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Urteilskopf

91 IV 71


22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Juni 1965 i.S. Messmer gegen Justizdirektion des Kantons Appenzell A.-Rh.

Regeste

Art. 314 StGB. Ungetreue Amtsführung.
Ein Beamter, der nach Massgabe des kantonalen Beamtenrechts von sich aus Aufgaben übernimmt, die im öffentlichen Interesse liegen, hat dieses zu wahren.

Sachverhalt ab Seite 72

BGE 91 IV 71 S. 72

A.- Der Beschwerdeführer Rudolf Messmer war von 1946 bis 1964 Gemeindeschreiber von Heiden und als solcher Sekretär der amtlichen Inventur- und Teilungskommission. Am 24. Juni 1958 starb der in Heiden ansässige Arzt Dr. Ulrich Buff, in dessen Nachlass sich u.a. 11 Aktien des Elektrizitätswerkes Heiden befanden. Die Aktien wurden mit einem Schätzungswerte von je Fr. 620.-- in die Inventur aufgenommen. Messmer und der damalige, inzwischen verstorbene Gemeindehauptmann und Präsident der Inventur- und Teilungskommission Werner Tobler schlugen den Erben Buff vor, die erwähnten Aktien zu verkaufen. Dabei wies Messmer auf das Interesse der Gemeinde am Erwerb dieser Wertschriften hin. Die Erben erklärten sich mit dem Verkaufan die Gemeinde zum Stückpreis von Fr. 620.-- einverstanden und traten die Titel zu diesem Zwecke der Teilungsbehörde ab. Statt hierüber den Gemeinderat zu unterrichten, verfügten Tobler und Messmer persönlich über die Aktien. Tobler nahm deren fünf an sich, Messmer sechs, wobei sie den Erben für das Stück Fr. 620.-- vergüteten. Messmer bot hierauf seine sechs Stück dem Präsidenten des Elektrizitätswerkes, alt Regierungsrat Hermann Keller, zum Kaufe an. Der Genannte hatte Messmer wiederholt ersucht, ihn zu benachrichtigen, wenn sich die Möglichkeit ergebe, aus einer Erbschaft Aktien des Werkes zu kaufen. Messmer verkaufte ihm die sechs Aktien zum Preise von je Fr. 700.--; ausserdem erhielt er von Keller noch Fr. 100.-- für die Vermittlung.

B.- Das Kriminalgericht des Kantons Appenzell A.-Rh. verurteilte Messmer am 12. März 1964 wegen ungetreuer Amtsführung zu einem Monat Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug bei zwei Jahren Probezeit und zu einer Busse von Fr. 400.--.
Das Obergericht, bei dem Messmer Berufung einlegte, bestätigte am 26. Oktober 1964 das kriminalgerichtliche Urteil, mit dem Zusatz, dass die Busse nach Ablauf der nämlichen, zweijährigen Probezeit bedingt löschbar sei.
BGE 91 IV 71 S. 73

C.- Gegen dieses Urteil führt Messmer Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, die Sache sei zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
Die Justizdirektion des Kantons Appenzell A.-Rh. schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Nach Art. 314 StGB werden wegen ungetreuer Amtsführung Mitglieder einer Behörde oder Beamte bestraft, die bei einem Rechtsgeschäft die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.
Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst, dass ein Rechtsgeschäft im Sinne der genannten Bestimmung vorliege, bei dem er öffentliche Interessen zu wahren gehabt hätte. Als Mitglied der Erbteilungskommission habe er nur die Interessen der Erben, mithin private Interessen zu vertreten gehabt. Die Einwendung ist nicht stichhaltig. Wie die Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem Kriminalgericht feststellt, kann der Gemeindeschreiber bei der Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit von sich aus weitere Aufgaben übernehmen, die im öffentlichen Interesse liegen. Er handle alsdann nicht als privater Beauftragter, sondern als Beamter. Das ist Auslegung kantonalen Beamtenrechts, die sich gemäss Art. 269 Abs. 1 und Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP der Überprüfung durch den Kassationshof entzieht. Irgend eine Vorschrift eidgenössischen Rechts ist nicht verletzt.
Ein Rechtsgeschäft der geschilderten Art hat der Beschwerdeführer getätigt, indem er die Aktien zum Verkauf an die Gemeinde entgegennahm. Wohl hat er einerseits den Auftrag von Privatpersonen erhalten. Er ist dabei jedoch nicht als irgend ein Vermittler, sondern als Vertreter der Gemeinde aufgetreten und als solcher auch angesprochen worden. Ob er anderseits von der Gemeinde zum Erwerb der Aktien ausdrücklich beauftragt war, ist nicht zu untersuchen. Sollte es nicht der Fall gewesen sein, so entsprach seine Stellung derjenigen eines Geschäftsführers ohne Auftrag, der ebenfalls das Interesse dessen zu wahren hat, für den er handelt (vgl. Art. 419 ff. OR). So gesehen konnte die Vorinstanz, ohne Bundesrecht zu verletzen, davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe sich auf ein
BGE 91 IV 71 S. 74
Rechtsgeschäft eingelassen, bei dem er ein öffentliches Interesse wahrzunehmen hatte, nämlich dasjenige, das er den Erben gegenüber selber angegeben hatte.
Mit der Verneinung dieses Tatbestandsmerkmales wäre dem Beschwerdeführer übrigens nicht geholfen. Denn auf Grund des verbleibenden Sachverhaltes hätte er, wenn nicht Art. 314 StGB zur Anwendung käme, eine Verurteilung nach Art. 140 Ziff. 2 StGB (Veruntreuung, begangen durch einen Beamten) zu gewärtigen, die keine mildere Bestrafung rechtfertigen würde.

2. (Schädigung der öffentlichen Interessen gegeben, da der Gemeinde an Rechten und wirtschaftlichem Mehrwert entgangen ist, was ihr beim vorgesehenen Erwerb der Aktien zugekommen wäre. Verbindlichkeit tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz. Ausschluss neuer Behauptungen im Nichtigkeitsverfahren.)

3. (Bejahung der Unrechtmässigkeit des erlangten Vorteils, da der Beschwerdeführer auftragswidrig und in Verletzung seiner Beamtenpflicht gehandelt hat. Rechtsirrtum verneint.)

Inhalt

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Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3

Referenzen

Artikel: Art. 314 StGB, Art. 269 Abs. 1 und Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP, Art. 419 ff. OR, Art. 140 Ziff. 2 StGB