BGE 92 IV 70 |
18. Urteil des Kassationshofes vom 25. Februar 1966 i.S. Rawyler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen und Pumpenbau Schaffhausen AG. |
Regeste |
Art. 20 StGB und Art. 13 lit. a UWG. |
Sachverhalt |
A.- Streuli und der Beschwerdeführer Rawyler gründeten im Jahre 1947 in Schaffhausen die Sihi-Pumpen A.-G., wobei jeder der beiden die Hälfte der Aktien übernahm. Die Gesellschaft hatte die Alleinvertretung der Firma Siemen & Hinsch G.m.b.H. in Itzehoe (Holstein) für den Vertrieb der "Sihi"-Pumpen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein inne. Zwischen Streuli und Rawyler entstanden im Laufe der Jahre Meinungsverschiedenheiten, welche die Firma Siemen & Hinsch im März 1959 nach erfolglosen Lösungsversuchen veranlassten, den Alleinvertretungsvertrag fristlos zu kündigen. Am 23. März 1959 bezeichnete sie Streuli als ihren vorläufigen Vertreter für die Schweiz. Da Rawyler bestritt, dass ein wichtiger Grund für die fristlose Vertragsauflösung vorliege, nahm die deutsche Lieferfirma vorsorglicherweise auch noch die ordentliche Kündigung auf Ende Dezember 1959 vor, erklärte sich indessen bereit, die bis zum 30. November 1959 bei ihr eingehenden Bestellungen der Sihi-Pumpen A.-G. noch auszuführen. Nachdem ein neuer Aktionär, Rechtsanwalt Johannes Müller, auf Auflösung der Sihi-Pumpen A.-G. geklagt und Streuli und Rawyler die Klage anerkannt hatten, gründete Streuli im September 1959 die Pumpenbau A.-G. Schaffhausen. Durch Vertrag vom 12. Oktober 1959 übertrug die Firma Siemen & Hinsch der neuen Unternehmung die Alleinvertretung. Da die erwähnte Klageanerkennung für eine entsprechende Eintragung im Handelsregister nicht genügte und Rawyler sich nachträglich weigerte, in die Auflösung der Sihi-Pumpen A.-G. einzuwilligen, erhob Müller die nämliche Klage von neuem. Hierauf kam vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich eine Einigung zustande, auf Grund welcher am 26. Januar 1960 die Gesellschaft durch formgültigen Beschluss einer ausserordentlichen Generalversammlung aufgelöst wurde. |
B.- In der zweiten Hälfte des Monats November 1959 stellte Streuli den bisherigen Sihi-Kunden sein neues Unternehmen, die Pumpenbau A.-G., durch ein Rundschreiben vor. Er erklärte darin, die schweizerische Lizenz für die Herstellung und den Vertrieb der Sihi-Pumpen sei auf seine Gesellschaft übergegangen. Rawyler antwortete anfangs Dezember 1959 mit einem Gegenrundschreiben, das u.a. folgende Äusserungen enthielt:
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"1. Es ist unwahr, dass die schweizerische Lizenz für die Herstellung der Sihi-Pumpen von unserer Firma an die neu gegründete Pumpenbau Schaffhausen AG übergegangen ist. Vertrieb der Sihi-Pumpen und deren Service obliegen immer noch allein der Sihi-Pumpen AG.
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2. Zutreffend ist dagegen, dass Herr Streuli in krasser Verletzung seiner Pflichten als Verwaltungsrat und in bewusster Schädigung der Sihi-Pumpen AG die Ihnen angezeigte Konkurrenzfirma gegründet hat. Herr T. Streuli wird von uns für sein verwerfliches Verhalten vor den zuständigen Behörden zur Rechenschaft gezogen.
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3. Mit der Gründung einer Konkurrenzfirma hat Herr Streuli im besonderen auch gegen Ihre Interessen als Kunden unserer Firma verstossen..."
