40. Urteil vom 7. September 1972 i.S. X. gegen Betriebskrankenkasse Wild und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
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Regeste
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Art. 23 KUVG.
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Sachverhalt
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BGE 98 V 158 (158):
A.- Im Juni 1967 verlangte die Betriebskrankenkasse Wild von Dr. X., der im sanktgallischen Rheintal eine Praxis für allgemeine Medizin betreibt, klageweise die Rückerstattung von Behandlungshonoraren und Medikamentenkosten von insgesamt Fr. 9977.50, weil der Arzt im Jahre 1965 in Hunderten von Fällen gegen den Grundsatz sparsamer Behandlungsweise verstossen habe. Das (gemäss Art. 25 Abs. 1 KUVG) zuständige Schiedsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Klage am 26. September 1968 gut. Dieser Entscheid wurde vom Eidg. Versicherungsgericht mit Urteil vom 31. Dezember 1969 bestätigt.
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B.- Die Betriebskrankenkasse leitete am 30. April 1968 bei der Kantonalen Vertrauenskommission der Ärzte und anerkannten Krankenkassen ein neues Vermittlungsverfahren ein, da Dr. X. im Jahre 1967 in 856 Krankheitsfällen sich wiederum unökonomischer Behandlungsweise schuldig gemacht habe. Den Vorschlag der Vertrauenskommission vom 4. Juli 1968 auf Rückerstattung von 10% der reinen Arztkosten und 5% der Medikamentenkosten lehnte Dr. X. ab.
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Hierauf erhob die Betriebskrankenkasse Klage, mit der sie - entsprechend dem Vermittlungsvorschlag der Vertrauenskommission - Arzthonorare von Fr. 6424.15 und Medikamentenkosten von Fr. 1433.30 bzw. einen richterlich festzusetzenden Betrag zurückforderte.
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Das Schiedsgericht des Kantons St. Gallen für Streitigkeiten zwischen Ärzten und Krankenkassen stellte fest, dass Dr. X. 1967 in gröblicher Weise erneut gegen den Grundsatz der BGE 98 V 158 (159):
Wirtschaftlichkeit der Behandlung verstossen habe. Den Kostendurchschnitt von drei andern Ärzten des gleichen Ortes, deren Rechnungen bei der Betriebskrankenkasse ins Gewicht fallen, habe er um 44,97% und denjenigen aller Rheintaler Ärzte um 39,78% überschritten. Diese Abweichungen könnten weder mit dem Hinweis auf die hohe Anzahl von ausländischen Patienten, die Schwere der behandelten Fälle, die eigene Ferienvertretung noch damit begründet werden, dass die andern Ärzte Medikamente durch die Apotheke beziehen lassen und dass deren Kosten sich durch den Einbezug von Spezialuntersuchungen, durch Hospitalisierung und die Überweisung an Spezialärzte wesentlich erhöhen würden. Der Ausländeranteil sei bei sämtlichen Rheintaler Ärzten etwa gleich hoch. Die Durchsicht der Krankenscheine lasse den Schluss nicht zu, dass Dr. X. einen überdurchschnittlich hohen Anteil schwerer Fälle zu betreuen hätte. Erfahrungsgemäss gehe die Zahl der Patienten während der Ferien des Hausarztes eher zurück. Endlich könne der Haupteinwand der Betriebskrankenkasse, der sich vor allem gegen die übermässig hohe Zahl und gegen die Kosten der Besuche, Konsultationen und Medikamente richte, von Dr. X. nicht entkräftet oder einleuchtend begründet werden. Das Schiedsgericht kam zum Schluss, dass der Rückforderungsanspruch gegeben sei. In quantitativer Hinsicht liege der Antrag der Kasse an der untern Grenze. "Es könnte in guten Treuen angesichts des doch eher exzessiven Überarztens durch den Beklagten ohne weiteres höher gegangen werden." Wenn sich das Gericht - wie schon 1968 - nochmals an den Vorschlag der Vertrauenskommission halte, "so in der Meinung, dass dem Beklagten ein letztes Mal entgegengekommen werden soll". Die Vorinstanz verpflichtete demnach Dr. X. zur Rückerstattung von Fr. 7857.45 und zur Bezahlung der Verfahrenskosten (Entscheid vom 8. Juli 1971).
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C.- Dr. X. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit dem Antrag, "es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen"; eventualiter sei die Sache zur Durchführung eines ordnungsgemässen Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Wie schon im ersten Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht wird auch heute wieder der vorinstanzlich angestellte Kostenvergleich beanstandet. Ferner liege die Beweispflicht bei einem Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im vollen Umfang beim Kläger, d.h. im BGE 98 V 158 (160):
vorliegenden Fall bei der Kasse. Der Sachverhalt sei willkürlich ermittelt worden, weil der Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt habe, zum Beweisverfahren bzw. zum Resultat der Fachexpertise Stellung zu nehmen. Darin liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Schliesslich wird zu einzelnen, im angefochtenen Entscheid zum Nachweis der Überarztung aufgeführten Krankheitsfällen Stellung genommen. Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist eine Vernehmlassung von PD Dr. R. von der Universitätsklinik Zürich beigelegt, welcher der Kostenvergleichsmethode jeden Aussagewert abspricht.
