Urteilskopf
106 IV 72
25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Januar 1980 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen F. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Art. 19 Ziff. 1 BetmG. Abgrenzung zwischen Täterschaft und Gehilfenschaft.
Wer selber einen der in Art. 19 Ziff. 1 BetmG umschriebenen Tatbestände objektiv und subjektiv erfüllt, macht sich als Täter strafbar und ist nicht bloss Gehilfe, auch wenn er sich einem Mittäter unterordnet und nach dessen Weisungen handelt.
Aus den Erwägungen:
2. a) Das Kantonsgericht stellt zutreffend fest, dass der Beschwerdegegner durch die Mitwirkung bei der Einfuhr, beim Transport, bei der Lagerung und der Verteilung von 70,5 kg Haschisch sich gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und 5 BetmG strafbar gemacht hat. Obschon er mit seinen vorsätzlichen Handlungen die erwähnten Tatbestände selbständig erfüllte, wurde er nur der wiederholten Gehilfenschaft zu Widerhandlungen gegen das BetmG schuldig gesprochen. Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, auch wenn ein Beteiligter eine Ausführungshandlung im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 BetmG begehe, sei
BGE 106 IV 72 S. 73
er nicht ohne weiteres Täter, sondern allenfalls nur Gehilfe, sofern er sich einem Haupttäter untergeordnet und seinerseits keine Tatherrschaft erstrebt habe. Das treffe beim Beschwerdegegner zu, denn er sei nie auf eigene Initiative hin tätig geworden, sondern habe als Zudiener seines Bruders dessen Weisungen ausgeführt, ohne eigene Interessen zu verfolgen.b) Mit dieser Auslegung verkennt das Kantonsgericht die Tragweite der Tatbestandsumschreibungen in Art. 19 Ziff. 1 BetmG. Jede der dort aufgeführten Handlungen hat nach der gesetzlichen Ordnung die Bedeutung eines selbständigen Straftatbestandes und wird als vollendetes Delikt mit Strafe bedroht. Wer in eigener Person alle Merkmale eines dieser gesetzlichen Straftatbestände objektiv und subjektiv erfüllt, ist daher Täter und untersteht als solcher der vollen Strafdrohung. Ob er die Tat aus eigener Initiative oder auf Weisung eines andern begangen habe, ändert nichts daran, dass er die gesetzlich umschriebene Handlung allein ausgeführt und verwirklicht hat und somit als Täter verantwortlich ist. Nicht anders verhält es sich, wenn derjenige, der unbefugt Betäubungsmittel einführt, aufbewahrt, befördert usw., einer Rauschgiftbande angehört. Für die von ihm selber begangenen Handlungen hat er auch dann als Täter einzustehen, wenn er ohne Verfolgung eigener lnteressen auf Geheiss gehandelt hat oder wenn er in der Organisation eine nur dienende Stellung einnahm und seiner Handlung im Rahmen des ganzen Rauschgiftgeschäfts nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Das Unterordnungsverhältnis macht ihn rechtlich nicht zum Gehilfen; dieser Umstand ist gegebenenfalls bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Gehilfenschaft setzt voraus, dass die objektive Mitwirkung an der Tat eines andern sich auf einen untergeordneten, vom Gesetz nicht bereits als selbständiges Delikt erfassten Beitrag beschränkt. Diese Teilnahmeform ist an sich auch bei den in Art. 19 Ziff. 1 BetmG möglich, so z.B., wenn ein Mitwirkender nicht selber Betäubungsmittel befördert, aber ein Fahrzeug für den Transport zur Verfügung stellt oder beim Einbau eines Geheimfaches in ein Fahrzeug hilft. Wer jedoch selber einen oder mehrere gesetzliche Straftatbestände erfüllt, macht sich als Täter strafbar und ist nicht bloss Gehilfe, auch wenn er von einem Mittäter abhängig ist und nach dessen Weisungen handelt.
F. ist daher als Täter schuldig zu sprechen und zu bestrafen; er war bereit, jede ihm vom Bruder im Dienste des Rauschgifthandels zugedachte Funktion zu übernehmen und hat durch seine Handlungen auch objektiv die Straftatbestände des Einführens, Aufbewahrens, Beförderns und Verteilens von Betäubungsmitteln gesetzt.