105 IV 315
Urteilskopf
105 IV 315
80. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. November 1979 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Verschweigt der Betrüger in der vom Geschädigten zur Durchsetzung des aus dem Betrug stammenden Schadenersatzanspruchs eingeleiteten Betreibung Vermögenswerte, so begeht er einen Pfändungsbetrug, nicht eine straflose Nachtat zum Betrug.
A.- Mit Urteil vom 29. August 1978 verurteilte das Strafgericht Basel-Stadt A. wegen Betruges zum Nachteil des D. zu 2 1/2 Jahren Gefängnis und behaftete den Verurteilten bei seiner Anerkennung der Entschädigungsforderung des D. im Betrage von Fr. 200'000.- zuzüglich 5% Zins ab 7. September 1977.
In der Strafuntersuchung in Basel hat A. erklärt, das ertrogene Geld sei noch vorhanden, er habe es nach Tunis mitgenommen und dort einem Bekannten, welcher im Gemüsegeschäft tätig sei, gegeben bzw. ausgeliehen. Er weigerte sich, den Namen dieses Bekannten anzugeben.
B.- Der Geschädigte D. leitete in der Folge gegen den sich im Strafvollzug befindenden A. Betreibung auf Fr. 200'000.- nebst Zins ein. Am 8. Januar 1979 vollzog das Betreibungsamt Menzingen die Pfändung und stellte dem Gläubiger einen Verlustschein aus, da der Schuldner erklärte, er besitze weder Einkommen, noch Vermögen, noch irgendwelche pfändbaren Gegenstände. Angesprochen auf die vermuteten Vermögenswerte von Fr. 200'000.- erklärte der Schuldner, diese existierten nicht mehr.
D. erstattete darauf Strafanzeige wegen des Verdachts von Pfändungsbetrug. In der Strafuntersuchung erklärte A., er habe das Geld seinerzeit an Bekannte in Tunesien ausgeliehen
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und diese seien damit verschwunden, die Namen der Bekannten wisse er nicht mehr.
C.- Das Strafgericht des Kantons Zug sprach A. am 1. August 1979 des Pfändungsbetrugs gemäss Art. 164 Ziff. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn deswegen mit fünf Monaten Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft.
Das Strafobergericht wies am 13. September 1979 die dagegen eingereichten Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ab und bestätigte das Urteil der ersten Instanz.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug führt gegen das Urteil des Strafobergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung im Sinne einer Bestrafung des Angeklagten gestützt auf Art. 323 Ziff. 2 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Aus den Erwägungen:
2. Die Staatsanwaltschaft macht in ihrer zu Gunsten des Verurteilten eingereichten Nichtigkeitsbeschwerde geltend, A. sei im angefochtenen Urteil wegen einer Nachtat bestraft worden, die zur Hauptsache bereits durch das Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 29. August 1978 geahndet worden sei, das Strafobergericht habe den Grundsatz "ne bis in idem" verletzt und gegen Bundesrecht ( Art. 1 und 68 StGB ) verstossen. Diese Argumentation stützt sich auf die Überlegung, der Betrag von Fr. 200'000.- sei durch Betrug erlangt worden und dieser Betrug sei durch die Verurteilung in Basel abgegolten; der jetzt in Frage stehende Pfändungsbetrug betreffe den gleichen Schaden von Fr. 200'000.- zum Nachteil des gleichen Geschädigten. A. habe lediglich die bereits erreichte und strafrechtlich abgeurteilte Vermögensschädigung des D. zu erhalten und zu sichern versucht. Sowenig ein Dieb nachträglich noch Hehler an der von ihm gestohlenen Sache sein könne, sowenig könne ein Betrüger die von ihm ertrogenen Vermögenswerte noch einmal gegenüber dem gleichen Opfer ertrügen, etwa durch Verschweigen bei der Pfändung. Dieses Verschweigen sei daher lediglich als Ungehorsam des Schuldners im Betreibungsverfahren gemäss Art. 323 Ziff. 2 StGB zu bestrafen.
3. Dass das A. zur Last gelegte Verschweigen der für die Pfändung einer ihm zustehenden Forderung wesentlichen Angaben zum Nachteil des Gläubigers D. erfolgte und an sich den Tatbestand von Art. 164 StGB erfüllt, ist in diesem Verfahren nicht streitig. Die Staatsanwaltschaft vertritt jedoch die Auffassung, diese Aufrechterhaltung eines betrügerisch erlangten Vorteils sei straflose Nachtat des Betruges und dürfe daher nicht als Pfändungsbetrug geahndet werden.
