BGE 136 IV 170
 
25. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Beschwerde in Strafsachen)
 
6B_600/2010 vom 26. November 2010
 
Regeste
Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; mehrfache falsche Anschuldigung.
 
Sachverhalt


BGE 136 IV 170 (170):

A.
A.a In den Jahren 2003 und 2004 war im Kanton Solothurn nach einer Reihe von Hausdurchsuchungen in Anwaltskanzleien in Fachkreisen eine heftige Kontroverse um die Hausdurchsuchungspraxis der kantonalen Strafverfolgungsbehörden bei Geheimnisträgern, namentlich Rechtsanwälten, entbrannt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob bei einem Geheimnisträger eine erste, summarische Sichtung von Daten im Hinblick auf eine spätere Triage von Vertretern der Untersuchungsbehörde oder nur von einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Drittperson (Sachverständiger, Richter) vorgenommen werden dürfe.
Im Zuge dieser Kontroverse erhob der Solothurnische Anwaltsverband (SolAV), vertreten durch Rechtsanwalt X., mit Schreiben vom 18. Oktober 2004 an den Regierungsrat des Kantons Solothurn Strafanzeige gegen die verantwortlichen Personen des Untersuchungsrichteramtes Solothurn, die Untersuchungsrichter (UR) U. und P., wegen Verdachts des mehrfachen Amtsmissbrauchs anlässlich zweier im Anwaltsbüro A. & B. in Solothurn durchgeführter

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Hausdurchsuchungen. Das gegen die beiden Untersuchungsrichter in der Folge eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte der vom Regierungsrat des Kantons Solothurn ernannte a.o. Staatsanwalt mit Entscheid vom 22. Dezember 2004 ein. Hiegegen führte der SolAV sowohl Beschwerde als auch Rekurs, welche die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn mit Urteil vom 10. Mai 2005 abwies.
Ein am 5. April 2004 eröffnetes Aufsichtsverfahren gegen die UR U. und P. stellte der Staatsanwalt in Abweisung der von den betroffenen Anwälten erhobenen Aufsichtsbeschwerde mit Verfügung vom 20. Oktober 2004 ein.
A.b Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn eröffnete im Gegenzug am 18. April 2006 eine Strafuntersuchung gegen die verantwortlichen Organe des SolAV und Rechtsanwalt X. wegen falscher Anschuldigung. Mit Verfügung vom 2. November/5. Dezember 2007 stellte der a.o. Staatsanwalt das Verfahren gegen zwei Personen vollumfänglich und gegen X. teilweise ein. In Bezug auf drei gegen UR U. erhobene Tatvorwürfe und auf zwei gegen UR P. erhobene Tatvorwürfe führte er das Verfahren gegen X. weiter. Mit Strafverfügung vom 5. Februar 2008 wurde X. wegen mehrfacher falscher Anschuldigung zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 200.- verurteilt.
A.c Auf Einsprache des Beurteilten hin sprach der Gerichtspräsident von Solothurn-Lebern X. mit Urteil vom 11. November 2008 vom Vorwurf der falschen Anschuldigung frei. In teilweiser Gutheissung einer von der Staatsanwaltschaft geführten Appellation erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn X. am 1. April 2010 in Bezug auf einen gegen UR U. und zwei gegen UR P. erhobene Tatvorwürfe der mehrfachen falschen Anschuldigung schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je Fr. 420.-, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. In Bezug auf zwei Behauptungen sprach es ihn frei.
B. X. führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei in den Ziffern 2, 3, 4 und 5 aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der mehrfachen falschen Anschuldigung freizusprechen.
C. Das Obergericht des Kantons Solothurn beantragt in seiner Stellungnahme die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat auf Vernehmlassung verzichtet.


