BGE 93 IV 16
 
6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Januar 1967 i.S. Macquat und Praloran gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
 
Regeste
Art. 163 und 167 StGB.
2. Eine konkursreife Gesellschaft, die ihr Vermögen im Interesse eines Gläubigers an eine andere Gesellschaft verschiebt, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, begeht eine Bankerotthandlung im Sinne von Art. 163 StGB (Erw. 2).
 
Sachverhalt


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Aus dem Tatbestand:
A.- Die Noir-Blanc AG, die mit Waschmaschinen handelte, stand Ende 1956 vor dem finanziellen Zusammenbruch. Ihre Hauptgläubigerin war die Immobilien AG, die auch die Aktienmehrheit der Noir-Blanc besass.
Anfangs Januar 1957 kam Macquat als Geschäftsführer der Noir-Blanc auf den Gedanken, die Vermögenswerte der Firma auf eine neue Gesellschaft zu übertragen und den Betrieb unter einem andern Namen weiterzuführen. Er besprach die Sache mit Praloran, einem Aktionär der Immobilien AG, der damit einverstanden war. Am 16. Januar 1957 gründete Macquat mit Hilfe von zwei Strohmännern die Robusta-Apparate GmbH (hienach: Robusta), der er am folgenden Tage sämtliche Aktiven der Noir-Blanc zum Preise von Fr. 48'390.-- verkaufte. Fr. 5390. - wurden bar bezahlt; Fr. 13'000.-- waren laut Kaufvertrag drei Tage nach Veröffentlichung der Gründung, je Fr. 10'000.-- dreissig bzw. sechzig Tage nach Vertragsabschluss

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und die letzten Fr. 10'000.--, die als Garantiesumme galten, spätestens nach einem Jahr zu bezahlen.
Am 29. Januar 1957 trat Praloran namens der Immobilien AG eine Forderung von Fr. 40'000. -, die sie gegen die Noir-Blanc hatte, an die Robusta ab. Diese teilte daraufhin der Noir-Blanc mit, dass sie die erhaltene Forderung mit dem Betrag von Fr. 33'000.-- verrechne, den sie ihr - abgesehen von der Garantiesumme - gemäss Kaufvertrag vom 17. Januar 1957 noch schulde.
Am 5. April 1957 wurde über die Noir-Blanc der Konkurs eröffnet, in dem die Gläubiger eine Dividende von 12,48% erhielten.
B.- Das Obergericht des Kantons Luzern bestrafte Macquat wegen betrügerischen Konkurses und Praloran wegen Gehilfenschaft hiezu. Ihre Nichtigkeitsbeschwerden wurden vom Bundesgericht abgewiesen.
 
Aus den Erwägungen:
1. a) Der Tatbestand des betrügerischen Konkurses im Sinne von Art. 163 StGB besteht darin, dass der Schuldner sein Vermögen zum Nachteil der Gläubiger wirklich oder zum Scheine vermindert. Eine wirkliche Vermögensverminderung liegt insbesondere vor, wenn der Schuldner Vermögensstücke veräussert, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten. An einer solchen Leistung fehlt es nicht bloss dann, wenn der Schuldner Vermögen verschenkt, dafür also überhaupt nichts erwirbt, sondern auch dann, wenn er z.B. eine umstrittene oder sonstwie mangelhafte Forderung an Zahlungsstatt entgegennimmt, die erheblich weniger wert ist als seine eigene Leistung. Im einen wie im andern Fall vermindert er seine Aktiven, verletzt folglich die Pflicht, das noch vorhandene Vermögen seinen Gläubigern zu erhalten.
Das heisst nicht, dass alle Gläubiger stets und endgültig zu Schaden kommen müssten, wie der Beschwerdeführer Macquat anzunehmen scheint. Gewiss wird der Nachteil, den die Gläubiger erleiden, meistens darin bestehen, dass sie wegen der Bankerotthandlung ganz oder teilweise zu Verlust kommen. Voraussetzung ist dies jedoch nicht. Eine strafbare Bankerotthandlung ist schon dann gegeben, wenn der Schuldner die Zwangsvollstreckung so erschwert, dass zur Verwirklichung der Gläubigerrechte besondere Prozesse, wie Widerspruchs-, Aussonderungs-,

