BGE 102 IV 231 |
50. Urteil des Kassationshofes vom 9. Juni 1976 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft |
Regeste |
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB; leichter Fall. |
Sachverhalt |
A.- Das Strafgericht (Dreiergericht) des Kantons Basel-Landschaft sprach mit Urteil vom 3. November 1975 X. des wiederholten Diebstahls schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten. Gleichzeitig wurde die vom Strafgerichtspräsidenten Basel-Stadt am 7. April 1972 bedingt aufgeschobene Gefängnisstrafe von 30 Tagen vollstreckbar erklärt. |
Auf Appellation des Angeklagten und Anschlussappellation der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft (Polizeikammer) am 27. April 1976 das erstinstanzliche Urteil.
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B.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil hinsichtlich Widerruf des bedingten Strafvollzuges aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
1. Neben der Aussicht auf Bewährung, die im vorliegenden Fall nicht bestritten wird, setzt ein Verzicht auf den Widerruf des bedingten Strafvollzuges wegen neuer Delikte gemäss Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB voraus, dass ein leichter Fall vorliegt. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung durch die kantonalen Gerichte der Kassationshof mit Zurückhaltung überprüft (BGE 101 IV 13 Erw. 1 mit Verweisungen). |
Ob ein während der Probezeit begangenes Delikt als "leicht" zu bewerten ist, hängt nicht allein von der Art und Dauer der erneut ausgesprochenen Strafe ab. Wenn diesem Kriterium bei der Würdigung des Falles auch eine erhebliche Bedeutung zukommt, so ist daneben die Gesamtheit der Tatumstände zu berücksichtigen. Der Richter muss anhand aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles prüfen, ob der neuen Tat ein leichtes oder ein nicht mehr leicht zu nehmendes Verschulden zugrunde liegt und ob allenfalls aussergewöhnliche Umstände in Betracht zu ziehen sind (BGE 101 IV 13 Erw. 1 und BGE 98 IV 251 Erw. 3c).
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Diese Ausführungen im angefochtenen Urteil entsprechen den vom Kassationshof entwickelten Grundsätzen und enthalten keine Rechtsverletzung. Soweit der Beschwerdeführer sein Verschulden im Hinblick auf die besonderen psychischen Gründe und die Versuchungssituation als leicht erachtet, ist dieser Einwand unzulässig, da er den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz entgegensteht (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277bis Abs. 1 BStP).
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3. Ferner macht der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf eine Arbeit von ALBRECHT (Der Widerruf des bedingten Strafvollzuges wegen neuer Delikte, BJM 1975, S. 57 ff., insb. S. 66) geltend, dass auch dem Zeitpunkt des allfälligen Widerrufes eine erhebliche Bedeutung zukomme. Wenn der Richter erst lange nach Ablauf der Probezeit befinde - was im vorliegenden Falle zutreffe -, so müsse dieser Umstand bei der Frage des leichten Falles zugunsten des Täters verwertet werden. Ausserdem sei auch in Betracht zu ziehen, ob der Widerruf im Hinblick auf die Persönlichkeit des Täters für diesen eine unverhältnismässige Härte bedeuten würde (ALBRECHT, a.a.O., S. 67). Dies gelte hier in erhöhtem Masse. Falls nämlich die Strafe vollzogen werde, verliere der Beschwerdeführer seine Stelle und ebenso seine Familie. |
Die beiden vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Umstände waren für den Richter bei der Beurteilung des neuen Falles für die Bemessung der Strafe wesentlich. Gemäss Art. 63 StGB ist u.a. das Vorleben des Täters zu berücksichtigen; wer sich während längerer Zeit einwandfrei verhalten hat, wird deshalb regelmässig milder bestraft. Überdies sind die persönlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen, wobei auch die Strafempfindlichkeit und die familiären Verhältnisse ins Gewicht fallen können (SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Auflage, Bd. II, S. 62 f.). Die in der Beschwerde angerufenen Umstände können also im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden und zu einer Herabsetzung der Strafe führen.
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Dagegen bilden sie entgegen der Ansicht von ALBRECHT (a.a.O.) keine selbständigen Kriterien für die Einstufung des neuen Delikts. Dieses beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Falles (BGE 86 IV 7). Ob eine konkrete Straftat leicht oder schwer ist, hängt nicht davon ab, wie viel Zeit seit einer früheren Verurteilung verstrichen ist oder wie hart die Strafsanktion den Täter trifft.
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Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass die Vorinstanz bei der Strafzumessung Art. 63 StGB verletzt hat. Ebensowenig liegt eine Verletzung von Bundesrecht darin, dass sie den so beurteilten neuen Fall nicht mehr als leicht i.S. von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB einstufte.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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