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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 1
    a) Untersuchungsrichter U. habe das Hausrecht von Rechtsanwältin B. verletzt, sie zur Amtsgeheimnisverletzung genötigt und versucht, sich auf unbefugte Art geschützte Daten zu beschaffen;
    b) Untersuchungsrichter P. habe ohne jeden auch nur ansatzweise begründbaren Verdacht Durchsuchungen von Privaträumen nicht beschuldigter Anwälte angeordnet und dabei nur das Ziel gehabt, die beiden Betroffenen einzuschüchtern und gefügig zu machen;
    c) Untersuchungsrichter P. habe bei der Durchsuchung der Anwaltskanzlei der Rechtsanwälte A. & B. keine genügenden Vorkehren zum Schutz der betroffenen Berufsgeheimnisse getroffen.
Anlass für die gegen UR U. gerichtete Beschuldigung bot eine in den Räumlichkeiten des Advokaturbüros A. & B. am 27. August 2003 durchgeführte Hausdurchsuchung, bei welcher elektronische Daten sichergestellt wurden. Beide Anwälte erhoben, vertreten durch den Beschwerdeführer, gegen die im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung erlassenen Verfügungen Beschwerde, in welcher sie die Rechtmässigkeit der Durchsuchung und der Sicherstellung der Daten bestritten. Mit Entscheiden vom 24. März und 5. April 2004 erkannte das Obergericht des Kantons Solothurn in teilweiser Gutheissung der Beschwerde, die Daten seien den Rechtsanwälten zurückzugeben, soweit sie nicht nach einem im Einzelnen dargestellten Verfahren der Beschlagnahme zugewiesen würden. Das Obergericht nahm überdies an, die Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der Rechtsanwälte sei aufgrund des gegen Rechtsanwalt A. eröffneten Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts auf Konkursdelikte nicht unverhältnismässig gewesen.
Die Vorwürfe gegenüber UR P. beziehen sich auf einen von diesem am 15. Januar 2004 ausgestellten Durchsuchungsbefehl, nach welchem die Wohnungen und Büroräumlichkeiten der Rechtsanwälte A. und B. zu durchsuchen waren. Auf eine gegen diesen Hausdurchsuchungsbefehl von den beiden Rechtsanwälten erhobene Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Solothurn mit Beschluss vom

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6. April 2004 nicht ein, da die damals geltende kantonale Prozessordnung kein Rechtsmittel gegen einen Durchsuchungsbefehl kannte.
 
Erwägung 1.2
1.2.1 Die Vorinstanz nimmt in rechtlicher Hinsicht zunächst an, der Beschwerdeführer sei als Parteivertreter der Rechtsanwältin B. aufgrund seiner umfassenden Kenntnis der Rechtsanwalt A. betreffenden Beschwerdesache, seiner unbestrittenen Sachkompetenz in der Streitfrage sowie seines persönlichen Engagements sowohl über die Sachverhalte als auch über die Rechtslage der in der Strafanzeige beanstandeten Untersuchungshandlungen bestens im Bild gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass er nicht einfach allfällige Angaben seines Klienten, des SolAV, ungeprüft übernommen habe. Hinweise, wonach er von diesem instruiert worden sei, fänden sich in den Akten nicht. Vielmehr habe er sein eigenes Wissen und seine persönliche Erfahrung in die Strafanzeige einfliessen lassen. Demnach müsse sich der Beschwerdeführer den Inhalt der Strafanzeige ungeachtet des Mandatsverhältnisses als eigene Äusserung zurechnen lassen.
1.2.3 In subjektiver Hinsicht gelangt die Vorinstanz zum Schluss, der Beschwerdeführer habe aufgrund der klaren Ausführungen in den rechtskräftigen Beschwerdeentscheiden des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 23. März und 5. April 2004 genau gewusst, dass die in der Strafanzeige gegenüber UR U. erhobenen Vorwürfe nicht zugetroffen hätten. Indem er trotz Kenntnis der Einschätzung des Obergerichts, wonach das Vorgehen von UR U. verhältnismässig und rechtmässig gewesen sei, gegen UR U. Strafanzeige wegen mehrfachen Amtsmissbrauchs eingereicht habe, habe er ihn wider besseres Wissen beschuldigt. Wider besseres Wissen erhoben habe