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Die Betriebskrankenkasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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Zum Einwand, es könne nicht durch einen Kostenvergleich nachgewiesen werden, dass Dr. X. gegen das in Art. 23 KUVG verankerte Gebot wirtschaftlicher Behandlungsweise verstossen habe, hat das Gericht schon in seinem ersten Urteil erklärt, BGE 98 V 158 (161):
dass der statistische Vergleich der durchschnittlichen Behandlungskosten des Beschwerdeführers mit denjenigen anderer Ärzte jedenfalls dann nicht willkürlich sei, wenn sich das Vergleichsmaterial hinreichend ähnlich zusammensetze und der Vergleich sich über einen genügend langen Zeitraum erstrecke. Dann würden sich nämlich bloss zufällige Unterschiede mehr oder weniger ausgleichen. Wenn zudem von den Fachleuten des Schiedsgerichts ein als eher bescheiden bezeichneter Teil von zuviel berechneten Arzt- und Medikamentenkosten als rückerstattungspflichtig beurteilt werde, so sei noch vermehrt gewährleistet, dass das Ergebnis des Beweisverfahrens nicht willkürlich sei. Und wenn überdies die fachlich geprüften Krankenscheine mit dem statistischen Ergebnis im wesentlichen übereinstimmten, so könne die vom Schiedsgericht angewandte Beweismethode um so weniger als willkürlich bezeichnet werden. Diese beweisrechtlichen Überlegungen gelten auch im vorliegenden Fall, denn die Ausführungen in der neuen Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen nicht zu einer Änderung der Rechtsprechung zu führen. Somit hat es in diesem Punkt beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden.
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Auch der Einwand, dass der Sachverhalt deshalb willkürlich und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs festgestellt worden sei, weil das Schiedsgericht den Beschwerdeführer nicht zum Beweisverfahren habe Stellung nehmen lassen, ist wiederum nicht stichhaltig. Zunächst kann keine Rede davon sein, dass eine Partei Anspruch darauf hat, das Ergebnis der richterlichen Beweiswürdigung zu diskutieren. Art. 68 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons St. Gallen schreibt denn auch nur vor, es sei den Parteien Gelegenheit zu geben, zum Resultat des Beweisverfahrens sich zu äussern. Im vorliegenden Fall kannte Dr. X. alle von der Betriebskrankenkasse vorinstanzlich eingelegten Beweismittel. Das Gericht selber hat von sich aus keine Beweismassnahmen getroffen, von deren Ergebnis dem Beschwerdeführer unter Umständen hätte Kenntnis gegeben werden müssen. Dr. X. hatte Gelegenheit, spätestens in der Duplik zur Beweislage sich zu äussern. Die Beweiswürdigung selber - unter Einbezug der Vorbringen in der Duplik - war dann aber ausschliesslich und abschliessend Sache des Schiedsgerichts. Demzufolge kann auch in dieser Hinsicht von willkürlicher Sachverhaltsfeststellung und Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Rede sein.
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BGE 98 V 158 (162):
3. Der Beschwerdeführer macht schliesslich neu geltend, bei einer Rückforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung müsse der nachträglich weggefallene Grund konkret nachgewiesen und es dürfe nicht einfach auf Vergleichsschlüsse abgestellt werden. Er übersieht dabei, dass ein Rückforderungsgrund immer dann gegeben ist, wenn jemand mehr bezogen bzw. erhalten hat, als ihm rechtens zukommt. Ist ein solcher Sachverhalt einmal erstellt, so muss alsdann das Ausmass der Rückforderung geprüft werden. Bei Verhältnissen, wie sie vorliegend gegeben sind, lässt sich der Tatbestand der Überarztung kaum anders feststellen als durch Vergleich mit Durchschnittszahlen anderer Ärzte; dies in der Meinung, dass es sozialversicherungsmässig ebenso sehr wie auf die einzelne Arztrechnung auf die Summe solcher Rechnungen ankommt. Eine einzelne Rechnung bleibt vielfach erst im Hinblick auf die festgestellte allgemeine Verhaltenstendenz eines Arztes unter dem Gesichtspunkt der Überarztung bewertbar. Überarztung ist deshalb jedenfalls immer auch dann gegeben, wenn eine ins Gewicht fallende Zahl von Rechnungen desselben Arztes an eine Krankenkasse im Vergleich zu den Rechnungen von Ärzten im geographisch gleichen Tätigkeitsbereich und mit etwa gleichem Krankengut im Durchschnitt erheblich höher ist, ohne dass den Durchschnitt beeinflussende Sonderheiten geltend gemacht werden können.
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Den Nachweis, dass die Forderungen von Dr. X. gegenüber der Betriebskrankenkasse die Rechnungen anderer am Ort bzw. im Rheintal praktizierender Ärzte in erheblicher Weise übersteigen, hat die Beschwerdegegnerin erbracht. Anderseits hat der Beschwerdeführer Sonderheiten im oben erwähnten Sinn nicht nachgewiesen. Demnach hat die Vorinstanz den Sachverhalt auch in dieser Hinsicht nicht offensichtlich mangelhaft festgestellt, weshalb das Eidg. Versicherungsgericht an ihn gebunden ist.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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