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Auf das hin verschickte Streuli am 21. Januar 1960 ein neues Rundschreiben, das die Wiedergabe eines Briefes der Firma Siemen & Hinsch enthielt mit der Bestätigung, dass die Pumpenbau A.-G. seit 1. Oktober 1959 das alleinige Vertriebs- und Lizenzrecht für die Sihi-Pumpen besitze. Dem begegnete Rawyler im Februar 1960 wiederum mit einem Gegenrundschreiben, in dem er sich u.a. wie folgt äusserte:
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"1. Wir nehmen Bezug auf das Ihnen anfangs Dezember letzten Jahres zugegangene Zirkular der Sihi-Pumpen AG und teilen Ihnen mit, dass die Machenschaften von Herrn Streuli, welcher wie der Unterzeichnete die Hälfte des Aktienkapitals der genannten Firma besass, nun zu deren Auflösung geführt haben. |
2. Mit Datum vom 21. Januar 1960 versandte die Pumpenbau Schaffhausen AG (T. Streuli) ein Zirkular mit der Reproduktion eines Schreibens der Siemen & Hinsch GmbH, Itzehoe (Holstein). Zu diesem Rundschreiben, welches die Tatsachen in berechnender Absicht verdreht, wird der Unterzeichnete nach Abschluss der gegen Herrn Streuli einzuleitenden gerichtlichen Verfahren Stellung nehmen."
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C.- Streuli erblickte in den angeführten Stellen der Rundschreiben Rawylers unlautern Wettbewerb im Sinne von Art. 13 lit. a UWG und reichte am 27. Februar 1960 für die Pumpenbau A.-G. bei der Polizeidirektion des Kantons Schaffhausen Strafantrag ein. Das Kantonsgericht von Schaffhausen sprach Rawyler am 2. Dezember 1964 wegen der beiden Rundschreiben und wegen einer weitern, gegen eine andere Person gerichtete Äusserung des unlautern Wettbewerbs im Sinne von Art. 13 lit. a und b UWG schuldig und verurteilte ihn deswegen sowie wegen fortgesetzter missbräuchlicher Firmabezeichnung zu einer Busse von Fr. 1500.--, die bei Wohlverhalten während der Dauer von zwei Jahren im Strafregister zu löschen sei. Die Zivilklage der Pumpenbau A.-G. wurde im Betrage von Fr. 4000.-- gutgeheissen. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen, bei dem die Antragstellerin und Zivilklägerin, der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung einlegten, erklärte am 16. Juli 1965 den Angeklagten des unlautern Wettbewerbes mit bezug auf die beiden Rundschreiben schuldig. Im übrigen sprach es ihn frei. Es erkannte auf eine Busse von Fr. 200.-- und setzte den der Zivilklägerin zu bezahlenden Betrag auf Fr. 800.-- herab. Bei der Strafzumessung billigte das Obergericht dem Angeklagten Rechtsirrtum gemäss Art. 20 StGB zu, da er die beiden Rundschreiben vor dem Versenden seinem Anwalt vorgelegt habe.
