91 IV 102
Urteilskopf
91 IV 102
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Mai 1965 i.S. Baur gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste
Art. 1 Abs. 1 A O.
Auch eine erst während der öffentlichen Veranstaltung bekannt gegebene Sondervergünstigung ist öffentlich angekündigt worden.
Es genügt, dass der vorübergehend in Aussicht gestellte Rabatt bedeutend genug ist, um die Kauflust des Publikums zu steigern.
A.- Baur liess in den Briefkästen der Stadt Luzern ein Flugblatt verteilen, worin die Erwachsenen auf den Abend des 23. September 1964, 20 Uhr, in den Saal des Hotels Union in Luzern zu einer "Grossen Werbeveranstaltung" für die "Sensation des Jahres" eingeladen wurden. Das Flugblatt versprach jedem Besucher die Gratisabgabe eines Photoapparates, den anwesenden Ehepaaren überdies ein Geschenk im Wert von Fr. 12.50. Es sicherte ferner jedem Anwesenden zu, dass er gratis an der Verlosung von Vorzugslosen teilnehme, mit denen ein Bauplatz im Tessin im Wert von Fr. 15'000.-- gewonnen werden könne.
An der Veranstaltung selber, die Baur ohne behördliche Bewilligung durchführte, warb er für die Produkte der SI-TRO AG, Zürich, darunter insbesondere eine als "Wasch-Hexe" bezeichnete Waschkugel. Während der Demonstration dieses Apparates wurde allen Teilnehmern der Veranstaltung eine Bestellkarte ausgehändigt, die auch den Gratisverlosungsbon enthielt. Aus dem Text des Bestellscheins ergab sich, dass dem Käufer einer Wasch-Hexe ein Rabatt von Fr. 10.- auf dem normalen Verkaufspreis von Fr. 168.-- gewährt werde.
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B.- Das Obergericht des Kantons Luzern sprach Baur am 10. März 1965 der Widerhandlung gegen Art. 4 und 20 Abs. 1 lit. a der eidgenössischen Ausverkaufsverordnung sowie wegen irreführender Aufmachung des Flugblattes der Übertretung von § 1 Abs. 1 des luzernischen Handelspolizeigesetzes schuldig. Es verurteilte ihn zu fünf Tagen Haft und zu Fr. 500.-- Busse und ordnete die Veröffentlichung des Urteils im Kantonsblatt an.
C.- Baur führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen, soweit er wegen Widerhandlung gegen die Ausverkaufsverordnung verurteilt wurde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. a AO ist namentlich strafbar, wer eine unter die Verordnung fallende, nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung öffentlich ankündigt oder durchführt. Als bewilligungspflichtige Verkaufsveranstaltung gelten nebst den Ausverkäufen (Art. 2 Abs. 1 AO) auch Ausnahmeverkäufe, z.B. Verkäufe unter Gewährung ausserordentlicher Rabatte (Art. 2 Abs. 2 AO), sofern es sich im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AO um eine Veranstaltung des Detailverkaufes handelt, bei der dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden.
2. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer eine öffentliche Werbeveranstaltung durchgeführt hat und dass diese eine Veranstaltung des Detailverkaufes war, bei der Waren unter Gewährung eines Rabattes verkauft wurden. Der Beschwerdeführer bestreitet dagegen, dass die Veranstaltung bewilligungspflichtig gewesen sei, weil dem Publikum nicht durch öffentliche Ankündigung vorübergehend besondere Vergünstigungen in Aussicht gestellt worden seien.
a) Richtig ist, dass Ausverkäufe und Ausnahmeverkäufe nur dann der amtlichen Bewilligung bedürfen, wenn die Veranstaltung öffentlich angekündigt worden ist. Das ergibt sich aus dem deutschen und italienischen Wortlaut des für den Erlass der Ausverkaufsverordnung grundlegenden Art. 17 Abs. 1 UWG, wo die Bewilligungspflicht von der "öffentlichen Ankündigung und Durchführung" abhängig gemacht wird, ferner aus Art. 1 Abs. 1 AO, der ausdrücklich bestimmt, dass die öffentliche Ankündigung vorübergehender besonderer Vergünstigungen
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den Ausverkäufen und ähnlichen Veranstaltungen begriffswesentlich ist. Art. 20 Abs. 1 lit. a AO, wo von öffentlicher Ankündigung oder Durchführung die Rede ist, widerspricht dem nicht. Diese Bestimmung umschreibt nicht die Voraussetzungen, unter denen eine Veranstaltung bewilligungspflichtig ist, sondern legt nur fest, dass sowohl strafbar ist, wer die nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung bloss öffentlich ankündigt, als auch, wer sie nur durchführt (BGE 85 II 445 f.).Es trifft zu, dass im Flugblatt nur die Durchführung einer Werbeveranstaltung angekündigt worden ist. Dass ein Verkauf von Waren stattfinde, bei dem den Käufern vorübergehend besondere Vergünstigungen zukämen, wurde darin nicht gesagt. Die im Flugblatt erwähnten Vorteile (Gratisabgabe eines Photoapparates, Gratisteilnahme an einer Vorverlosung) waren denn auch keine Vergünstigungen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AO. Sie wurden nicht nur den Käufern in Aussicht gestellt, sondern unabhängig von einem Kauf jedem Besucher der Veranstaltung zugesichert (vgl. BGE 90 IV 111 Erw. 2).
