Die Beschwerdeführerin beruft sich zu Unrecht auf diese Rechtsprechung. Ein Zwang, an Sicherheitslinien die dem Gegenverkehr vorbehaltene Strassenseite zu beanspruchen, besteht nur, wenn dem Führer, der auf ein Hindernis stösst, nicht zugemutet werden kann, mit der Weiterfahrt auf der rechten Fahrbahn solange zuzuwarten, bis diese wieder frei ist. Er hat sich daher, bevor er die Sicherheitslinie überfährt, zu vergewissern, ob ein Grund vorliege, der das Abweichen vom Gebot des Rechtsfahrens zu rechtfertigen vermag. Das trifft z.B. zu, wenn die Weiterfahrt durch ein aufgestelltes Fahrzeug behindert wird, was voraussetzt, dass dessen Führer sich entfernt hat oder ausserhalb des Wagens einer Beschäftigung nachgeht, die voraussichtlich
BGE 86 IV 113 (115):
einige Minuten in Anspruch nimmt. Die Beschwerdeführerin hatte keine solchen Anhaltspunkte. Nach ihrer eigenen Darstellung hat sie den Lastenzug und hinter diesem den Lastwagen Schweizer anhalten gesehen, aber nicht festgestellt, dass einer dieser Führer sein Fahrzeug verliess. Sie war zugegebenermassen überhaupt nicht im Bild, was vorne vor sich ging und wie lange der Halt dauern werde. Abgesehen hievon bekümmerte sie sich auch nicht darum, obschon ihr möglich und zuzumuten gewesen wäre, zuerst abzuklären, weshalb die beiden Lastwagen anhielten, zum mindesten ein Warnsignal zu geben, um festzustellen, ob der Führer des Lastenzuges daraufhin seine Fahrt fortsetze oder durch ein Zeichen zum Vorfahren zu erkennen gebe, dass sein Halt länger andaure. Überholte somit die Beschwerdeführerin die Lastwagen ohne Rücksicht auf die Ursache und Dauer ihres Haltes, so bestand für sie kein zwingender Grund zum Überfahren der Sicherheitslinie, selbst wenn angenommen wird, sie habe vorher ein bis zwei Minuten hinter dem Lastwagen angehalten, was übrigens nicht eindeutig festgestellt und nach den Akten zweifelhaft ist. Die Übertretung von Art. 45 Abs. 2 MFV war unter den gegebenen Umständen nicht gerechtfertigt.