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D.- Rawyler führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache zur Freisprechung, allenfalls zur Beweisergänzung. In erster Linie macht er geltend, der ihm zuerkannte Rechtsirrtum müsse nicht nur zur Strafmilderung, sondern zur Strafbefreiung führen. Im Sinne eines Eventualstandpunktes bestreitet er nach wie vor, dass die beiden Rundschreiben den Tatbestand des unlautern Wettbewerbs erfüllen. Die Staatsanwaltschaft und die Pumpenbau A.-G. beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
2. Ob es richtig war, dem Beschwerdeführer in Abweichung vom Urteil des Kantonsgerichtes Rechtsirrtum zuzubilligen, ist nicht zu überprüfen, da das obergerichtliche Urteil in diesem Punkte unangefochten geblieben ist. Keinesfalls aber zwang die Annahme des Rechtsirrtums den Richter, auf Strafbefreiung zu erkennen. Nach Art. 20 StGB kann er statt dessen vielmehr auch nur die Strafe mildern. Gewiss hat der Kassationshof in BGE 70 IV 100 Erw. 7 dazu erklärt, die Strafbefreiung verdiene in der Regel vor der blossen Strafmilderung den Vorzug, weil sie dem Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" gerecht werde. Damit konnte und wollte jedoch das richterliche Ermessen nicht aberkannt werden. Von einer Verletzung eidgenössischen Rechts, die allein Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sein kann (Art. 269 Abs. 1 BStP), lässt sich danach nur sprechen, wenn der kantonale Richter das ihm zustehende Ermessen missbraucht. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Zu Unrecht glaubt der Beschwerdeführer, allein schon deshalb Anspruch auf Strafbefreiung zu haben, weil er sich von seinem Anwalt beraten liess und dieser in den fraglichen Äusserungen nichts Unzulässiges erblickte. Das angefochtene Urteil kommt zum Schluss, dem intelligenten und kaufmännisch gebildeten Angeklagten müsse es bewusst gewesen sein, dass er nicht blindlings dem Urteil seines Rechtsberaters habe vertrauen dürfen, umsoweniger, als es ihm bei aller Parteileidenschaft nicht habe entgehen können, dass er sich mit seinen Äusserungen, jedenfalls moralisch, an der Grenze des im Konkurrenzkampf Zulässigen bewegt habe. Diese Beurteilung, die auf tatsächlichen und daher für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen fusst, ist nicht zu beanstanden. Selber über den wahren Sachverhalt aufs beste unterrichtet, bedurfte der Beschwerdeführer in der Tat nicht erst eines Rechtsgutachtens, um zu erkennen, dass seine Rundschreiben Erklärungen enthielten, die unrichtig, irreführend und nur dazu angetan waren, seinen Geschäftsgegner und dessen neues Unternehmen im Ansehen bei den Kunden herabzuwürdigen. Von diesem Gesichtspunkte aus unterscheidet sich der vorliegende Fall denn auch wesentlich von dem mit der Beschwerde vergleichsweise angezogenen Beispiel, wo durch einen Chemiker zu untersuchen ist, ob die Abwasser eines Fabrikbetriebes unzulässige Giftstoffe enthalten. Der Inhalt einer Äusserung und die damit verbundene Absicht bilden für denjenigen, von dem sie ausgeht, keine derartige Fachfrage. Dass die Verbreitung bewusst unrichtiger, irreführender und vorwiegend dem Zweck der Verunglimpfung dienender Äusserungen Unrecht ist, versteht sich von selbst. Nichts spricht dafür, dass dem Beschwerdeführer dieses normale Unrechtsempfinden fehlte, selbst wenn er in Vergeltung für vermeintlich selbst erlittenes Unrecht gehandelt haben sollte. Wenn er den Rat eines Anwaltes beizog, so konnte es ihm daher offensichtlich nur darum gegangen sein, klären zu lassen, ob er sich durch sein Vorgehen strafbar mache oder nicht. Nur insofern mochte er sich auf das Urteil seines Rechtsberaters verlassen haben. Die Verantwortung dafür aber, ob er damit überhaupt nichts Unrechtes tue, konnte ihm der Anwalt nicht abnehmen; dafür blieb sein eigenes Gewissen massgebend. Ist es bei dieser Sachlage ohnehin fragwürdig, ob die Zubilligung eines Rechtsirrtums vor Bundesrecht standhalte- was nach herrschender Rechtsprechung mit der zutreffenden, vom Kantonsgericht gegebenen Begründung verneint werden müsste (vgl. BGE 69 IV 180; BGE 70 IV 100; BGE 78 IV 181 und dort angeführte Urteile, sowie BGE 80 IV 21, BGE 81 IV 196) - so war es der Vorinstanz umsoweniger verwehrt, statt auf Strafbefreiung auf blosse Strafmilderung zu erkennen. Sie ist dem Beschwerdeführer auch so noch weit entgegengekommen. |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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