BGE 126 V 193
 
33. Auszug aus dem Urteil vom 19. Mai 2000 i.S. Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft gegen W. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
 
Regeste
Art. 16 Abs. 3, Art. 40 UVG: Zusammentreffen von Sozialversicherungsleistungen.
 


BGE 126 V 193 (193):

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
Die Vorschrift von Art. 40 UVG stellt eine Generalklausel zur Vermeidung von Überentschädigungen dar. Sie gilt ihrem Wortlaut nach nur subsidiär, d.h. wenn keine andere Koordinationsnorm anwendbar ist. So finden Art. 40 UVG und die entsprechenden, gemäss altrechtlicher Rechtsprechung (namentlich zu Art. 74 Abs. 3 KUVG) entwickelten Grundsätze im Allgemeinen keine Anwendung beim Zusammentreffen von Renten der obligatorischen Unfallversicherung mit solchen der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung, da die Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG diesbezüglich eine besondere

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Koordinationsregel enthalten. Demgegenüber greift Art. 40 UVG beispielsweise dann Platz, wenn Taggelder der Unfallversicherung mit Renten der Invalidenversicherung zusammentreffen (BGE 121 V 131 Erw. 2b, BGE 117 V 395 Erw. 2b und BGE 115 V 279 Erw. 1c mit Hinweisen).
a) Das kantonale Gericht hat erwogen, dass die Invalidenversicherung während der Dauer der von ihr durchgeführten beruflichen Eingliederungsmassnahmen gestützt auf Art. 16 Abs. 3 UVG und Art. 25bis IVG Leistungen anstelle der an sich vom Unfallversicherer geschuldeten Taggelder erbracht habe. Da der gesetzliche Anspruch nach UVG lediglich durch Taggeldleistungen der Invalidenversicherung abgelöst und überdeckt worden sei, müsse die gesamte Periode in die Überversicherungsberechnung einbezogen werden.
b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird hiegegen eingewendet, Art. 16 Abs. 3 UVG befreie den Unfallversicherer ausdrücklich von seiner Leistungspflicht. Während der Zeit der Taggeldzahlungen durch die Invalidenversicherung bestehe weder ein Leistungsanspruch gegenüber dem Unfallversicherer, noch seien von diesem Leistungen erbracht worden. Ebenso wenig könne aus der Koordinationsnorm von Art. 25bis IVG geschlossen werden, den Taggeldleistungen der Invalidenversicherung komme nur stellvertretender Charakter zu oder sie stellten mittelbare Leistungen des Unfallversicherers dar. Anknüpfungspunkt für eine globale Überversicherungsberechnung nach Art. 40 UVG könnten indessen nur effektive Bezugsperioden von Leistungen nach diesem Gesetz bilden. Würde die Berechnung losgelöst von den unfallversicherungsrechtlichen Ansprüchen vorgenommen und die massgebende Periode auf sämtliche sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche ausgedehnt, führe dies zur Statuierung eines allgemein gültigen Überversicherungsverbotes, das weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Stütze finde.


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3. Das Eidg. Versicherungsgericht hat bezüglich der Frage, welche Sozialversicherungsleistungen (Taggelder der Unfallversicherung, Renten der Invalidenversicherung) in zeitlicher Hinsicht in die Berechnung der Überversicherung einzubeziehen sind, in BGE 117 V 394 entschieden, dass in Fortführung der unter dem KUVG entwickelten Praxis (BGE 105 V 315 Erw. I/4) auch für die Ermittlung der Überentschädigung gemäss Art. 40 UVG eine Globalrechnung vorzunehmen ist. Die Auffassung, dass beim Zusammentreffen von Taggeldern der Unfallversicherung mit Rentenleistungen der Invalidenversicherung stets gleiche Zeitabschnitte einander gegenüberzustellen seien, hat es aus rechtlichen und praktischen Überlegungen abgelehnt und sich für eine globale Abrechnung für die gesamte Bezugsperiode, beginnend ab der Entstehung des Anspruchs auf Taggelder der Unfallversicherung, ausgesprochen. Gegen die Beibehaltung der früheren Praxis sprechen seiner Ansicht nach weder der im Verhältnis zur altrechtlichen Bestimmung geänderte Wortlaut noch die Materialien und die Tatsache, dass die Komplementärrenten als Gegenstand der besonderen Koordinationsvorschriften (Art. 20 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 4 UVG) anderen Grundsätzen folgen, noch schliesslich der Umstand, dass im Rahmen der Regressbestimmungen gemäss Art. 41 ff. UVG der Grundsatz der zeitlichen Kongruenz massgebend ist. Art. 40 UVG sei der Vorschrift von Art. 74 Abs. 3 KUVG nachgebildet und gelte als Generalklausel grundsätzlich für das Zusammentreffen mit sämtlichen sozialversicherungsrechtlichen Geldleistungen (BGE 117 V 396 Erw. 3b).
4. a) Nach Art. 16 Abs. 3 UVG wird das Taggeld der Unfallversicherung nicht gewährt, solange Anspruch auf ein Taggeld der Invalidenversicherung besteht. Diese Bestimmung gehört zu den besonderen Koordinationsvorschriften, welche eine Harmonisierung unter den verschiedenen Sozialversicherungszweigen sicherstellen und verhindern soll, dass sowohl der Unfallversicherer wie auch die Invalidenversicherung während des gleichen Zeitraumes Taggeldleistungen erbringen (vgl. RUDOLF WIPF, Koordinationsrechtliche Fragen des UVG, in: SZS 1994 S. 14). Nach dem Prinzip der Subsidiarität wird der Unfallversicherer gestützt auf diese Gesetzesvorschrift von seiner Leistungspflicht befreit, solange die primär leistungspflichtige Invalidenversicherung das Taggeld gewährt (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 532 f.; ERICH PETER, Die Koordination von Invalidenrenten im Sozialversicherungsrecht, Diss. Freiburg 1996, S. 176). Die

