Urteilskopf
109 IV 159
44. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 13. Juli 1983 i.S. B. gegen Bundesamt für Polizeiwesen
Regeste
Art. 47 BG über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG).
Während des Auslieferungsverfahrens ist die Verhaftung des Angeschuldigten die Regel. Ausnahmen rechtfertigen sich nur bei Vorliegen der in Art. 47 Abs. 1 lit. a oder b und Abs. 2 IRSG genannten Voraussetzungen.
A.- Gestützt auf einen wegen Mordversuchs und Widerhandlungen gegen die Waffengesetzgebung am 22. Januar 1976 vom Strafgericht von Civril (Türkei) gegen B. erlassenen Haftbefehl und ein von der türkischen Botschaft in Bern am 16. Februar 1983 gestelltes bzw. am 21. Mai 1983 ergänztes formelles Auslieferungsgesuch ordnete das Bundesamt für Polizeiwesen am 16. Juni 1983 die Verhaftung des genannten türkischen Staatsangehörigen an; dieser wurde am 26. Juni 1983 in Haft gesetzt und daraufhin unverzüglich einvernommen.
B.- Mit Eingabe vom 1. Juli 1983 ficht B. diesen Auslieferungshaftbefehl mit Beschwerde bei der Anklagekammer des Bundesgerichts an. Er beantragt, der Haftbefehl sei aufzuheben und er sei aus der Haft zu entlassen. Gleichzeitig stellt er ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und insbesondere um Bezeichnung des Verteidigers als Armenanwalt.
Das Bundesamt für Polizeiwesen beantragt Abweisung der Beschwerde und des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege, evtl. Rückweisung dieses Gesuchs zu näherer Begründung.
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 47 des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) ist die Verhaftung des
BGE 109 IV 159 S. 160
Angeschuldigten während des Auslieferungsverfahrens die Regel. Ausnahmen rechtfertigen sich nur, wenn die Voraussetzungen des Art. 47 Abs. 1 lit. a oder b IRSG gegeben sind oder wenn gemäss Art. 47 Abs. 2 IRSG wegen Hafterstehungsunfähigkeit des Verfolgten oder wegen anderer Gründe (z.B. offensichtliche Unbegründetheit des Auslieferungsbegehrens) die Anordnung anderer sichernder Massnahmen als geboten erscheint.
2. Dass B. nicht hafterstehungsfähig und das Auslieferungsgesuch der türkischen Botschaft a priori unbegründet sei, wird in der Beschwerde selber nicht behauptet. Es wird in dieser auch nicht der Versuch unternommen nachzuweisen, dass der Beschwerdeführer zur Zeit der ihm zur Last gelegten Taten nicht am Tatort gewesen sei. Zu prüfen bleibt daher einzig noch, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sich voraussichtlich der Auslieferung entziehen und die Strafuntersuchung gefährden werde. Ersteres wird in der Beschwerde bestritten. B. macht geltend, er habe schon seit 1981 gewusst, dass er vom türkischen Staat weiter verfolgt werde. Dennoch habe er sich vor Polizeigericht des Kantons Basel-Stadt wegen Missachtung der Einreisesperre und Verwendung eines echten, aber ihm nicht zustehenden Ausweispapiers verantwortet. Auch habe er sich im Rahmen des von ihm angestrengten Asylverfahrens den Behörden für sämtliche Befragungen zur Verfügung gestellt und sei stets einer Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Diese Argumentation lässt ausser Acht, dass das Asylgesuch des Beschwerdeführers am 15. Oktober 1982 in erster Instanz abgewiesen worden ist und dass die B. angeblich seit 1981 bekannte Tatsache, wonach der türkische Staat ihn wegen strafbarer Handlungen verfolge, erst mit der Einreichung des Auslieferungsgesuchs durch die türkische Botschaft eine für ihn bedrohliche Aktualität erlangt hat. Angesichts dieser veränderten Sachlage aber, ist die Möglichkeit, er werde sich durch Flucht der Auslieferung entziehen, in solche Nähe gerückt, dass dem Begehren um Entlassung aus der Auslieferungshaft nicht entsprochen werden kann. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer früher stets einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, steht dies einer Flucht doch in keiner Weise entgegen.