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der Beschwerdeführer auch die Vorhaltungen gegenüber UR P. Er habe als Rechtsvertreter von Rechtsanwältin B. der von UR P. geleiteten Hausdurchsuchung beigewohnt, und es sei ihm der Durchsuchungsbefehl vorgelegt worden. Er habe auch gewusst, dass eine Hausdurchsuchung der Privatwohnungen der beiden Anwälte unterblieben sei.
Insgesamt handle es sich bei den in der Strafanzeige gemachten Vorhaltungen nicht mehr um die dezidierte Vertretung einer abweichenden Rechtsauffassung oder um blosse Übertreibungen. Der Beschwerdeführer habe vielmehr unwahre Behauptungen aufgestellt mit dem Ziel, die Betroffenen einer Bestrafung zuzuführen. Die Unwahrheit dieser Behauptungen habe sich für den Beschwerdeführer in klarer Weise aus den durchgeführten Beschwerdeverfahren ergeben. Aufgrund seiner persönlichen Kenntnis der wahren Gegebenheiten habe der Beschwerdeführer genau gewusst, dass die erhobenen Vorwürfe falsch und unzutreffend gewesen seien.
1.3 Die erste Instanz nahm demgegenüber an, die Behauptungen des Beschwerdeführers seien das Ergebnis von Schlussfolgerungen, die er aus seinen Beobachtungen als regelmässiger Parteivertreter von Opfern einer Hausdurchsuchung sowie aus den akuten Diskussionen in Anwaltskreisen zu der damaligen Problematik gemacht habe. Die von ihm vorgebrachten einzelnen Vorhalte träfen zwar nach dem Ergebnis des a.o. Untersuchungsrichters teilweise nicht zu, beruhten in tatsächlicher Hinsicht jedoch auf einer eigenwilligen, übertriebenen, von Voreingenommenheit geprägten Interpretation der solothurnischen Hausdurchsuchungspraxis bei Geheimnisträgern, die nicht nur als kritisch, sondern teilweise durchaus als anmassend bezeichnet werden dürfe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer der Unwahrheit seiner Behauptungen bewusst gewesen sei. Er habe die Anschuldigungen nicht wider besseres Wissen vorgetragen, weil er selbst der Auffassung gewesen sei, die von ihm beschuldigten Personen hätten sich tatsächlich strafrechtlich relevant verhalten.
1.4 Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, er habe keine Tatherrschaft gehabt. Er habe die Strafanzeige als Rechtsvertreter des SolAV erstattet und sei lediglich ein sachverständiger Gehilfe gewesen. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach er von seinem Klienten, dem SolAV, keine Instruktionen entgegengenommen habe, sei offensichtlich falsch. Der ausschliesslich aus Rechtsanwälten bestehende Vorstand des SolAV habe äusserst detailliert, über

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einen langen Zeitraum hinweg, jeweils aktuell und aus verschiedenen Quellen Kenntnis von der Praxis der Untersuchungsbehörden im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen bei Rechtsanwälten erlangt. Aus diesen eigenen Erkenntnissen heraus habe er seine Schlussfolgerungen und Entscheide eigenständig abgeleitet. Der Vorstand des SolAV sei davon überzeugt gewesen, dass die in der Strafanzeige beanstandeten untersuchungsrichterlichen Praktiken eine Gefahr für den Rechtsstaat bedeuteten und eine Klärung der Situation im Interesse der gesamten Anwaltschaft liege. Aus diesem Grund habe er entschieden, anstelle der betroffenen Anwälte im Namen des Verbandes Strafanzeige einzureichen.
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die Strafanzeige gegen die beiden Untersuchungsrichter sei nicht unberechtigt erhoben worden und die Vorhaltungen seien auch nicht tatsachenwidrig und wider besseres Wissen erfolgt. Zwar sei das Strafverfahren eingestellt worden, doch habe sich die Anzeige nicht im Sinne von § 80 StPO/SO (BGS 321.1) als grundlos erwiesen. In dem gegen ihn (den Beschwerdeführer) geführten Verfahren habe der a.o. Staatsanwalt mit Verfügung vom 2. November/5. Dezember 2007 einen grossen Teil der erhobenen Vorwürfe als nicht tatbestandsmässig erachtet und das Verfahren bezüglich dieser Vorhalte eingestellt. Der überwiegende Teil der Strafanzeige erweise sich demnach im Sinne von Art. 303 StGB als zulässig, wenn auch erfolglos. Damit erweise sich die Herbeiführung der Strafverfolgung aber insgesamt als rechtmässig und sei ein Schuldspruch wegen falscher Anschuldigung im Sinne von Art. 303 StGB ausgeschlossen.
Schliesslich wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Bejahung des subjektiven Tatbestandes. Er selber habe als Rechtsvertreter des SolAV nie beabsichtigt, eine Strafverfolgung gegen die beiden Untersuchungsrichter herbeizuführen. Ausserdem habe er nicht wider besseres Wissen gehandelt. Aus dem Umstand, dass das Verfahren gegen die Untersuchungsrichter eingestellt worden sei, könne nicht abgeleitet werden, dass die Strafanzeige wider besseres Wissen erfolgt sei.
 
