BGE 109 IV 18 |
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Januar 1983 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) |
Regeste |
Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 125 Abs. 2 StGB. |
Aus den Erwägungen: |
2. a) Schwer im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB ist eine Schädigung dann, wenn sie den Anforderungen des Art. 122 StGB entspricht (BGE 105 IV 180; BGE 93 IV 12 mit Verweisungen). Nach dieser Bestimmung liegt eine schwere Körperverletzung u.a. vor, wenn entweder eine lebensgefährliche Verletzung gegeben war oder ein Körperteil, ein wichtiges Organ oder Glied des Geschädigten verstümmelt oder unbrauchbar gemacht wurde. |
b) Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 277bis Abs. 1 und 273 Abs. 1 lit. b BStP) erlitten die beiden Geschädigten durch den Zusammenstoss folgende Verletzungen:
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- G.P.: einen Milzriss und Rippenserienfrakturen auf der linken Seite.
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- A.P.: einen zweiseitigen Milzriss, beidseitige Unterschenkelfrakturen, eine Beckenringfraktur, eine Rissquetschwunde am linken Ellenbogen, eine Fingerfraktur rechts sowie eine Mehrfragmentfraktur der rechten Kniescheibe. Als Folge der Rippenfrakturen kam es zu einem Milzriss mit Kreislaufzusammenbruch wegen Blutschocks. Die Milz musste drei Tage nach dem Unfall entfernt werden. Als Folge der Verletzungen trat während der Hospitalisierung in Chur eine linksseitige Lungenembolie auf. Der Geschädigte befand sich etwa zwei Wochen im Kantonsspital in Chur und anschliessend etwa zwei Monate im Krankenhaus in Lugano. Nach seiner Entlassung musste er an Krücken gehen und war während zwei bis drei Monaten in Behandlung. Ende Oktober 1980 musste er nochmals operiert werden und sich die Metallplatten in den Beinen entfernen lassen.
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c) Im Vordergrund steht mit Bezug auf beide Geschädigte zunächst die Frage, ob der Milzriss eine schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 bzw. 125 Abs. 2 StGB darstelle. Die Milz ist unbestreitbar ein Organ des Menschen. Ob sie ein wichtiges Organ im Sinne von Art. 122 StGB sei, wurde vom Bundesgericht bisher nicht entschieden. Kantonale Gerichte verneinten die Frage mit der Begründung, die Funktion der Milz im menschlichen Organismus sei nicht restlos abgeklärt, doch stehe jedenfalls fest, dass ihre Entfernung in der Regel für die Betroffenen keine grösseren Nachteile bringe (z.B. Urteile der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. Juli 1973 und des Polizeigerichts Glarus vom 7. September 1965, publiziert in SJZ 69/1973, S. 323/24 und 62/1966, S. 377/78). Ob die Milz ein wichtiges Organ im Sinne der genannten Bestimmung sei, kann indessen offen gelassen werden. Die Vorinstanz bejahte eine schwere Körperverletzung nicht mit der Begründung, es sei ein wichtiges Organ unbrauchbar gemacht worden (Ziff. 1 Abs. 2 von Art. 122 StGB), sondern damit, dass die Geschädigten lebensgefährlich verletzt worden seien (Ziff. 1 Abs. 1 der genannten Bestimmung). |
Aus der Tatsache, dass der Mensch ohne Milz leben kann, darf allenfalls geschlossen werden, sie sei kein wichtiges Organ im Sinne von Art. 122 StGB. Das bedeutet aber noch nicht, dass bei Verletzung dieses Organs eine schwere Körperverletzung begrifflich ausgeschlossen wäre. Eine lebensgefährliche Verletzung im Sinne von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann sowohl durch die Verletzung eines lebensnotwendigen wie eines nicht-lebenswichtigen Organs verursacht werden. Die Vorinstanz nahm eine lebensgefährliche Verletzung an, indem sie festhielt, dass die Verletzungen der Geschädigten objektiv geeignet gewesen seien, ihren Tod zu bewirken. Diese Annahme ist nicht zu beanstanden.
