BGE 84 IV 65
 
21. Urteil des Kassationshofes vom 16. April 1958 i.S. Spuler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
 
Regeste
Art. 5 MFV.
Wann steht der Transport landwirtschaftlicher Produkte nicht mehr im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung eines Landwirtschaftsbetriebes?
 
Sachverhalt


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A.- Eduard Spuler betreibt in Endingen ein Handelsgeschäft mit Heu und Stroh, indem er bei den Landwirten des Surbtales Heu und Stroh aufkauft, es zu Ballen presst und weiter verkauft. Von Endingen werden die Ballen mit Motorfahrzeugen zum Bahnverlad nach den Stationen Klingnau-Döttingen und Niederweningen gebracht. Den

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Autotransport besorgte anfänglich die mit dem Sesa-Dienst beauftragte Firma Julius Meier AG in Baden. Im Jahre 1949 wurde vereinbart, dass fortan Eduard Spuler die Ballen selber zur Bahn bringe. Seither führte dessen Bruder Franz Spuler, von Beruf Landwirt, die Transporte mit einem Landwirtschaftstraktor mit Anhänger aus. Eduard Spuler bezog dafür von der Firma Julius Meier AG eine Entschädigung.
Anfangs 1957 wurde Franz Spuler polizeilich verzeigt, weil dessen Traktor nicht mit einem Fahrzeugausweis versehen und der Anhänger nicht mit einem Kontrollschild ausgerüstet war.
B.- Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte am 14. Februar 1958 Franz Spuler wegen fortgesetzter Übertretung des Art. 61 Abs. 3 MFG (Fahren ohne Fahrzeugausweis) zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 50.-. Von der Anklage der Übertretung des Art. 63 Abs. 3 MFG (Führen ohne Kontrollschild) sprach es den Beschuldigten frei, da nicht er selber, sondern sein Sohn den Traktor mit Anhänger geführt habe.
C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei auch von der Anschuldigung der Übertretung des Art. 61 Abs. 3 MFG freizusprechen.
 
Des Kassationshof zieht in Erwägung:
Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass sein Traktor immer zu Fahrten verwendet worden sei, die mit

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seinem Landwirtschaftsbetrieb in Zusammenhang gestanden seien, hält nicht stand. Ob dieser Zusammenhang wenigstens bei den Fahrten bestanden habe, die er für den Transport von Heu und Stroh vom Ort der produzierenden Landwirte nach Endingen ausführte, kann offen bleiben, und ebenso braucht die damit zusammenhängende Frage nicht entschieden zu werden, ob die Verwendung eines Traktors zur Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten für Rechnung Dritter gleich zu behandeln sei wie die Verwendung im eigenen Landwirtschaftsbetrieb (vgl. Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom 19. Januar 1934, wo die Frage abweichend von einer früheren Stellungnahme bejaht wird). Jedenfalls waren die auf Rechnung seines Bruders Eduard Spuler ausgeführten Transporte von Endingen zu den Bahnstationen Döttingen und Niederweningen ohne Fahrzeugausweis unzulässig. Dass diese Transporte keinen Gewinn abwarfen, wie der Beschwerdeführer behauptet, ist unerheblich; Art. 5 Abs. 1 MFG macht die Verpflichtung, für das Inverkehrbringen eines Motorfahrzeuges einen Ausweis einzuholen, nicht von der Rentabilität der mit dem Fahrzeug auszuführenden Fahrten abhängig. Unter Art. 5 MFV fallen die Fahrten nicht, weil sie dem Heu- und Strohhandel Eduard Spulers dienten, der nicht einen Landwirtschaftsbetrieb bewirtschaftet, sondern emen Gewerbebetrieb führt. An der Natur dieses Geschäftes ändert nichts, dass Heu und Stroh landwirtschaftliche Produkte sind und deren Verwertung zur Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe gehört. Mit dem Verkauf des Heus und Strohs durch die Landwirte an einen selbständigen Händler war die landwirtschaftliche Verwertung abgeschlossen, und das allenfalls noch bestehende Interesse der Landwirte am weiteren Absatz der verkauften Waren genügt nicht, um den in Art. 5 MFV geforderten Zusammenhang der Transporte mit der Bewirtschaftung ihrer Landwirtschaftsbetriebe zu begründen. Wäre das Interesse der Produzenten am Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse entscheidend,

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so könnte jeder Händler, der Waren solcher Art auf eigene Rechnung verarbeitet oder weiter verkauft, seine geschäftlichen Transporte mit einem Traktor besorgen, dessen Geschwindigkeit 20 km/Std nicht übersteigt, und damit die Beschaffung eines Fahrzeugausweises umgehen, eine Folge, die vernünftigerweise vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann.
Indem der Beschwerdeführer seinen Traktor ohne Fahrzeugausweis für Fahrten verwenden liess, für die ein solcher vorgeschrieben ist, hat er Art. 61 Abs. 3 MFG verletzt.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.