspunkte entnehmen, wonach das umstrittene Konkursverfahren besondere Sach- oder Rechtskenntnisse erforderlich machen sollten. Die Aufsichtsbehörde sieht den Grund für ein anspruchsvolles Verfahren lediglich im Zeitaufwand, welcher die Interventionen der Schuldnerin und ihres Umfeldes dem Konkursamt verursacht haben. Ein Konkursverfahren wird indessen weder durch die blosse Anzahl der Verfahrensschritte noch den hierfür benötigten Zeitaufwand "anspruchsvoll" im Sinne von Art. 47 GebV SchKG (MARTIN, La surveillance en matière de poursuites et faillites [...], SJ 2008 II S. 190). Nichts anderes gilt für das Vorgehen des Konkursamtes, wegen "drohender Beschwerde" die Verfahrensschritte besonders sorgfältig zu prüfen und zu kontrollieren, oder für die grosse Anzahl von tatsächlich erhobenen SchKG-Beschwerden bzw. den damit verbundenen Aufwand für Vernehmlassungen. Indem die Aufsichtsbehörde dennoch darauf abgestellt hat, wird übergangen, dass für nicht besonders tarifierte Schriftstücke - wie eine Beschwerdevernehmlassung - Gebühren nach Art. 9 Abs. 1 lit. a GebV SchKG, d.h. Fr. 8.- pro Seite erhoben werden können; damit sind die Bemühungen für die Abfassung abgegolten (BGE 94 III 19 E. 4 S. 22; SCHOBER, a.a.O., N. 1 zu Art. 9 GebV SchKG; STRAESSLE/KRAUSKOPF, Erläuterungen zum Gebührentarif zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 7. Juli 1971, 1972, S. 14) und kommt die soziale Überlegung der GebV SchKG zum Ausdruck (vgl. BGE 108 III 68 E. 2 S. 69). Gebühren für nicht besonders tarifierte Schriftstücke stehen nach dem angefochtenen Entscheid jedoch nicht zur Beurteilung, ebenso wenig Gebühren für andere nicht tarifierte Verrichtungen nach Art. 1 Abs. 2 GebV SchKG. Wenn hier die Aufsichtsbehörde aufgrund ihrer Feststellungen - Zeitaufwand durch Interventionen bzw. Beschwerden der Schuldnerin - zum Ergebnis gelangt ist, das Verfahren sei "anspruchsvoll" im Sinne von Art. 47 GebV SchKG, ist dies sachlich nicht haltbar und stellt eine Rechtsverletzung dar. |
2.4 Schliesslich hat die Aufsichtsbehörde festgehalten, dass Fürsprecher Z. mit der Wahrung der rechtlichen Interessen der Konkursmasse beauftragt wurde. Zu Recht ist unbestritten, dass jener Aufwand nicht in die Kostenrechnung nach GebV SchKG gehört (BGE 58 III 38 E. 2 S. 42 f.; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 17 zu Art. 262 SchKG). Soweit die Beschwerdeführerin die Mandatierung des Rechtsvertreters kritisiert, wendet sie sich gegen eine Verwaltungshandlung des Konkursamtes (vgl. Art. 240 SchKG; RUSSENBERGER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 12 zu Art. 240 SchKG), was nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und nicht zu erörtern ist. Im Übrigen behauptet die Beschwerdeführerin selber nicht, dass in der Kostenrechnung des Konkursamtes die Honorarkosten des beigezogenen Rechtsanwaltes aufgeführt seien. |