Urteilskopf
109 IV 111
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Oktober 1983 i.S. M. gegen B., Firma EBO S.à r.l. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Art. 159 StGB; ungetreue Geschäftsführung.
Der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft verletzt seine Treuepflicht auch dann, wenn sich seine schädigenden Dispositionen direkt und ausschliesslich auf die Vermögensinteressen der Muttergesellschaft auswirken.
Aus den Erwägungen:
2. In der Beschwerdebegründung wird gegen die Verurteilung wegen ungetreuer Geschäftsführung sodann eingewendet, die Gewinnabschöpfung durch die BAKO-Anstalt habe keine Schädigung der EBO France zur Folge haben können, weil diese Gewinne - nach der vorherigen Geschäftsabwicklung - nicht der Tochtergesellschaft, sondern direkt der Muttergesellschaft (EBO AG Adliswil) zugeflossen wären; auch wenn M. als Geschäftsführer der EBO France betrachtet werde, so könne er somit durch das inkriminierte Vorgehen seine Pflicht, für das Vermögen dieser Gesellschaft zu sorgen, nicht verletzt haben; bei der schweizerischen EBO AG aber habe er im Zeitpunkt der inkriminierten Überweisungen keine Geschäftsführerfunktion mehr gehabt.
a) Als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft, die nach ihrer Zweckbestimmung im Interesse der Muttergesellschaft arbeiten soll, durfte M. selbstverständlich Gewinne durch die Muttergesellschaft direkt abschöpfen lassen. Zur Geschäftsführerpflicht gehört in dieser Situation auch die Erzielung jener Gewinne, welche abmachungsgemäss direkt durch die Muttergesellschaft eingezogen werden und daher gar nie in die Kasse der Tochtergesellschaft fliessen. Der Umfang der Treuepflicht des Geschäftsführers einer Tochtergesellschaft kann nach der ratio legis von Art. 159 StGB nicht davon abhängen, ob der Ertrag bei der Tochtergesellschaft bleibt oder ob er vorweg (wie im Falle der EBO France) oder nachträglich (bei periodischen Abschlüssen) an die Muttergesellschaft geht. Unter dem Aspekt der Treuepflicht steht ausser Zweifel, dass der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft auch insoweit für das Vermögen seiner Firma sorgen muss, als dieses Vermögen direkt oder indirekt der Muttergesellschaft zufliesst. Lässt er - wie im vorliegenden Fall - die an sich der Muttergesellschaft zukommenden Gewinne an eine von ihm beherrschte Firma gehen, um diese Mittel so der Muttergesellschaft zu entziehen, so verstösst er damit in krasser Weise gegen seine Treuepflicht und schädigt
BGE 109 IV 111 S. 113
Vermögensinteressen, für die er zu sorgen verpflichtet ist. Dem Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft ist in diesem Sinne nicht nur die Sorge für das Vermögen dieser Tochtergesellschaft anvertraut, sondern er hat auch für die Vermögensinteressen der Muttergesellschaft zu sorgen, soweit sich dies aus der Organisation und dem Zweck der Tochtergesellschaft ergibt. Ziel der Gründung einer Tochtergesellschaft ist ja oft gerade die Wahrnehmung von (finanziellen) Interessen der Muttergesellschaft. Dass der Beschwerdeführer durch das ihm zur Last gelegte Vorgehen unter Einschaltung der BAKO-Anstalt seine Geschäftsführerpflicht verletzte, kann nicht ernstlich bezweifelt werden. Die Auswirkung dieser Untreue war eine Beeinträchtigung der Vermögensinteressen, für die er (als Geschäftsführer) zu sorgen hatte. Die strafrechtliche Verantwortung wird dadurch nicht tangiert oder gar aufgehoben, dass die Mittel, welche M. sich aneignete, bei korrekter Geschäftsabwicklung vermutlich direkt von der Muttergesellschaft abgeschöpft und nicht durch die Tochtergesellschaft eingenommen worden wären. Die Regelung finanzieller Beziehungen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft ändert an der Treuepflicht des Geschäftsführers nichts; sein pflichtwidriges, Schaden verursachendes bzw. Gewinn verhinderndes Verhalten ist vom Obergericht zu Recht unter Art. 159 StGB subsumiert worden.