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Kollokationsprozesse usw. geführt werden müssen (vgl.BGE 74 IV 96, BGE 85 IV 219 Erw. b; SCHWANDER, Schweiz. Juristische Kartothek, Karte 1128 § 6 am Ende sowie dort angeführte Lehre und Rechtsprechung). Art. 163 StGB verlangt denn auch keine besondere Schädigungsabsicht; erforderlich ist nur, dass der Schuldner vorsätzlich eine Bankerotthandlung begeht, um die Zwangsvollstreckung, mit der er angesichts des eingetretenen oder drohenden Vermögenszerfalls zu rechnen hat, zu erschweren oder zu vereiteln. Ebensowenig braucht der Vorsatz auf eine endgültige Benachteiligung der Gläubiger gerichtet zu sein. Der Tatbestand des Art. 163 ist selbst dann erfüllt, wenn der Schuldner es bloss auf eine vorübergehende Benachteiligung abgesehen hat. Auch Eventualvorsatz genügt. Solcher liegt vor, wenn der Schuldner weiss, dass er die Gläubiger durch seine Handlungsweise im bevorstehenden Konkurse benachteiligen oder gar schädigen könnte, und er mit diesem Erfolg für den Fall, dass er eintritt, einverstanden ist (BGE 74 IV 37/38 und 40).
b) Den Tatbestand des Art. 167 StGB erfüllt der Schuldner durch Handlungen, die darauf abzielen, einzelne seiner Gläubiger zum Nachteil anderer zu bevorzugen. Solche Handlungen nimmt er insbesondere vor, wenn er nicht verfallene Schulden bezahlt, eine verfallene Schuld anders als durch übliche Zahlungsmittel tilgt, oder eine Schuld aus eigenen Mitteln sicherstellt, ohne dass er dazu verpflichtet war. Das Besondere dieses Tatbestandes liegt somit darin, dass der Schuldner einem oder mehreren Gläubigern in anfechtbarer Weise Befriedigung oder Sicherheit verschafft und dadurch andere benachteiligt. Eine tatsächliche oder endgültige Schädigung von Gläubigern ist auch hier nicht erforderlich; sie kann z.B. durch Anfechtungsklage gemäss Art. 285 SchKG abgewendet worden sein. Auch braucht weder die Bevorzugung der einen Gläubiger noch die damit verbundene Benachteiligung anderer der Beweggrund der Tat zu sein; es genügt, dass der Schuldner sich dieser Folgen seiner Handlungsweise bewusst ist und die Tat gleichwohl begeht.
Die Gläubigerbevorzugung wird im Gegensatz zum betrügerischen Konkurs bloss mit Gefängnis bestraft. Der Grund dafür liegt darin, dass die Tat sich in einem Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger erschöpft; sie richtet sich nicht, wie die Bankerotthandlungen des Art. 163 StGB,

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gegen die Zwangsverwertung überhaupt, sondern bloss gegen die gesetzmässige Verteilung des Schuldnervermögens unter die Gläubiger. Freilich tritt auch diesfalls eine Schmälerung des Vermögens zum Nachteil wenigstens einzelner Gläubiger ein, aber nur in dem Masse, als der Schuldner die übrigen in rechtswidriger Weise begünstigt. Geht die Vermögensverringerung über eine solche Begünstigung hinaus, so ist die Tat als betrügerischer Konkurs zu werten. Solcher liegt auch vor, wenn der Schuldner Vermögensstücke bloss zum Scheine einem Dritten zuhält, möge dieser sein Gläubiger sein oder nicht, in Wirklichkeit aber sich selber besondere Vorteile verschaffen will.
2. Nach dem angefochtenen Urteil hatte die Robusta nicht die Absicht, ausser der Anzahlung von Fr. 5390.-- noch etwas in bar zu leisten; sie hatte es vielmehr im Einvernehmen mit der Noir-Blanc und der Immobilien AG zum vorneherein auf die Verrechnung abgesehen. Unter diesen Umständen verminderte die Noir-Blanc ihr Vermögen schon dadurch im Sinne von Art. 163 StGB, dass sie die Aktiven am 17. Januar 1957 veräusserte; denn die in Aussicht genommene Gegenleistung bestand zur Hauptsache aus einer Forderung, die, wenn nicht wertlos, so doch erheblich weniger wert war als die veräusserten Sachwerte. Die anderslautende Darstellung im Kaufvertrag diente bloss dazu, die wahren Absichten der Beteiligten zu verschleiern. Die Benachteiligung der Gläubiger ist darin zu erblicken, dass die Aktiven der Noir-Blanc der Zwangsverwertung entzogen wurden. Sie liegt zusätzlich auch darin, dass die Robusta nicht zahlungswillig war, es also auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit den Gläubigern ankommen liess.
Die Immobilien AG, welche angeblich begünstigt werden sollte, hat weder aus der Vermögensverschiebung noch aus der Zession etwas erhalten. Sie trat die Forderung von Fr. 40'000.--, die sich als uneinbringlich erwies, bloss ab, um der Robusta die Verrechnungserklärung zu ermöglichen. Die Immobilien AG erlangte auf diese Weise freilich die Herrschaft über die Robusta. Ein Zeuge äusserte sich sogar dahin, dass die Robusta wirtschaftlich der Immobilien AG gehörte, weil sie dieser Fr. 40'000.-- geschuldet habe. Der Beschwerdeführer Macquat scheint darin denn auch die Gläubigerbevorzugung im Sinne von Art. 167 StGB zu sehen.
Diese rein wirtschaftliche Betrachtungsweise führt sachlich jedoch zu keinem andern Ergebnis. Der Beschwerdeführer

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übersieht, dass die Immobilien AG auch die Noir-Blanc finanziell beherrschte. Sie hatte bereits 1956 die Aktienmehrheit dieser Gesellschaft erworben, um nötigenfalls über deren Vermögenswerte im eigenen Interesse verfügen zu können. Zu diesem Zwecke liess sie zunächst das gesamte Warenlager der Noir-Blanc verarrestieren. Dann fasste sie vorübergehend eine Sanierung ins Auge und, als diese keinen Erfolg versprach, vereinbarte sie mit der von ihr kontrollierten Schuldnerin, unter dem Deckmantel einer neuen Firma noch zu retten, was möglich war. Das ist auch wirtschaftlich gesehen keine blosse Gläubigerbevorzugung, sondern vielmehr eine verkappte Selbstbegünstigung, die gleich wie die Bevorteilung eines Nichtgläubigers nach Art. 163 StGB zu ahnden ist.