4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. März 1983 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste
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Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 StGB.
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Sachverhalt
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BGE 109 IV 10 (10):
A.- Mit Urteil des Bezirksgerichts Kreuzlingen vom 12. November 1980 wurde W. unter anderem wegen wiederholten Diebstahls, Sachbeschädigung und wiederholten sowie fortgesetzten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 9 Monaten Gefängnis (abzüglich 10 Tage Untersuchungshaft) verurteilt. Die Strafe wurde aufgeschoben und eine "ambulante Behandlung im Sinne von Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB nach Weisung und unter Kontrolle der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen angeordnet". Weiter wurde festgelegt, dass die bestehende Schutzaufsicht bis zum definitiven Entscheid über den Vollzug der Strafe fortzuführen war.
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Das Amtsgericht Kleve (BRD) verurteilte W. am 11. Mai 1981 wegen Beihilfe zur unzulässigen Ausfuhr von Betäubungsmitteln im besonders schweren Fall und Abgabenhinterziehung, beides begangen am 22. Februar 1981, zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten. Beim Bezirksamt Frauenfeld ist ausserdem ein Strafverfahren wegen Verletzung des Betäubungsmittelgesetzes durch Drogenkonsum und -handel hängig.
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BGE 109 IV 10 (11):
Mit Entscheid vom 28. April/3. Juni 1982 widerrief das Bezirksgericht Kreuzlingen den mit Urteil vom 12. November 1980 gewährten Strafaufschub.
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B.- Mit Beschluss vom 14. Oktober 1982 bestätigte die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau den Widerruf des Strafaufschubs und ordnete für die Zeit des Freiheitsentzugs die ambulante Behandlung durch die Psychiatrische Klinik Münsterlingen an.
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C.- W. führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Entscheid der Rekurskommission sei aufzuheben.
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Aus den Erwägungen:
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b) Vorliegend geht es um die Aufhebung einer ambulanten Massnahme und nicht um die Anordnung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe infolge Widerrufs des bedingten Strafvollzugs im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 StGB. Die Aufhebung der ambulanten Behandlung setzt nur voraus, dass sich diese als unzweckmässig oder für andere gefährlich erwiesen hat. Eine direkte Anwendung von Art. 41 Ziff. 3 StGB beim Entscheid über die Aufhebung einer ambulanten Therapie ist ausgeschlossen; diese Bestimmung darf aber im Einzelfall auf dem Wege der Analogie herangezogen werden.
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c) Die ambulante Behandlung kann - muss aber nicht - als unzweckmässig erscheinen, wenn sich der Verurteilte (analog demjenigen, der sich beharrlich der Schutzaufsicht entzieht) ihr widersetzt, indem er der Therapie fernbleibt. Auch die Begehung neuer Delikte während der ambulanten Behandlung kann auf deren Unzweckmässigkeit hinweisen. Immerhin muss nicht jedes neue Vergehen oder Verbrechen, selbst wenn es von einer gewissen Schwere ist, zwingend zur Aufhebung der ambulanten Therapie BGE 109 IV 10 (12):
führen. Aufgrund der konkreten Umstände ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Weiterführung der ambulanten Behandlung als zweckmässig erscheine.
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Vorliegend wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, die ambulante Behandlung (Gesprächstherapie) von sich aus abgebrochen und schon zwei Monate nach Anordnung der Massnahme erneut delinquiert (Jugendstrafe von 8 Monaten) zu haben. Besondere Umstände, die eine Weiterführung der ambulanten Behandlung trotzdem als zweckmässig erscheinen liessen, liegen nicht vor. Die Vorinstanz verletzte deshalb kein Bundesrecht, wenn sie auf Unzweckmässigkeit der ambulanten Behandlung schloss.
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d) Bei Aufhebung der ambulanten Massnahme infolge Unzweckmässigkeit hat der Richter über die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt bzw. über den Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafe zu entscheiden. Die Anordnung der Vollstreckung der Strafe setzt gemäss Art. 43 Ziff. 3 StGB keine förmliche Mahnung voraus.
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Im übrigen würde im vorliegenden Fall auch die analoge Anwendung von Art. 41 Ziff. 3 StGB der Anordnung des Vollzugs der Freiheitsstrafe nicht im Wege stehen. Diese Bestimmung sieht die förmliche Mahnung nur für den Fall der Nichtbeachtung einer richterlich erteilten Weisung vor, nicht aber für den Widerruf wegen neuer Vergehen oder Verbrechen. Der Beschwerdeführer wurde am 11. Mai 1981 vom Amtsgericht Kleve/BRD zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wäre deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt.
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