20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. April 1975 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden.
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Regeste
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Art. 35 Abs. 2 SVG. Gleichzeitiges Überholen und Kreuzen.
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Sachverhalt
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BGE 101 IV 77 (77):
A.- Am 28. August 1973 lenkte X. seinen Personenwagen Ford D auf der N 13 von Reichenau in Richtung Sargans. Auf dem geraden Stück der Umfahrung Chur setzte er zum Überholen eines mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h fahrenden VW-Busses an, der sich rechts entlang des Pannenstreifens bewegte. Gleichzeitig näherte sich aus der Gegenrichtung der von Landjäger Y. gesteuerte Streifenwagen der Kantonspolizei Graubünden. X. benützte bei seinem Überholmanöver teilweise die linke Fahrbahnhälfte. Da das entgegenkommende Polizeifahrzeug Volvo nach rechts auswich, BGE 101 IV 77 (78):
konnte X. gleichzeitig den VW-Bus überholen und mit dem entgegenkommenden Volvo kreuzen.
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B.- Der Kreisgerichtsausschuss Chur sprach X. am 12. September 1974 der Übertretung von Art. 35 Abs. 2 SVG schuldig und verfällte ihn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG in eine Busse von Fr. 150.--.
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Die gegen diesen Entscheid gerichtete Berufung des Gebüssten wies der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 28. November 1974 ab.
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C.- X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Ob auf einer nicht mit Überholverbot belegten Strasse gleichzeitig überholt und gekreuzt werden darf, entscheidet sich nach den konkreten Umständen. Die Tatsache allein, dass die Strasse durch eine Leitlinie in zwei Fahrbahnen geteilt wird, ist nicht massgebend für die Beantwortung der Frage, ob das eingangs erwähnte Manöver zulässig sei oder nicht.
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Ist die Strasse an sich breit genug und übersichtlich, und fahren das überholte und das entgegenkommende Fahrzeug so weit rechts, dass für das Kreuzen des überholenden mit den beiden andern Fahrzeugen genügende seitliche Abstände gegeben sind, so darf gleichzeitig überholt werden, sofern keine Anzeichen für ein verkehrswidriges Verhalten eines Mitbeteiligten bestehen. Solche können beispielsweise in einer unsicheren Zickzackfahrt des zu überholenden oder des entgegenkommenden Fahrzeugs liegen oder darin bestehen, dass ein aus der Gegenrichtung kommendes Fahrzeug bereits in die Strassenmitte fährt, um seinerseits ein vorausfahrendes Fahrzeug zu überholen. Der Umstand allein, dass auf grosse BGE 101 IV 77 (79):
Distanz sichtbar ein Fahrzeug in der Strassenmitte entgegenkommt, verbietet ein Überholen noch nicht. Der Überholende darf erwarten, dass der entgegenkommende Fahrzeugführer sich rechtzeitig an den rechten Strassenrand halten werde. Einen entgegenkommenden Fahrzeugführer zu einer solchen Änderung seiner Fahrt zu veranlassen, bedeutet ebensowenig wie bei einem gewöhnlichen Kreuzungsmanöver bereits eine Behinderung. Wo allerdings Anzeichen dafür sprechen, dass das Fahrzeug aus der Gegenrichtung nicht nach rechts halten wird, oder wo dieses unzumutbar weit ausweichen müsste, darf nicht gleichzeitig überholt und gekreuzt werden.
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Im vorliegenden Fall freilich kann keinem Zweifel unterliegen, dass das fragliche Manöver hätte unterbleiben müssen. Anders als in dem in BGE 99 IV 20 beurteilten Fall, wo die Fahrbahn 10,6 m breit war und die Breite der beteiligten Fahrzeuge ungefähr 1,5 m betrug, stand hier eine Fahrbahn von nur 7,5 bis 7,7 m zur Verfügung und betrug die Breite eines jeden der beteiligten Wagen mehr als 1,5 m. Der Wagen des Beschwerdeführers ist 1,65-1,79 m, der überholte VW-Bus 1,55-1,68 m und der Volvo 1,73 m breit. Je nach dem Typ der einzelnen Automarken beanspruchten die drei Autos also 4,93 bis 5,2 m der insgesamt 7,5 bis 7,7 m breiten Fahrbahn. Geht man davon aus, dass die beiden äusseren Fahrzeuge unmittelbar dem Pannenstreifen entlang fuhren, so verblieb dazwischen noch ein freier Streifen von 2,3-2,77 m. Ein seitlicher Abstand von 1,15-1,35 m bei einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h sowohl des überholenden als auch des entgegenkommenden Fahrzeuges ist jedoch ungenügend und reicht zu einer gefahrlosen Durchführung eines gleichzeitig erfolgenden Überhol- und Kreuzungsmanövers nicht aus, insbesondere BGE 101 IV 77 (80):
deshalb nicht, weil nicht feststeht, dass der überholte VW-Bus wirklich unmittelbar dem Pannenstreifen entlangfuhr. Zudem stellt die Vorinstanz fest, dass der Führer des Volvo auf den Pannenstreifen ausweichen musste, um einen Zusammenstoss zu verhindern. Unter diesen Umständen hätte daher der Beschwerdeführer nicht gleichzeitig überholen und kreuzen dürfen. Er ist zu Recht der Widerhandlung gegen Art. 35 Abs. 2 SVG schuldig befunden worden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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