BGE 109 V 170 |
33. Urteil vom 18. Oktober 1983 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Neuer und Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen |
Regeste |
Art. 33 Abs. 1 IVG und Art. 22 Abs. 1 AHVG. |
Sachverhalt |
B.- Beschwerdeweise beantragt Walter Neuer, es sei ihm eine Ehepaar-Invalidenrente auszurichten, da seine als Hausfrau tätige Ehefrau auch invalid sei (Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes Heidelberg vom 26. Juni 1980); es bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60% seit 1. Januar 1979. Ferner ersuchte Walter Neuer um Festsetzung des Rentenbeginns auf den 1. März 1979.
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Die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für Personen im Ausland wies mit Entscheid vom 24. Juni 1981 die Beschwerde hinsichtlich des Rentenbeginns ab, hiess sie dagegen insofern gut, als sie die angefochtene Kassenverfügung aufhob und die Akten an die Schweizerische Ausgleichskasse zurückwies zur Ergänzung und zum Erlass einer neuen Verfügung bezüglich Ehepaar-Invalidenrente.
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C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Wiederherstellung der Kassenverfügung vom 14. Juli 1980. Die Beschwerde beschränkt sich auf die Frage, ob Walter Neuer eine Ehepaar-Invalidenrente mit Doppel-Kinderrente oder eine ganze einfache Invalidenrente mit Zusatzrente für die Ehefrau und einfacher Kinderrente beanspruchen kann.
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Walter Neuer lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: |
1. Gemäss Art. 32 IVG haben Anspruch auf eine einfache Invalidenrente invalide Männer und Frauen, sofern kein Anspruch auf eine Ehepaar-Invalidenrente besteht. Rentenberechtigte Ehemänner, denen keine Ehepaar-Invalidenrente zusteht, haben nach Art. 34 Abs. 1 IVG Anspruch auf eine Zusatzrente für die Ehefrau; für Kinder, denen die einfache Waisenrente zustehen würde, wird gemäss Art. 35 Abs. 2 IVG eine einfache Kinderrente gewährt. Nach Art. 33 Abs. 1 IVG haben Anspruch auf eine Ehepaar-Invalidenrente invalide Ehemänner, deren Ehefrau das 62. Altersjahr zurückgelegt hat oder mindestens zur Hälfte invalid ist. Für Kinder, denen die Vollwaisenrente zustehen würde, wird gemäss Art. 35 Abs. 2 IVG die Doppel-Kinderrente gewährt. |
Diese Regeln gelten für deutsche Staatsangehörige in gleicher Weise wie für Schweizer (Art. 4 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964). Bestimmungen, die hinsichtlich der erwähnten Voraussetzungen für den Anspruch auf eine schweizerische Invalidenrente vom Grundsatz der Gleichstellung abweichen würden, finden sich im Abkommen nicht.
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"Die geltende Fassung des Art. 22 Abs. 1 AHVG ist bezeichnenderweise durch Art. 82 IVG eingeführt worden und dient, wie die bundesrätliche Botschaft vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung und eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des AHVG auf S. 147 ausführt, der Angleichung der Rentensysteme der Invalidenversicherung und der Alters- und Hinterlassenenversicherung. Durch den neuen Art. 22 Abs. 1 AHVG soll, so wird in der Botschaft weiter erläutert, verhindert werden, "dass die Ehegatten vorübergehend zwei einfache Renten beziehen, die später - wenn die Ehefrau das 60. Altersjahr vollendet hat - allenfalls durch eine niedrigere Ehepaar-Altersrente abgelöst würden". Auch mehrere andere, durch Art. 82 IVG vorgenommene Änderungen und Ergänzungen von Bestimmungen des AHVG haben den Zweck, das Rentensystem der AHV mit demjenigen des IVG in Einklang zu bringen. Die enge gesetzliche Verbindung, die mithin zwischen diesen beiden Rentensystemen besteht, lässt keinen anderen Schluss als den zu, dass es sich bei der Invalidität, auf die Art. 22 Abs. 1 AHVG abstellt, nur um eine im Sinne des IVG rechtserhebliche Invalidität handeln kann. Würde man das Gegenteil annehmen, so liefe dies darauf hinaus, in den kombinierten Rentenordnungen der AHV und der Invalidenversicherung als Leistungsgrund unter Umständen auch Invaliditäten anzuerkennen, denen bei den gegebenen persönlichen Verhältnissen keines der beiden gesetzlichen Systeme, einzeln betrachtet, Beachtung schenkt. Es kann nicht der Sinn von Art. 22 Abs. 1 AHVG sein, die Ehepaar-Altersrente wegen einer Invalidität der Ehefrau zu gewähren, aus welcher ihr bei allfälliger Auflösung der Ehe - selbst bei Erfüllung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen - kein Anspruch gemäss Art. 28 IVG erwüchse. Zur Entstehung des Ehepaar-Rentenanspruches sowohl aus Art. 22 Abs. 1 AHVG als auch aus Art. 33 IVG kann eine Invalidität der weniger als 60jährigen Ehefrau richtigerweise nur dann beitragen, wenn diese bei (hypothetischem) Wegfall des ehelichen Bandes und Erfüllung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen Anspruch auf eine Einzelrente gemäss Art. 28 und Art. 32 IVG hätte." |
