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Urteilskopf

110 V 7


2. Auszug aus dem Urteil vom 20. Januar 1984 i.S. R. gegen Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen

Regeste

Art. 25 Abs. 1 AHVV.
Fallen der Eintritt einer Veränderung der Einkommensgrundlage und der Eintritt einer wesentlichen Veränderung der Einkommenshöhe zeitlich auseinander, so ist das ausserordentliche Bemessungsverfahren anzuwenden, wenn zwischen den beiden Veränderungen ein adäquater Kausalzusammenhang besteht.
Unerheblich ist, ob die beiden Veränderungen im gleichen Beitragsjahr (Kalenderjahr) eintreten.

Sachverhalt ab Seite 7

BGE 110 V 7 S. 7

A.- Ruth R. führt seit dem 1. April 1969 einen Hundesalon; sie wird seither AHV-rechtlich als Selbständigerwerbende erfasst. Die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen setzte ihre Beiträge für die Jahre 1976/77 auf einem beitragspflichtigen Jahreseinkommen von Fr. 13'800.-- und für die folgenden Jahre bis und mit 1981 auf einem Einkommen von je Fr. 15'000.-- fest. In der Folge ergab sich aus einer Meldung der kantonalen Steuerverwaltung, dass die Versicherte vom Mai 1977 bis Dezember 1980 auch ein Geschäft mit Magnetschildern führte. Daraufhin erliess die Ausgleichskasse für die Jahre 1978 bis und mit 1981 mehrere Nachtragsverfügungen, während sie für 1977 wegen geringfügiger Einkommensdifferenz auf eine Korrektur verzichtete. Unter anderem verfügte sie am 19. März 1981 eine Neufestsetzung der Beiträge für die Jahre 1978/79 aufgrund eines Jahreseinkommens von Fr. 27'700.-- bzw. Fr. 22'100.--. Zur Begründung der Beitragsneufestsetzung wurde ausgeführt, nach Art. 25 AHVV müsse die Verwaltung bei einer Änderung der Einkommensgrundlagen eine Neueinschätzung ab Eintritt der Änderung (1. Mai 1977) vornehmen;
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eine Einkommensgrundlagenänderung liege vor, wenn sich das Erwerbseinkommen z.B. infolge des Hinzutritts einer Einkommensquelle dauernd verändert habe und dadurch die Höhe des Einkommens wesentlich beeinflusst werde.

B.- Beschwerdeweise machte die Versicherte geltend, die Nachforderung für die Jahre 1978/79 gemäss Verfügung vom 19. März 1981 sei zu hoch. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 18. Februar 1982 unter Aufhebung der angefochtenen Nachforderungsverfügung im Sinne der Erwägungen teilweise gut und wies die Sache zur Neuberechnung der Beiträge an die Verwaltung zurück.

C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die Versicherte sinngemäss den Antrag, vorinstanzlicher Entscheid und Nachforderungsverfügung vom 19. März 1981 seien aufzuheben. Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Wiederherstellung ihrer Verfügung vom 19. März 1981 schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV), die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen und die Akten seien an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese die von der Versicherten für die Jahre 1978/79 geschuldeten persönlichen Beiträge im ordentlichen Verfahren neu festsetze.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. a) In materieller Hinsicht stellt sich die Frage, ob die Ausgleichskasse in der angefochtenen Nachforderungsverfügung vom 19. März 1981 zu Recht das ausserordentliche Bemessungsverfahren angewandt hat. Während die Vorinstanz in ihrem Entscheid, in welchem sie die Bestimmungen über das ausserordentliche Bemessungsverfahren zutreffend darlegt, das Vorliegen der vier Voraussetzungen für eine Zwischentaxation (BGE 106 V 76 Erw. 3a) bejaht, macht das BSV geltend, es fehle zur Vornahme einer Neueinschätzung auf den 1. Mai 1977 die wesentliche Veränderung der Einkommenshöhe; aber auch auf den 1. Januar 1978 sei eine Neueinschätzung nicht zulässig, weil zu diesem Zeitpunkt keine Veränderung der Einkommensgrundlagen stattgefunden habe.
b) Wenn der Eintritt einer Veränderung der Einkommensgrundlage und der Eintritt einer wesentlichen Veränderung der Einkommenshöhe zeitlich auseinanderfallen, ist für die Frage, ob das ausserordentliche Bemessungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 AHVV
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überhaupt anwendbar sei, das Vorliegen eines adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen den erwähnten Veränderungen entscheidend. Im Rahmen der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhanges kann der Zeitraum zwischen einer Änderung der Einkommensgrundlage und einer wesentlichen Änderung der Einkommenshöhe eine gewisse Rolle spielen, indem die Adäquanz mit zunehmendem Zeitabstand allenfalls geringer wird. Unerheblich ist, ob die Änderung der Einkommensgrundlage und die wesentliche Änderung der Einkommenshöhe im gleichen Beitragsjahr (Kalenderjahr) stattfinden.
c) Mit der Ausgleichskasse ist davon auszugehen, dass die am 1. Mai 1977 eingetretene Änderung der Einkommensgrundlage (Übernahme des Magnetschilder-Geschäftes) in den acht Monaten des Jahres 1977 nur eine unbedeutende Einkommensänderung bewirkte, weshalb das ausserordentliche Bemessungsverfahren für jene Zeit nicht anwendbar ist. Streitig sind denn auch nur die nachgeforderten persönlichen Beiträge für die Jahre 1978 und 1979. Das Jahr 1979 gilt als Vorjahr der nächsten ordentlichen Beitragsperiode 1980/81, für welches die Beiträge aufgrund des reinen Erwerbseinkommens festgesetzt werden, das der Beitragsbemessung für diese Periode zugrunde zu legen ist (Art. 25 Abs. 3 AHVV). Daher ist einzig zu prüfen, ob im Jahr 1978 eine wesentliche Änderung der Einkommenshöhe, d.h. von mindestens 25% (BGE 105 V 118) stattgefunden hat, für welche die Änderung der Einkommensgrundlage vom 1. Mai 1977 adäquat kausal ist. Angesichts der gemäss Steuermeldungen vom 20. August 1979 bzw. 10. November 1980 ausgewiesenen Einkommen von Fr. 15'000.-- im Jahr 1976 bzw. Fr. 17'000.-- im Jahr 1977 und Fr. 27'000.-- im Jahr 1978 trifft dies zu. Verwaltung und Vorinstanz wandten somit das ausserordentliche Bemessungsverfahren für 1978 zu Recht an ...

Inhalt

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Sachverhalt

Erwägungen 3

Referenzen

BGE: 106 V 76, 105 V 118

Artikel: Art. 25 Abs. 1 AHVV, Art. 25 AHVV, Art. 25 Abs. 3 AHVV