a) Wie die Vorinstanz - unter Hinweis auf die einschlägige Literatur - zutreffend ausführt, kann von einer straflosen Nachtat nur die Rede sein, wenn die Vortat den Unrechtsgehalt des spätern Tatbestandes in jeder Hinsicht bereits miterfasst. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Mit dem Betrugstatbestand ist keineswegs als "übliche" Nachtat verbunden und daher mitabgegolten, dass der Betrüger sich in der vom Geschädigten eingeleiteten Betreibung durch unrichtige Angaben gegen den aus dem Betrug stammenden Schadenersatzanspruch zur Wehr setzt. Das rechtswidrige Verhalten im Betreibungsverfahren bildet ein selbständiges Delikt, das weder subjektiv noch objektiv durch den vorangehenden Betrug bereits determiniert ist. Während das Verheimlichen des Diebesgutes durch den Dieb gewissermassen notwendig mit dem Diebstahl verbunden ist und daher nicht zu einer separaten Bestrafung (Art. 137/144 StGB) führt, besteht zwischen Betrug und nachfolgendem Pfändungsbetrug keine derartige Verbindung.
b) Gegen das Argument, Art. 164 StGB schütze nicht nur die Vermögensrechte der Gläubiger, sondern auch das Zwangsvollstreckungsverfahren, das geschützte Rechtsgut von Art. 148 und Art. 164 sei also nicht identisch, lässt sich einwenden, das Betreibungsverfahren als solches sei durch Art. 323 StGB geschützt; wenn keine Benachteiligung der Gläubiger zu ahnden sei, genüge die Anwendung dieser Norm. Dieser Einwand kann aber im vorliegenden Fall nicht zur Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde führen, weil eben die beabsichtigte Benachteiligung des Gläubigers nicht einfach eine notwendige Folge des vorangehenden Betruges darstellt, sondern eine in einer neuen Situation begangene selbständige Straftat. Dass im konkreten Fall das inkriminierte Schweigen gegenüber dem Betreibungsbeamten der Perpetuierung des durch den Betrug verursachten Vermögensschadens dient, vermag die Anwendung
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von Art. 164 StGB nicht auszuschliessen; denn es handelt sich um eine nachträgliche, neue deliktische Handlung, mit welcher im Zwangsvollstreckungsverfahren die Deckung oder teilweise Deckung des Betrugsschadens vorsätzlich be- oder verhindert wird. Dass der Dieb oder Betrüger, der das durch die Vortat Erlangte verbraucht hat und auch keine andern pfändbaren Objekte besitzt, in einem vom Geschädigten eingeleiteten Betreibungsverfahren keinen Pfändungsbetrug begehen kann, ist selbstverständlich und spricht nicht gegen die Strafbarkeit jenes Täters, der in einem solchen Verfahren durch unrichtige Angaben der Deckung des Deliktschadens bewusst entgegenwirkt. Die Auffassung der Beschwerdeführerin hätte zur Folge, dass ein Delinquent in dem vom Geschädigten eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren mit deliktischen Mitteln straflos die Eintreibung des vorher verursachten Deliktschadens verhindern könnte; denn ein völlig neuer Vermögensschaden wird damit ja nicht verursacht, sondern "nur" die durch einen andern Straftatbestand bereits erfasste Schädigung aufrecht erhalten. Der bereits durch ein Delikt Geschädigte wäre also gegen Benachteiligung bei der Eintreibung des Schadenersatzes strafrechtlich nicht geschützt. Ein sachlicher Grund für eine derartige Straflosigkeit von Konkurs- und Betreibungsdelikten, die zum Nachteil von bereits durch ein vorangehendes Vermögensdelikt geschädigten Gläubigern begangen werden, besteht nicht.c) Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nicht nur die Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter - Vermögen einerseits (Art. 148 StGB), Anspruch des Gläubigers auf korrekte Durchführung der Betreibung anderseits (Art. 164 StGB) - der Annahme einer straflosen Nachtat entgegensteht, sondern dass die unrichtige Angabe in der Betreibung eine gegenüber dem vorangehenden Betrug selbständige, tatbestandsmässige Handlung ist, die von Art. 148 StGB keineswegs miterfasst wird. Im konkreten Fall hat der Täter zwar schon im Strafverfahren wegen Betruges exakte Angaben über das Schicksal des ertrogenen Geldes verweigert und diese Weigerung wirkte möglicherweise bei der damaligen Strafzumessung straferhöhend. Auch dieser Umstand steht jedoch der Bestrafung der inhaltlich gleichen Weigerung im Betreibungsverfahren gemäss Art. 164 StGB nicht entgegen. Bei der Bemessung der Strafe für den Pfändungsbetrug dürfte der Zusammenhang
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mit dem vorangehenden Betrug und dem durch das Basler Urteil erfassten Verschulden übrigens gebührend berücksichtigt worden sein. Im Strafmass von 5 Monaten kommt dies zum Ausdruck.Durch die Anwendung von Art. 164 StGB hat die Vorinstanz somit keine bundesrechtliche Vorschrift verletzt.
Referenzen
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