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Wie in der Beschwerdeschrift selbst ausgeführt wird, entstehen bei Milzrupturen Blutungen, welche nicht besonders stark sein müssen, aber nicht mehr von selbst aufhören. Im zitierten Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich hatte der damalige Sachverständige bemerkt, bei Zerreissungen der Milz bestehe insofern eine unmittelbare Lebensgefahr, als ohne ärztlichen Eingriff der Tod durch innere Blutung früher oder später eintrete. Im vorliegenden Fall führte die Vorinstanz gestützt auf einen Bericht der chirurgischen Klinik des Kantonsspitals Chur aus, das G.P. beim Spitaleintritt eine Verletzung an der Milz aufgewiesen habe, welche, wenn nicht sofort operativ vorgegangen worden wäre, zum Verbluten und damit zum Tod hätte führen können. Gleiches gilt mit Bezug auf den noch schwerer verletzten A.P.
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Die vom Gesetz geforderte Lebensgefahr muss eine unmittelbare sein. Es genügt nicht, dass die Verletzung einigermassen gefährlich ist und die Möglichkeit des Todes in etwelche Nähe rückt, wie dies z.B. bei einem Beinbruch der Fall sein kann. Von lebensgefährlicher Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 StGB darf nur gesprochen werden, wenn die Verletzung zu einem Zustand geführt hat, in dem sich die Möglichkeit des Todes dermassen verdichtete, dass sie zur ernstlichen und dringlichen Wahrscheinlichkeit wurde (vgl. die Ausführungen im zitierten Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich mit Verweisungen). Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall erfüllt, weil nach den vorinstanzlichen Feststellungen die Milzrisse ohne sofortigen operativen Eingriff zum Tode hätten führen können. Der vorinstanzliche Schluss, es habe eine lebensgefährliche Verletzung im Sinne von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 StGB vorgelegen, ist demnach nicht zu beanstanden. |
d) Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, dringt nicht durch. Er macht unter Hinweis auf den wiederholt zitierten Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich geltend, von einer unmittelbaren und schweren Verletzung dürfe dann nicht gesprochen werden, wenn der Verletzte rechtzeitig wirksamer ärztlicher Hilfe zugeführt werden könne. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, weil sie die vom Täter geschaffene unmittelbare Lebensgefahr einerseits und die vom Täter unabhängige, oft von Zufälligkeiten beeinflusste Möglichkeit sofortiger ärztlicher Behandlung andererseits in unzulässiger Weise miteinander vermengt. Wohl kann eine drohende und ernsthafte Lebensgefahr unter Umständen durch einen sofortigen medizinischen Eingriff herabgesetzt oder aufgehoben werden. Das schafft aber die Tatsache nicht aus der Welt, dass der Täter zuerst eine ernsthafte Lebensgefahr geschaffen hat. Nach der Rechtsprechung genügt es, dass der Geschädigte durch die ihm zugefügte Schädigung der Lebensgefahr ausgesetzt war; wie lange dieser Zustand dauerte, ist unerheblich (BGE 91 IV 194 E. 2). Unerheblich ist also auch, ob die Lebensgefahr rasch behoben werden konnte oder nicht. Die gleiche Verletzung kann nicht das eine Mal eine schwere und das andere Mal eine leichte sein, je nachdem ob sie in der Nähe eines Spitals, wo in der Regel rasche Hilfe zur Stelle ist, oder in einer abgelegenen Gegend erfolge, ob die zufälligen Witterungseinflüsse zur Unfallzeit einen raschen Helikoptereinsatz oder die (oft ebenfalls witterungsbedingten) Strassenverhältnisse einen schnellen Autotransport zum Spital ermöglichen oder nicht.
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Stellen Milzrisse für sich allein schon eine schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 bzw. 125 Abs. 2 StGB dar, muss auf die vom Beschwerdeführer gemachten weiteren Ausführungen über den Einfluss der übrigen Verletzungen nicht näher eingetreten werden. Die Beschwerde erweist sich mithin in diesem Punkt als unbegründet.
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