Die Mitteilung, dass beim Kauf einer Wasch-Hexe dem Käufer ein Rabatt auf dem normalen Verkaufspreis gewährt werde, wurde erst während der Veranstaltung selber gemacht, als der Beschwerdeführer im Verlaufe der Demonstration der Waschkugel den anwesenden Besuchern eine Bestellkarte aushändigen liess, auf der die Preisermässigung vorgedruckt war. Mit dieser allgemeinen Bekanntmachung, die an einen grössern ausserhalb des Geschäftes stehenden Kreis von Personen gerichtet war, ist aber die Gewährung des Rabattes öffentlich angekündigt worden. Art. 1 Abs. 1 AO verlangt nicht, dass die öffentliche Ankündigung von Vergünstigungen der Verkaufsveranstaltung zeitlich vorausgehe, sondern nur, dass die Vergünstigung öffentlich bekannt gemacht werde. Die Gefahr, dass die Käufer durch den Hinweis auf ein vorübergehendes besonders günstiges Angebot getäuscht werden, ist denn auch, wenn er anlässlich einer öffentlichen Werbeveranstaltung erfolgt, nicht geringer als wenn die Vergünstigung in Zeitungen, Prospekten und dgl. zum voraus bekanntgemacht wird. Der Kassationshof hat deshalb bereits früher entschieden, dass das Merkmal der öffentlichen Ankündigung auch erfüllt sei, wenn die Vergünstigung erst an der öffentlichen Veranstaltung allgemein bekannt gegeben wird, und dass es gemäss Art. 1 Abs. 2 AO keine Rolle spiele, ob dabei die Mitteilung schriftlich oder mündlich geschieht
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(nicht veröffentlichtes Urteil vom 2. Dezember 1963 i.S. Egolf c. Luzern).b) Beim Publikum, das an der Veranstaltung teilnahm, wurde der Eindruck erweckt, der Rabatt werde nur den anwesenden Besuchern gewährt, bei einem spätern Kauf sei dagegen der Normalpreis von Fr. 168.-- zu bezahlen. Dieser Schluss drängte sich schon deswegen auf, weil die den Teilnehmern ausgehändigte Bestellkarte gleichzeitig den Gratisverlosungsbon enthielt, auf dem der Besucher, der sich an der Verlosung beteiligen wollte, Namen und Adresse einzutragen hatte. Da die Teilnahmeberechtigung an der Gratisverlosung auf Personen beschränkt war, welche die Veranstaltung jenes Abends besuchten, lag die Annahme nahe, dass der auf der gleichen Karte genannte Käufer-Rabatt ebenfalls nur auf Bestellungen gewährt würde, die während der Dauer der Veranstaltung aufgegeben werden. Dass bei den Besuchern tatsächlich diese Auffassung bestand, erhellt daraus, dass verschiedene die Frage stellten, ob die Bestellung nicht später aufgegeben werden könne. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer solche Anfragen ausdrücklich verneinte und erklärte, nachträgliche Bestellungen könnten nicht mehr berücksichtigt werden. Auf die Ausführungen, mit denen in der Beschwerde an diesen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und an der Beweiswürdigung, auf der sie beruhen, Kritik geübt wird, kann gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 273 bis Abs. 1 BStP nicht eingetreten werden. Die Vorinstanz hat sodann ihre Feststellungen nicht auf Grund gesetzlicher Beweisregeln getroffen, sondern die Beweise frei gewürdigt, somit auch Art. 249 BStP nicht verletzt; Willkür in der Beweiswürdigung aber kann nicht gestützt auf diese Bestimmung mit der Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden (BGE 81 IV 130).
Der angekündigte Rabatt stellt daher eine vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AO dar. Diese Bestimmung setzt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht voraus, dass die angekündigte Preisherabsetzung Waren betreffe, die früher teurer verkauft wurden. Der Käufer wird durch die Sondervergünstigung zum Kauf angelockt, weil er glaubt, die Ware später nicht mehr so günstig kaufen zu können wie im Zeitpunkt des Sonderangebotes. Unter den Begriff des Ausnahmeverkaufes kann deshalb auch eine Veranstaltung fallen,
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bei der Waren der angekündigten Art erstmals zum Verkauf gelangen (BGE 81 IV 194 /5). Nicht nötig ist, dass die Vergünstigung im Verhältnis zum Wert der Ware ein ausserordentliches Ausmass erreiche; es genügt, dass sie bedeutend genug ist, um die Kauflust des Publikums zu steigern. Das trifft bei einem Rabatt von Fr. 10.- oder rund 6%, der aufeinem Verkaufspreis von Fr. 168,- gewährt wird, zu. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass sein Rabatt unter dem im Detailhandel zulässigen liege, wo bis auf 8% gegangen werden dürfe, ist unbehelflich, weil dieser Rabatt dauernd gewährt und daher vom Käufer weniger als Vorteil empfunden wird, als wenn ein Rabatt von 6% nur während einer zeitlich beschränkten Dauer gilt. Unerheblich ist auch, dass Bestellungen zum herabgesetzten Preis auch noch nach Beendigung der Veranstaltung entgegengenommen und ausgeführt wurden und dass der Rabatt auch heute noch gewährt wird; auch ein bloss zum Schein angekündigter Ausnahmeverkauf untersteht der Verordnung und bedarf der Bewilligung (BGE 76 IV 184Erw. 2,BGE 78 IV 126). Da der Beschwerdeführer diese nicht eingeholt hat, ist der Tatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. a AO objektiv erfüllt.