Erwägung 2
2.1 Gemäss Art. 303 Ziff. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft, wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen. Der Tatbestand der falschen Anschuldigung schützt in erster Linie die

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Zuverlässigkeit der Rechtspflege. Die Tathandlung führt zu einem unnützen Einsatz öffentlicher Mittel. Daneben handelt es sich bei der falschen Anschuldigung aber auch um ein Delikt gegen die Person. Geschützt werden danach die Persönlichkeitsrechte zu Unrecht Angeschuldigter mit Bezug auf deren Ehre, Freiheit, Privatsphäre, Vermögen usw. (BGE 132 IV 20 E. 4.1 mit Hinweisen).
Die Tathandlung richtet sich gegen eine in Bezug auf die behauptete Straftat nichtschuldige Person. Nicht schuldig ist die Person, welche die strafbare Handlung nicht begangen hat. Als solche gilt auch diejenige, deren Nichtschuld - vorbehältlich einer Wiederaufnahme des Verfahrens - durch Freispruch oder Einstellungsbeschluss verbindlich festgestellt worden ist (BGE 72 IV 74 E. 1; DONATSCH/WOHLERS, Delikte gegen die Allgemeinheit, Strafrecht, Bd. IV, 3. Aufl. 2004, S. 368). Diese Rechtsprechung begegnet in der Lehre zum Teil Kritik, namentlich soweit sich die Nichtschuld einer Person auf eine Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Einstellungsbeschluss stützt (URSULA CASSANI, Commentaire du droit pénal suisse, Bd. IX, 1996, N. 12 zu Art. 303 StGB; ferner STRATENWERTH/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 6. Aufl. 2008 [nachfolgend: BT II], § 53 N. 14; DELNON/RÜDY, Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 11 zu Art. 303 StGB). Das Bundesgericht hat die seitens der Doktrin erhobenen Einwände in einem neueren Entscheid als nicht durchgreifend erachtet und an seiner Rechtsprechung festgehalten. Es liege im Interesse der Rechtssicherheit, dass ein rechtskräftiger Entscheid in einem späteren Verfahren nicht mehr angefochten werden könne. Ein früheres Urteil oder ein Einstellungsbeschluss binde den Richter, der im neuen Verfahren über die Anklage der falschen Anschuldigung zu befinden habe, jedoch nur insoweit, als diese sich über Schuld oder Nichtschuld der angeschuldigten Person aussprächen. Soweit das frühere Verfahren aus Opportunitätsgründen oder gestützt auf aArt. 66bis StGB (Art. 54 StGB) eingestellt worden sei, hindere dies den Richter im Verfahren der falschen Anschuldigung nicht, über die Schuld der angeschuldigten Person erneut zu befinden (Urteil des Bundesgerichts 6P.196/2006 vom 4. Dezember 2006 E. 7.2).
Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz und in Bezug auf die Unwahrheit der Beschuldigung Handeln wider besseres Wissen. Das Bewusstsein, die Behauptung könnte möglicherweise falsch sein, genügt mithin nicht. Der Täter muss vielmehr sicher darum wissen,