b) An dieser Rechtsprechung, die in BGE 98 V 58 Erw. 1 und im nicht veröffentlichten Urteil Koch vom 4. Juni 1980 bestätigt wurde, ist festzuhalten. Für den Anspruch des Ehemannes auf eine Ehepaar-Invalidenrente reicht es somit nicht aus, dass die Ehefrau mindestens zur Hälfte invalid im Sinne von Art. 4 bzw. 5 IVG ist; sie muss überdies im massgebenden Zeitpunkt versichert gewesen sein und entweder während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet haben (Art. 36 Abs. 1 IVG) oder die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Rente erfüllen. Art. 22 Abs. 1 AHVG bezweckt die Angleichung der Rentensysteme der Invalidenversicherung und der Alters- und Hinterlassenenversicherung und stellt damit eine Koordinationsnorm dar; es soll das Nebeneinanderbestehen zweier einfacher Renten verhindert werden. Überdies fehlen Anhaltspunkte dafür, dass mit Art. 33 Abs. 1 und 2 IVG ein neuer zusätzlicher Leistungsgrund für die Ehepaar-Invalidenrente geschaffen werden wollte, was dann zuträfe, wenn für die Entstehung einer solchen Rente die Ehefrau bloss die invaliditäts- und versicherungsmässigen Bedingungen und nicht auch die Mindestbeitragsdauer gemäss Art. 36 Abs. 1 IVG erfüllen müsste. Das Eidg. Versicherungsgericht hat zwar im nicht veröffentlichten Urteil Doudin vom 20. Januar 1981 entschieden, für den Anspruch auf eine Ehepaar-Invalidenrente genüge es, wenn der Ehemann während mindestens eines Jahres Beiträge erbracht habe; die Ehefrau sei von diesem Erfordernis befreit. Sie müsse hingegen in rentenbegründendem Masse invalid sein und im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls versichert gewesen sein. Dies stehe im Einklang mit der gesetzlichen Systematik, in welcher die Versicherungsklausel unter den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen (Art. 4 bis 7 IVG) aufgeführt werde, während der Anspruch auf eine ordentliche Rente unter dem ausschliesslich den Renten gewidmeten Kapitel (Art. 28 bis 41 IVG) geregelt sei. Dieser Entscheid trägt indessen der in EVGE 1965 S. 16 ff. dargelegten Begründung nicht Rechnung, vermag vor ihr nicht zu bestehen und kann deshalb nicht aufrechterhalten werden. |
Im übrigen bleibt auf Art. 32 IVG hinzuweisen. Danach wird der Rentenanspruch der invaliden Ehefrau dann ausgeschlossen, wenn ein Anspruch auf eine Ehepaar-Rente besteht. Daraus folgert das BSV zu Recht, es werde mithin davon ausgegangen, dass die an der Ehepaar-Rente partizipierende Ehefrau selbst einen Rentenanspruch hätte, wenn der Ehemann nicht auch invalid wäre.
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Es trifft zwar zu, dass der dem Ehemann eingeräumte Anspruch auf die Ehepaar-Invalidenrente (Art. 33 Abs. 1 und 2 IVG) und die Zusatzrente für die Ehefrau (Art. 34 Abs. 1 IVG) von seiner zivilrechtlichen Sorgepflicht ausgehen. Dabei mag die Ehepaar-Rente oder die Zusatzrente aus der Sicht und für die Belange des Zivilrechts als Abgeltung der Unterhaltspflicht oder als Beitrag an diese qualifiziert werden. Diese Betrachtungsweise ist hier indessen nicht massgebend. Als unbehelflich erweist sich insbesondere der Einwand, der Invalidenrentner sei wegen der Invalidität seiner Ehefrau auf die gegenüber der Zusatzrente höhere Ehepaar-Rente angewiesen, weil die Ehefrau nicht in der Lage sei, an den Unterhalt beizutragen. Dass der Anspruch auf die Ehepaar-Rente dem Ehemann zusteht, beinhaltet aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht, ihm die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zu garantieren. Wohl hat der Gesetzgeber mit der Zusatzrente und der Ehepaar-Invalidenrente unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung getragen. Die einer Ehepaar-Rente entsprechende Bedarfslage verschafft indessen ein Anrecht auf diese Rente nur im Rahmen der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen. Weder aus der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht und der zu einer Ehepaar-Invalidenrente führenden Bedarfslage noch aus der Tatsache, dass der Anspruch auf diese Rente dem Ehemann zusteht, ergibt sich somit, dass für die Auslösung einer Ehepaar-Invalidenrente die (unter 62 Jahre alte) Ehefrau nicht die gleichen Voraussetzungen erfüllen muss wie für eine ihr zu gewährende einfache Invalidenrente. |
b) Der Beschwerdegegner wendet weiter ein, dass das Gesetz in Art. 4 Abs. 1 IVG eine allgemein gültige Definition der Invalidität gebe. Die formellen Voraussetzungen des Versichertseins und der Mindestbeitragsdauer seien darin nicht mitenthalten. Diese Begriffsbestimmung gelte auch für die Invalidität der Ehefrau gemäss Art. 33 Abs. 1 IVG. Wäre die vom Bundesamt für Sozialversicherung behauptete Einschränkung beabsichtigt gewesen, hätte der Gesetzgeber dies im Text dieser Bestimmung mit der Wendung "... dessen versicherte Ehefrau" klarstellen müssen.
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Für den Anspruch des Ehemannes auf eine Ehepaar-Invalidenrente genügt es jedoch nicht, dass die Ehefrau bei Invaliditätseintritt versichert ist; sie muss auch die Mindestbeitragsdauer oder die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Rente erfüllen. Art. 36 Abs. 1 IVG gilt selbst im Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 1 IVG auch für nichtbeitragspflichtige Ehefrauen, und zwar in Abweichung von generellen Prinzipien wie Art. 2 und 6 Abs. 1 IVG und Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG (vgl. auch BGE 107 V 1 mit Hinweisen).
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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