BGE 109 IV 63
 
18. Urteil der Anklagekammer vom 3. Mai 1983 i.S. C. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft
 
Regeste
Verjährung von Entschädigungsansprüchen gemäss Art. 122 BStP. Die absolute Verjährung von Entschädigungsforderungen für die ausgestandene Untersuchungshaft und damit verbundene Nachteile im Sinne von Art. 122 BStP tritt 10 Jahre nach Entlassung aus der Untersuchungshaft ein.
 
Sachverhalt


BGE 109 IV 63 (63):

A.- Am 24. Mai 1972 wurde C. aufgrund eines Haftbefehls des Bundesanwalts u.a. wegen Verdachts des Herstellens, Verbergens und Weiterschaffens von Sprengstoffen (Art. 226 StGB) in Untersuchungshaft gesetzt. Da ihm eine strafbare Handlung nicht nachgewiesen werden konnte, wurde er am 6. Juli 1972 aus der Haft entlassen und das Verfahren wegen Verletzung von Art. 226 StGB eingestellt. Bezüglich anderer Verdachtspunkte, deren Verfolgung und Beurteilung an die Behörden des Kantons Zürich delegiert wurden, erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich am 22. November 1982 wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eine Einstellungsverfügung.
B.- Mit Eingabe vom 14. April 1983 ersucht C. für die Untersuchungshaft und damit verbundene weitere Nachteile ("politischer, beruflicher, moralischer und finanzieller Schaden") um Ausrichtung einer Entschädigung in der Höhe von Fr. 10'000.--.
C.- In ihrer Vernehmlassung vom 27. April 1983 beantragt die Bundesanwaltschaft, das Begehren sei abzuweisen, da der Anspruch auf Entschädigung verjährt sei.
 
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. Art. 122 BStP sieht vor, dass dem Beschuldigten, gegen den die Untersuchung eingestellt wird, auf dessen Begehren eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, auszurichten ist. Zur Frage der Verjährung dieser Entschädigungsansprüche enthält die genannte Gesetzesbestimmung

BGE 109 IV 63 (64):

nichts. Das Institut der Verjährung wird indessen aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch dann anerkannt, wenn eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt (BGE 108 Ib 151 E. 4a mit Verweisungen); dies gilt sowohl für Forderungen des Gemeinwesens an den Bürger wie auch für solche des Bürgers an das Gemeinwesen (BGE 97 I 626 E. 6a).
Sofern im massgeblichen Erlass Vorschriften über Beginn und Dauer der Verjährung sowohl für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch als auch für vergleichbare Forderungen fehlen, sind die gesetzlichen Fristenregelungen anderer Erlasse für verwandte Ansprüche heranzuziehen (BGE 108 Ib 151 E. 4a).
2. Als Erlass, der vergleichbare Entschädigungsansprüche regelt und überdies Bestimmungen zur Verjährung aufweist, bietet sich hier das Verantwortlichkeitsgesetz an, das in Art. 20 für Begehren auf Schadenersatz und Genugtuung eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung vorsieht. Diese Regelung entspricht im übrigen derjenigen in Art. 60 Abs. 1 OR. Gründe, welche gegen die analoge Heranziehung der Verjährungsvorschriften in Art. 20 Verantwortlichkeitsgesetz sprächen, liegen nicht vor; vielmehr trägt die Dauer der absoluten Verjährungsfrist von 10 Jahren für Entschädigungsforderungen aus Art. 122 BStP sowohl den Interessen des Beschuldigten nach einer nicht zu kurz bemessenen Frist als auch den öffentlichen Interessen an der Wahrung der Rechtssicherheit Rechnung.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch um Ausrichtung einer Entschädigung gemäss Art. 122 BStP wird abgewiesen.