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dass die Anschuldigung unwahr ist. Eventualvorsatz scheidet insofern somit aus (BGE 76 IV 243; STRATENWERTH/BOMMER, BT II, a.a.O., § 53 N. 20; vgl. auch dies., Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl. 2010, § 11 N. 57; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. II, 3. Aufl. 2010, N. 17 zu Art. 303 StGB).
2.2 Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, die beiden Untersuchungsrichter seien Nichtschuldige im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB. Sie stützt sich hiefür auf den Umstand, dass das aufgrund der Strafanzeige des SolAV gegen diese eröffnete Verfahren eingestellt wurde. Diese Auffassung hält vor Bundesrecht nicht stand. Aus dem Umstand, dass das aufgrund der gegen die beiden Untersuchungsrichter erhobenen Strafanzeige eröffnete Verfahren eingestellt worden ist, lässt sich nicht ableiten, die Strafanzeige selbst sei wider besseres Wissen gegen Nichtschuldige erhoben worden. Denn die Nichtschuld der Untersuchungsrichter war zum Zeitpunkt der Anzeigestellung gar noch nicht verbindlich festgestellt. Dass der a.o. Staatsanwalt in der Kostenerwägung seines Einstellungsentscheids vom 22. Dezember 2004 die Strafanzeige in weiten Teilen als eindeutig übertrieben und insgesamt wenigstens als grob fahrlässig erhoben bezeichnete, ändert daran nichts. Wie die erste Instanz zutreffend erkannt hat, darf, wer zu Unrecht beschuldigt wird, nicht im Umkehrschluss unbesehen eine Strafklage wegen falscher Anschuldigung einreichen (vgl. auch TRECHSEL/AFFOLTER-EIJSTEIN, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 8 zu Art. 303 StGB). Im zu beurteilenden Fall war die Frage der Schuld oder Nichtschuld der beiden Untersuchungsrichter zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung noch nicht in einem Strafverfahren geklärt worden. Diese Frage bildete vielmehr gerade Gegenstand des aufgrund der Strafanzeige eröffneten Verfahrens. Es lagen lediglich die Urteile in den gegen die Zwangsmassnahmen ergriffenen Beschwerden vor. Aus diesen lässt sich indes nicht mit hinreichender Klarheit die Nichtschuld der Untersuchungsrichter ableiten, zumal eine strafrechtliche Verantwortung gar nicht Gegenstand dieser Verfahren bildete. Im Übrigen ging es in diesen Beschwerdeentscheiden um Rechtsfragen, die zwischen den Parteien heftig umstritten waren. In den Beschwerdeentscheiden kam das Obergericht lediglich zum Schluss, die durchgeführten Zwangsmassnahmen seien gesetz- und verhältnismässig gewesen. Immerhin hiess das Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteilen vom 24. März 2004 und vom 5. April

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2004 die Beschwerden teilweise gut und ordnete die Rückgabe der beschlagnahmten Daten an. Ausserdem wies das Obergericht Solothurn in einem weiteren Urteil über eine Beschwerde, welche der Beschwerdeführer als Rechtsvertreter gegen die Durchführung einer Hausdurchsuchung geführt hatte, darauf hin, der Untersuchungsrichter, welcher ohne hinreichenden Verdacht im Sinne von § 57 StPO/SO eine Hausdurchsuchung anordne, handle rechtswidrig. Dies könne mit einer Aufsichtsbeschwerde gerügt werden oder gar eine Strafanzeige zur Folge haben.
Aus diesen Gründen kann nicht davon ausgegangen werden, die vom Beschwerdeführer als Rechtsvertreter des SolAV verfasste Strafanzeige richte sich gegen Nichtschuldige. Bei diesem Ergebnis entfällt auch ein Handeln wider besseres Wissen, zumal dem Beschwerdeführer gerade nicht bekannt war, dass ein früheres Strafverfahren über den Gegenstand seiner Anschuldigung durch Einstellung oder Freispruch beendet worden ist (vgl. DONATSCH/WOHLERS, a.a.O., S. 371; kritisch CASSANI, a.a.O., N. 12 zu Art. 303 StGB; STRATENWERTH/BOMMER, BT II, a.a.O., § 53 N. 14). Im Übrigen würde nach der Rechtsprechung der Umstand, dass ein freisprechendes Urteil im nachfolgenden Verfahren wegen falscher Anschuldigung als verbindlich gilt, demjenigen, der sich wegen falscher Anschuldigung verantworten muss, nicht schaden. Denn er könnte das, was seines Erachtens für die Schuld des anderen spricht, zu seiner eigenen Verteidigung anrufen, um darzutun, dass er die Anschuldigung gutgläubig erhoben hat (BGE 72 IV 74 E. 1 a.E.).
Die Würdigung der in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe als falsche Anschuldigung verletzt somit Bundesrecht. Damit kann offenbleiben, ob der Beschwerdeführer als Rechtsvertreter des SolAV überhaupt als Täter in Frage kommt.