BGE 107 V 36 |
7. Auszug aus dem Urteil vom 18. März 1981 i.S. Studer gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern |
Regeste |
Art. 47 Abs. 1 AHVG, Art. 49 IVG und Art. 85 Abs. 2 IVV. |
Aus den Erwägungen: |
2. a) Gemäss Art. 47 Abs. 1 AHVG sind unrechtmässig bezogene Renten und Hilflosenentschädigungen der AHV zurückzuerstatten. Diese Bestimmung findet laut Art. 49 IVG sinngemäss auch Anwendung für die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen der Invalidenversicherung. Dagegen ist nach Art. 85 Abs. 2 IVV (in der seit dem 1. Januar 1977 gültigen Fassung) die Änderung erst von dem der neuen Verfügung folgenden Monat an vorzunehmen, wenn eine Überprüfung der Anspruchsberechtigung ergibt, dass eine Leistung herabgesetzt oder aufgehoben werden muss (und sofern nicht der Spezialfall des Abs. 3 vorliegt). Das IV-Recht kennt somit nebeneinander sowohl die Rückwirkung (verbunden mit der Rückerstattung) als auch die Wirkung für die Zukunft. Es äussert sich aber nicht dazu, wie Art. 85 Abs. 2 IVV gegenüber Art. 47 Abs. 1 AHVG abzugrenzen ist, und legt somit die Kriterien nicht fest, anhand deren entschieden werden muss, ob eine Leistung nach Art. 85 Abs. 2 IVV ex nunc oder vielmehr gemäss Art. 47 Abs. 1 AHVG ex tunc herabzusetzen oder aufzuheben ist, wenn die Verwaltung im Rahmen einer Wiedererwägung (vgl. dazu BGE 106 V 87 Erw. 1b, BGE 105 V 30, 170 Erw. 5 und 174 f.) auf eine frühere Verfügung zurückkommt. In einem Grundsatzurteil vom 13. August 1979 (BGE 105 V 163, insbesondere 170 Erw. 6a) hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass die Aufhebung einer Leistung im Rahmen einer Wiedererwägung nur dann rückwirkend erfolgen kann und die Rückerstattung gemäss Art. 47 Abs. 1 AHVG nach sich zieht, wenn der zur Wiedererwägung führende Fehler einen AHV-analogen Gesichtspunkt (z.B. Versicherteneigenschaft, massgebendes durchschnittliches Jahreseinkommen, anwendbare Rentenskala) betrifft. Demgegenüber ist die Wiedererwägung gemäss Art. 85 Abs. 2 IVV nur für die Zukunft wirksam, wenn die Verwaltung bei Erlass der ursprünglichen Verfügung einen spezifisch IV-rechtlichen Gesichtspunkt (z.B. die Bemessung des Invaliditätsgrades) falsch beurteilte, es sei denn, es liege ein Sachverhalt im Sinne des Art. 85 Abs. 3 IVV vor, der wiederum die Rückwirkung nach sich zöge (vgl. auch BGE 105 V 175, ZAK 1981 S. 93 Erw. 4). |
b) Die Vorinstanz bestätigte die Rückerstattungsverfügung bloss mit folgendem Hinweis:
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"Im vorliegenden Fall ist die zu Unrecht erbrachte Leistung auf einen
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AHV-analogen Tatbestand zurückzuführen, indem die Zahlung durch ein
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Missverständnis zwischen Invalidenversicherungs-Kommission und
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Ausgleichskasse erfolgte."
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Sowohl die Ausgleichskasse als auch das Bundesamt für Sozialversicherung nehmen in ihren Vernehmlassungen zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit keinem Wort zu diesem Punkt Stellung. Zu ihrer nicht näher begründeten Auffassung kam die Vorinstanz möglicherweise aufgrund der Überlegung, dass Fehler, welche einen AHV-analogen Gesichtspunkt betreffen, in der Regel einer Ausgleichskasse unterlaufen, während Fehler in bezug auf einen spezifisch IV-rechtlichen Gesichtspunkt von den Invalidenversicherungs-Kommissionen begangen werden. In diesem Sinne äussert sich das Bundesamt für Sozialversicherung in seinem Kommentar zum erwähnten Grundsatzurteil in ZAK 1980 S. 110 f., wenn es schreibt, "praktisch" komme es darauf an, ob es um den Zuständigkeitsbereich einer Ausgleichskasse oder einer Invalidenversicherungs-Kommission gehe. Es ist indessen festzuhalten, dass nicht generell gesagt werden kann, ein Fehler betreffe einen AHV-analogen Gesichtspunkt, wenn er von einer Ausgleichskasse verursacht worden sei, dagegen einen spezifisch IV-rechtlichen Gesichtspunkt, wenn er auf eine Invalidenversicherungs-Kommission zurückgehe. Denn dies würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Frage, ob die einen früheren Fehler berichtigende Wiedererwägung ex nunc oder ex tunc gilt, nicht von der materiellen Seite her beantwortet würde, sondern bloss aufgrund des Zuständigkeitsbereiches. Die rechtlichen Folgen einer Wiedererwägung würden damit nicht von der Art des Fehlers, sondern von der Funktion des Urhebers im Organisationsschema der AHV/IV-Verwaltung abhängen, was sachlich keineswegs begründet wäre. Zudem fände in diesem Falle der in BGE 105 V 170 Erw. 6a in fine festgehaltene - und auch im bundesamtlichen Kommentar wiedergegebene - Grundsatz keine Beachtung, dass die Art des begangenen Fehlers "in jedem einzelnen Fall zu prüfen" ist. Wenn es mehrheitlich zutreffen sollte, dass Fehler in bezug auf spezifisch IV-rechtliche Gesichtspunkte von den Invalidenversicherungs-Kommission begangen werden, so ist dies bloss die Folge, nicht aber die Grundlage der Regel, dass die AHV-analogen von den spezifisch IV-rechtlichen Gesichtspunkten abzugrenzen sind. |