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Prioritätenordnung wurde deshalb im dargelegten Sinne getroffen, weil die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art in den Aufgabenbereich der Invalidenversicherung und nicht in jenen des Unfallversicherers fallen (JEAN-MAURICE FRÉSARD, L'assurance-accidents obligatoire, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, Rz. 173). Wie die Versicherungsgesellschaft und das BSV zu Recht festhalten, schliesst die genannte Bestimmung somit beim Bezug von Taggeldern der Invalidenversicherung einen gleichzeitigen Leistungsanspruch gegenüber dem Unfallversicherer aus. Art. 25bis IVG, welcher unter der Überschrift "Koordination mit der Unfallversicherung" steht, sichert die Koordination im Sinne einer invalidenversicherungsrechtlichen Besitzstandsgarantie zu (BGE 119 V 126 Erw. 2c), indem der Gesamtbetrag des Taggeldes mindestens dem bisher bezogenen Taggeld der Unfallversicherung zu entsprechen hat. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, ein leistungsmässiges Absinken des bisherigen Bezügers von Taggeldern der Unfallversicherung - welche gemäss Art. 17 Abs. 1 UVG bei voller Arbeitsunfähigkeit 80% des versicherten Verdienstes betragen - nach der Aufnahme einer von der Invalidenversicherung übernommenen Eingliederung mit nach Massgabe der invalidenversicherungsrechtlichen Regeln ermittelten Taggeldern zu vermeiden (BGE 120 V 179 Erw. 3a).
b) Von diesen Koordinationsnormen zu unterscheiden ist die unter dem 3. Kapitel "Kürzung und Verweigerung von Versicherungsleistungen" stehende allgemeine Überversicherungsregel von Art. 40 UVG. Bezüglich der im Rahmen dieser Bestimmung vorzunehmenden Überentschädigungsberechnung hat die Rechtsprechung dem Globalvergleich gegenüber dem Grundsatz der zeitlichen Kongruenz den Vorzug gegeben, weil er einen längeren Anspruchszeitraum umfasst und das Ergebnis der Überentschädigungsberechnung somit weniger von kurzfristigen Schwankungen und zufälligen Konstellationen abhängt, als dies bei strenger Beachtung des Grundsatzes der zeitlichen Kongruenz der Fall wäre (BGE 117 V 397 Erw. 3b). Das Eidg. Versicherungsgericht hat sich für eine Globalrechnung bereits ab Beginn des Taggeldanspruches der Unfallversicherung entschieden, obwohl die Renten der Invalidenversicherung gestützt auf Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG erst nach Ablauf der einjährigen Wartezeit mit den Taggeldern der Unfallversicherung zusammentreffen. Die erwähnte Lösung ermöglicht es somit, eine Unterdeckung (20%) aus der Periode, während welcher der Versicherte nur Taggeldleistungen der Unfallversicherung

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bezogen hat, mit Leistungen einer späteren Bezugsperiode zu kompensieren (FRÉSARD, a.a.O., Rz. 173). Es soll lediglich vermieden werden, dass der Versicherte durch die Gesamtheit der erbrachten Sozialversicherungsleistungen besser gestellt wird als im Fall, in welchem sich das versicherte Ereignis nicht verwirklicht hätte. Dementsprechend sind gemäss dem der globalen Abrechnung zu Grunde liegenden Zweckgedanken nicht einzelne Zeitabschnitte - also etwa die Periode, während welcher Taggelder der Invalidenversicherung ausgerichtet wurden -, sondern der gesamte Fluss von Leistungen dem mutmasslich entgangenen Verdienst gegenüberzustellen mit der Folge, dass die Globalrechnung nicht nur für das Zusammentreffen von Taggeldern der Unfallversicherung mit Renten der Invalidenversicherung, sondern auch für die Dauer der Taggeldzahlung der Invalidenversicherung anzustellen ist. Der zeitliche Abschnitt, während welchem zwar Taggelder der Invalidenversicherung, nicht aber solche der Unfallversicherung beansprucht wurden, ist folglich nicht gesondert herauszugreifen, zumal nicht einzusehen ist, weshalb Versicherte, die während der Umschulung Taggelder der Invalidenversicherung beziehen, schlechter gestellt werden sollen, als jene, welchen durchwegs Taggelder nach dem Unfallversicherungsgesetz ausgerichtet werden. Daraus folgt allerdings nicht, dass für die Dauer des Anspruchs auf Taggelder der Invalidenversicherung auch ein Anspruch auf Taggelder des Unfallversicherers bestünde, wie die Vorinstanz annimmt, oder dieser für diesen Zeitraum gar zur Erbringung von irgendwelchen Leistungen verpflichtet würde. Vielmehr geht es lediglich darum festzustellen, ob für den gesamten massgebenden Zeitraum eine Überentschädigung vorliegt und der Versicherte somit insgesamt mehr Leistungen empfangen hat, als seinem mutmasslich entgangenen Verdienst entspricht. Der Unfallversicherer ist alsdann zur Kürzung nur berechtigt, soweit der Versicherte während der gesamten Periode eine Überentschädigung erhalten hat. (...).