6. Urteil des Kassationshofes vom 4. April 1968 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen Hurni.
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Regeste
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Art. 153 und 154 StGB. Gewerbsmässigkeit.
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2. Gewerbsmässig vergeht sich nur, wer selber bereit ist, gegen unbestimmt viele zu handeln (Erw. 2).
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Sachverhalt
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BGE 94 IV 20 (20):
A.- Landwirt Hurni lieferte in der Zeit vom 12. Februar 1964 bis 11. August 1965, als er Gemeindepräsident, Präsident der Käsereigenossenschaft Gurbrü und Vizepräsident des Amtsgerichtes Laupen war, der Käserei häufig Milch, der er vorher Wasser zusetzte. Die Zusätze betrugen im Durchschnitt etwa 10% und brachten Hurni insgesamt Fr. 400.-- ein.
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BGE 94 IV 20 (21):
B.- Der a.o. Gerichtspräsident von Laupen verurteilte Hurni am 28. März 1966 wegen fortgesetzter Warenfälschung (Art. 153 Abs. 1 StGB) und fortgesetzten Inverkehrbringens gefälschter Waren (Art. 154 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen sowie 300 Franken Busse.
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Hurni appellierte an das Obergericht des Kantons Bern und verlangte Freisprechung. Der Generalprokurator schloss sich der Appellation an und beantragte, der Angeklagte sei wegen gewerbsmässiger Begehung der Straftaten zu zwei Monaten Gefängnis und 200 Franken Busse zu verurteilen.
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Das Obergericht bestätigte am 25. Oktober 1966 das Urteil der ersten Instanz mit der Ausnahme, dass es die Gefängnisstrafe auf 30 Tage erhöhte.
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C.- Der Generalprokurator führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbsmässiger Begehung der Straftaten, eventuell zur Ergänzung der Beweise, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.- Hurni beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
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Nach dem angefochtenen Urteil hat der Angeklagte der Milch, die er in die Käserei lieferte, während anderthalb Jahren häufig, zeitweise sogar täglich Wasser zugesetzt. Die Vorinstanz nimmt zudem an, dass der Gelderwerb kaum Beweggrund seines Handelns, in seine Absicht aber eingeschlossen gewesen sei. Dagegen war der Angeklagte nach der Annahme des Obergerichts nicht bereit, gegen unbestimmt viele zu handeln. Diese Bereitschaft kann auch bestehen, wenn der Täter sich ausschliesslich gegen die gleiche Person vergangen hat. Voraussetzung ist nur, dass nicht aus besondern Gründen geschlossen werden muss, der Täter habe sich nur gerade gegen diese eine Person vergehen wollen und er wäre gegenüber andern Personen, selbst wenn sich ihm eine passende Gelegenheit geboten hätte, untätig geblieben (BGE 86 IV 208). Solche besondere Umstände aber lagen nach den Feststellungen des Obergerichts BGE 94 IV 20 (22):
beim Angeklagten gerade vor. Die Vorinstanz geht davon aus, dass das Erwerbsstreben bei Hurni kaum eine Rolle gespielt habe. Durch die Lieferung von mehr Milch an die Käserei, deren Präsident er gewesen sei, habe er vielmehr sein Prestige im Dorf bewahren wollen. Aus Personalmangel habe er seinen Viehbestand abbauen müssen; an Stelle von 100 und mehr Litern Milch habe er täglich nur noch 20 bis 30 Liter in die Käserei liefern können. Das müsse den ehrgeizigen und erfolgreichen Angeklagten, der die dominierende Figur im Dorfe gewesen sei, gequält und ihn, weil er nicht als kleiner Mann habe dastehen wollen, zu der Tat getrieben haben.
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Diese Feststellungen des Obergerichts betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden daher den Kassationshof (Art. 277 bis Abs. 1 BStP). Darnach hatte der Angeklagte keinen Grund, auch gegenüber irgendeinem Drittabnehmer eine grössere Milchproduktion vorzutäuschen; es ging ihm nur darum, bei den Käsereigenossen und damit in der Dorfgemeinschaft, wo die Milchablieferungen bekannt wurden, sein Ansehen nicht zu verlieren.
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2. Der Generalprokurator ficht das Urteil denn auch nicht unter diesem Gesichtspunkt an, sondern macht bloss geltend, dass die Milch zum Teil an die von der Käserei bedienten Konsumenten im Dorfe, und wer es auch sein möge, abgegeben werde. Der Milchproduzent, der gewässerte Milch mit dem Wissen, dass sie an beliebig viele weiterverkauft werde, in die Käserei liefere, tue es folglich auch mit der Bereitschaft zum Handeln gegen unbestimmt viele. Die Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung und müsse, wenn man der Sache auf den Grund gehe, in allen Fällen gestellt werden, wo Lebensmittelproduzenten gefälschte Waren an Verteilerorganisationen liefern.
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Diese Ausdehnung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit ist mit Recht schon von der Vorinstanz abgelehnt worden. Gewerbsmässiges Handeln wird schärfer bestraft, weil die Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, sozial besonders gefährlich ist (BGE 86 IV 11, BGE 88 IV 19 und zahlreiche frühere Urteile). Massgebend ist somit, ob diese Bereitschaft beim Täter selber besteht. Er selber muss bereit sein, sein Handeln gegen unbestimmt viele zu richten, bei der gewerbsmässigen Warenfälschung (Art. 153 StGB) und beim Inverkehrbringen gefälschter Waren (Art. 154 StGB) also willens sein, die Ware BGE 94 IV 20 (23):
bei unbestimmt vielen anzubringen. Darauf, ob der Abnehmer seinerseits unbestimmt viele Kunden bedient, kommt es nicht an. Es verhält sich vielmehr gleich wie im Bereich des erlaubten Gewerbes, dem das Strafrecht die Merkmale der Gewerbsmässigkeit entnimmt (BGE 86 IV 12, BGE 88 I 97). Hier wie dort wird der Verkäufer einer Ware nicht schon dadurch zum Gewerbetreibenden, dass der Käufer mit solchen Waren ein Gewerbe betreibt. Auch das Wissen um den Handel des andern begründet noch keine eigene Gewerbsmässigkeit. Die Möglichkeit, dass der Abnehmer mit der Ware handelt, sie weiter in Verkehr bringt, ist schon in den einfachen Tatbeständen der Warenfälschung zum Zweck der Täuschung in Handel und Verkehr und des Inverkehrbringens gefälschter Waren eingeschlossen und kann daher nicht die Gewerbsmässigkeit kennzeichnen. Dass aber der Angeklagte selber nicht mit der Bereitschaft handelte, gegen unbestimmt viele tätig zu werden, wurde bereits ausgeführt. Aus diesen Gründen braucht die Sache auch nicht gemäss dem Eventualantrag an die Vorinstanz zurückgewiesen zu werden, damit sie untersuche, was mit der Milch in der Käserei tatsächlich geschehen sei.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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