BGE 81 IV 170 |
38. Urteil des Kassationshofes vom 30. März 1955 i. S. Heiber gegen Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. |
Regeste |
Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 1 MFG. |
Sachverhalt |
A. - Die von Trogen nach Speicher führende Strasse verläuft beim Restaurant Frohsinn im Bruggmoos in einer unübersichtlichen Rechtsbiegung längs einer auf deren inneren Seite stehenden kleinen Mauer. Wo diese beginnt, ist die Strasse unter Einrechnung des 1 m breiten Raumes, der von einem an ihrem äusseren (linken) Rande verlaufenden Bahngeleise beansprucht wird, 5,8 m breit. Innerhalb einer Strecke von 8 m erweitert sie sich auf 6,6 m. |
Am 7. Juli 1953 um 18.20 Uhr fuhr Hans Heiber von Trogen her am Steuer eines Personenwagens mit etwa 35-40 km/Std. in die Biegung ein. Das rechte Hinterrad war am Anfang der Mauer 1,25 m vom rechten Strassenrande entfernt. Auf der anschliessenden Strecke von 4 m vergrösserte sich der Abstand bis auf 1,6 m. Der Wagen ragte auf dieser Strecke etwa 0,4 m in die linke Hälfte des zwischen der Mauer und dem Geleise liegenden Raumes hinein, blieb dagegen etwa 0,1 m rechts der Mittellinie des ganzen (das Geleise mitumfassenden) Strassenkörpers. Auf einer Strecke von weiteren 2 m verkleinerte sich der Abstand vom rechten Strassenrand auf 1,5 m, und nochmals 2 m weiter vorn war der Wagen mit dem rechten Hinterrade noch 1,3 m von diesem Rande entfernt. Nachher lenkte Heiber noch weiter nach rechts und hielt an, denn sein Fahrzeug hatte innerhalb der ersten 8 m, vom Beginn der Mauer an gerechnet, mit der linken Flanke ein von Speicher her kommendes Motorrad gestreift und dessen Führer Willi Pfister sowie die mitfahrende Elfriede Pfister zu Boden geworfen und verletzt. Pfister war so stark links gefahren, weil die Strasse zwischen dem Bahngeleise und in dem daran angrenzenden Teil in schlechtem Zustande und daher holprig war.
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B.- Am 28. Juni 1954 verurteilte das Obergericht des Kantons Appenzell-A.Rh. Heiber wegen Übertretung des Art. 26 Abs. 1 MFG zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 80.-. Es warf ihm vor, er sei zu wenig rechts gefahren.
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Er macht geltend, der vom Bahngeleise beanspruchte Raum gehöre zur Strasse, da er von Motorfahrzeugen mitbenützt werden könne und nur beim Herannahen eines Zuges freizugeben sei. Dass er sich in schlechtem Zustande befunden habe, ändere nichts; die Führer von Fahrzeugen hätten ihn entsprechend sorgfältig zu befahren gehabt. Da der Beschwerdeführer sich rechts der Mitte der ganzen Strasse befunden habe, habe er Art. 26 MFG nicht übertreten. Er habe einen den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstand vom rechten Strassenrande einhalten müssen, weil ihm dort Fussgänger hätten begegnen können.
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D.- Die Justizdirektion des Kantons Appenzell-A.Rh. verzichtet auf Gegenbemerkungen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
Dass ihm ein solches Recht nicht unter allen Umständen zusteht, ergibt sich schon aus Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG, wonach beim Kreuzen ein angemessener Abstand einzuhalten ist. Das wäre nicht möglich, wenn jeder hart der Mittellinie der Strasse entlang fahren würde. Der Führer hat sein Fahrzeug von ihr angemessen fern zu halten, wo die Verhältnisse es gestatten. Insbesondere an unübersichtlichen Stellen, wo mit kreuzenden Fahrzeugen zu rechnen ist, die nicht von ferne wahrgenommen werden können, muss zum vornherein der zum Kreuzen notwendige Zwischenraum in der Mitte der Strasse frei gelassen werden. |
Aus dem Gebot der Rücksichtnahme auf andere Strassenbenützer und der Vermeidung von Verkehrsunfällen (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG) ergibt sich sodann, dass auch anderen Verhältnissen Rechnung zu tragen ist; die Vorschrift des Rechtsfahrens kann nicht einen Sinn haben, der sich mit diesem Gebote nicht vertrüge. Wenn der Verkehr auf der linken Hälfte der Strasse aus besonderen Gründen unmöglich oder ungebührlich erschwert ist, hat auch der auf der rechten Hälfte Verkehrende das Seine dazu beizutragen, um dem in entgegengesetzter Richtung Fahrenden den Verkehr zu erleichtern. Er hat so weit rechts zu fahren, als ihm angesichts der Verhältnisse auf der rechten Strassenhälfte (Übersichtlichkeit, Möglichkeit des Erscheinens von Fussgängern usw.) zugemutet werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er gewisse Gefahren, die starkes Rechtsfahren mit sich bringen könnten, durch Herabsetzen der Geschwindigkeit vermindern oder vermeiden kann. Er hat nicht unter allen Umständen Anspruch darauf, so schnell zu fahren, wie es möglich wäre, wenn die rechte Strassenhälfte nur von ihm, nicht teilweise auch von entgegenkommenden Fahrzeugen benützt werden dürfte.
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2. Der Beschwerdeführer ist zu wenig rechts gefahren. Schon das Gebot, beim Kreuzen einen angemessenen Abstand einzuhalten, erlaubte ihm nicht, sich der Mittellinie der Strasse in der unübersichtlichen Biegung bis auf 10 cm zu nähern, zu seiner Rechten dagegen 1,25 bis 1,6 m freizulassen. Zudem hätte er sich sagen sollen, dass die Führer entgegenkommender Fahrzeuge wegen der Möglichkeit des Erscheinens eines Zuges dazu neigen würden, das Geleise der Strassenbahn in dieser Biegung nicht zu befahren. Auch der schlechte Zustand der Strasse zwischen den Schienen und im angrenzenden Raume musste ihm nahe legen, mehr als die linke Hälfte der Strasse für den Gegenverkehr freizulassen. Wie das Obergericht verbindlich feststellt, war der Belag auf dem Bahnkörper so schlecht beschaffen, dass der Motorradfahrer gefährdet gewesen wäre, wenn er diesen Teil der Strasse befahren hätte. Damit ist freilich nicht gesagt, dass die Benützung des Bahnkörpers auch für Motorwagen Gefahren mit sich gebracht hätte. Dennoch musste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass auch solche ihn meiden würden. Es konnte ihm zugemutet werden, ihnen den Raum zur Durchfahrt neben dem Geleise freizulassen. Um Fussgänger, die sich allenfalls am rechten Strassenrand befinden konnten, nicht zu gefährden, hatte er die Geschwindigkeit herabzusetzen. Hätte er das getan, so wäre die Einhaltung eines Abstandes von weniger als 1 m vom rechten Strassenrande durchaus angängig gewesen. |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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