11. Auszug aus dem Urteil vom 12. April 1973 i.S. Binggeli gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern
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Regeste
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GgV vom 20. Oktober 1971.
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BGE 99 V 37 (37): Aus den Erwägungen:
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Der Bundesrat bezeichnet in der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV) die Geburtsgebrechen, auf deren Behandlung durch medizinische Massnahmen minderjährige Versicherte gemäss Art. 13 IVG Anspruch haben. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BGE 99 V 37 (38):
IVG kann er die Leistungen ausschliessen, wenn das Gebrechen von geringfügiger Bedeutung ist. In der am 10. August 1965 erlassenen und bis 31. Dezember 1971 in Kraft gewesenen Verordnung waren jene Gebrechen besonders bezeichnet, für welche bei Geringfügigkeit ein Ausschluss in Frage kam. Die Ziffern 174 und 182 in Art. 2 GgV, unter welche die Gebrechen von Thomas Binggeli unbestrittenermassen fielen, waren mit einer solchen Bezeichnung versehen. Unter dieser Ordnung galten die Gebrechen des Beschwerdeführers offenbar nicht als geringfügig, wurden doch die notwendigen Massnahmen übernommen. Die am 1. Januar 1972 in Kraft getretene Verordnung über Geburtsgebrechen knüpft den Leistungsanspruch bei Gebrechen, die in schwerer wie in leichter Form vorkommen, im Unterschied zur früheren Verordnung, an besondere Voraussetzungen. So besteht nunmehr gemäss Ziffer 174 bei angeborenen knöchernen Fussdeformitäten Anspruch auf Leistungen, sofern Operation, Apparateversorgung oder Gipsbehandlung notwendig ist. Das gleiche gilt für die neu aufgenommene Ziffer 177 (übrige angeborene Defekte und Missbildungen der Extremitäten). Dagegen ist die frühere Ziffer 182 (angeborene Gelenkschlaffheit) aus der Verordnung eliminiert worden.
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Die geltende Verordnung vom 20. Oktober 1971 enthält keine nähere Übergangsbestimmung, als dass sie am 1. Januar 1972 in Kraft tritt und dass auf den gleichen Zeitpunkt die Verordnung über Geburtsgebrechen vom 10. August 1965 aufgehoben wird. Somit erhebt sich die Frage, was mit Verfügungen, die unter der Herrschaft der alten Ordnung rechtskräftig geworden sind, zu geschehen habe, wenn nach neuem Recht kein Anspruch mehr besteht. Jedenfalls fallen solche Verfügungen bei dieser Rechtslage nicht ohne weiteres dahin. Die Grundsätze der Gesetzmässigkeit und der Rechtsgleichheit verlangen vielmehr, dass solche Verfügungen ausdrücklich dem neuen Recht angepasst werden... Jedoch bleibt zu beachten, dass die Anpassung jeder einzelnen Verfügung bei der grossen Anzahl von Verfügungen über medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen verwaltungstechnisch nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit und innert nützlicher Zeit durchführbar wäre; dieses Vorgehen vermöchte deshalb weder dem Grundsatz der Rechtsgleichheit noch dem der Rechtssicherheit zu genügen. Eine Lösung des Problems hat aber den erwähnten Grundsätzen in optimaler Weise Rechnung zu tragen, weshalb sie nur in einer BGE 99 V 37 (39):
generellen, die fehlenden Übergangsbestimmungen in der Verordnung ersetzenden Regelung gefunden werden kann.
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In diesem Bestreben hat das Bundesamt für Sozialversicherung als weisungsberechtigte Aufsichtsbehörde (gestützt auf Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GgV in Verbindung mit Art. 92 IVV) in dem ebenfalls ab 1. Januar 1972 geltenden neuen Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen diesbezügliche Anordnungen an die Durchführungsorgane erlassen. Gemäss Rz. 302 dieses Kreisschreibens ist auf bereits ergangene zusprechende Verfügungen nicht von Amtes wegen zurückzukommen; dagegen ist bei der Neubeurteilung laufender Fälle (Verlängerung, weitere Leistungsbegehren) vom Verfügungsdatum an - aber frühestens auf 1. Januar 1972 - neues Recht anzuwenden; besteht nach neuem Recht kein Anspruch mehr, so ist eine entsprechende Verfügung zu erlassen. Da diese Regelung in der Verwaltungspraxis offenbar nicht in jeder Hinsicht befriedigte, ergänzte das Bundesamt für Sozialversicherung seine diesbezüglichen Weisungen in Rz. 1194 der IV-Mitteilungen Nr. 151 vom 30. November 1972 (ZAK 1973 S. 22). Der Grundsatz, auf bereits ergangene Verfügungen sei nicht von Amtes wegen zurückzukommen, wurde "zur Herstellung rechtsgleicher Verhältnisse" eingeschränkt für Fälle, in denen die Behandlung des Geburtsgebrechens seinerzeit über das Jahr 1974 hinaus (teilweise sogar unbefristet) zugesprochen worden war. In diesen Fällen ist die Leistungspflicht bis zum 31. Dezember 1974 zu begrenzen. Die betreffenden Versicherten sind zu ermitteln und sofort mit beschwerdefähiger Verfügung über das Ende der Leistungsdauer zu unterrichten.
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Wiewohl der letztinstanzliche Richter an die generellen Weisungen der administrativen Aufsichtsbehörde an die verfügenden Durchführungsstellen nicht gebunden ist, besteht für ihn kein Anlass, diese Weisungen bei der Beurteilung des Einzelfalles zu übergehen, soweit sie gesetzmässig oder (in Ermangelung gesetzlicher Vorschriften) mit den allgemeinen Grundsätzen des Bundesrechts in Einklang stehen. Das trifft auf die Weisungen des Bundesamtes für Sozialversicherung bezüglich der übergangsrechtlichen Anwendung der neuen Geburtsgebrechenverordnung zu, beruhen sie doch auf sachgemässer Abwägung der aus Gesetzmässigkeit und Rechtsgleichheit sich ergebenden Erfordernisse einerseits sowie der Notwendigkeit verwaltungsmässiger Praktikabilität andererseits.
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