130 V 87
Urteilskopf
130 V 87
14. Auszug aus dem Urteil i.S. S. gegen Kanton St. Gallen und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
K 22/03 vom 14. November 2003
Regeste
Art. 41 Abs. 3 KVG; Art. 132, 134 und 156 OG : Gerichtskosten.
Bejahung der in RKUV 2003 Nr. KV 254 S. 238 Erw. 7.1 offen gelassenen Frage, ob das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht kostenfrei ist, wenn in einem Streit um die Auslegung und Anwendung von Art. 41 Abs. 3 KVG versicherte Person und Wohnkanton einander gegenüberstehen (Erw. 6). Anders verhält es sich, wenn Krankenversicherer und Wohnkanton als Partei und Gegenpartei am Recht stehen (BGE 123 V 309 Erw. 9).
Aus den Erwägungen:
6. Der Beschwerdeführer beantragt kostenlose Prozessführung oder den Verzicht auf die Erhebung von Gerichtskosten.
6.1 Im Urteil H. vom 16. Dezember 1997 (BGE 123 V 290) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die Differenzzahlungen des Wohnkantons der versicherten Person nach Art. 41 Abs. 3 KVG nicht unter den Begriff der Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG fallen. Diesen Zahlungen kommt Subventionscharakter zu. Es handelt sich insoweit um zweckgebundene Leistungen. Das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ist daher grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario; BGE 123 V 297 Erw. 3b/aa und 309 Erw. 9). In diesem Fall standen sich der Wohnkanton (Schwyz) der versicherten Person und ihr Krankenversicherer (Helsana Versicherungen AG) gegenüber.
6.2 Im Urteil H. vom 24. Juni 2003 (K 77/01), auszugsweise wiedergegeben in RKUV 2003 Nr. KV 254 S. 234 ff., hat das Eidgenössische Versicherungsgericht offen gelassen, ob die Kostenpflichtigkeit des letztinstanzlichen Verfahrens auch gilt, wenn die versicherte Person und ihr Wohnkanton als Partei und Gegenpartei am Recht stehen (RKUV 2003 Nr. KV 254 S. 238 Erw. 7.1).
6.2.1 Durch die den Kantonen in Art. 41 Abs. 3 KVG auferlegte Differenzzahlungspflicht werden an sich zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gehende Kosten auf einen anderen Träger, nämlich die Kantone, verlagert. Es liegt eine u.a. sozialpolitisch motivierte Massnahme zur Kosteneindämmung im Bereich der stationären Krankenpflege vor (BGE 127 V 419 Erw. 3b/bb mit Hinweis auf die Materialien). Unter altem Recht hatten die Krankenkassen für Behandlung und Aufenthalt in einer nicht im Wahlrecht der versicherten Person stehenden Heilanstalt aus medizinischen Gründen die gesamten Kosten nach Massgabe der Taxen für die allgemeine Abteilung der betreffenden Einrichtung zu übernehmen (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 127 V 142 ff. Erw. 4).
6.2.2 Die Verpflichtung des Wohnkantons der versicherten Person, einen bestimmten Teil der Kosten der ausserkantonalen Hospitalisation zu übernehmen, sofern die Dienste des betreffenden öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals aus medizinischen Gründen beansprucht werden, ist sozialversicherungsrechtlicher Natur. Es besteht insofern kein Unterschied zur Kostenübernahmepflicht der Krankenversicherer im Rahmen dieser Bestimmung. Mit anderen Worten ist in Bezug auf die dem Spital zu vergütenden
BGE 130 V 87 S. 89
Leistungen nicht danach zu differenzieren, "wer (Versicherer oder Wohnkanton) und in welchem Umfang für die Kosten der medizinisch begründeten ausserkantonalen Hospitalisation (Behandlung und Aufenthalt) aufzukommen hat" (BGE 123 V 297 f. Erw. 3b/bb).
6.3 Streitigkeiten zwischen versicherter Person und Krankenversicherer um die Vergütung von Leistungen, die der Diagnose und Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen, durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung sind grundsätzlich kostenfrei (Art. 132 OG sowie Art. 87 lit. a KVG, in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2002, und Art. 61 lit. a ATSG). Die sozialversicherungsrechtliche Natur der Differenzzahlungspflicht des Wohnkantons der versicherten Person bei Beanspruchung der Dienste eines ausserkantonalen öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals aus medizinischen Gründen verleiht zwar dem Gemeinwesen nicht den Status eines Krankenversicherers im Sinne des Gesetzes. Das kann indessen für die Frage der Kostenpflichtigkeit des Verfahrens vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht für die Versicherten nicht entscheidend sein, ebenso nicht der Subventionscharakter der Zahlungen. Vielmehr ist von Bedeutung, dass die medizinisch begründete ausserkantonale Hospitalisation (Behandlung und Aufenthalt) eine Leistung im krankenversicherungsrechtlichen Sinne darstellt. Dieser Gesichtspunkt gewinnt noch an Gewicht, wenn berücksichtigt wird, dass die mit Art. 41 Abs. 3 KVG angestrebte Kosteneindämmung durch Verlagerung der Kosten auf einen anderen Träger als die soziale Krankenversicherung grundsätzlich nichts am Vergütungsanspruch der Versicherten änderte. Die altrechtliche Ordnung (Art. 19bis Abs. 5 und Art. 23 KUVG sowie die dazu ergangene Rechtsprechung) gilt sinngemäss auch unter dem neuen Recht (BGE 127 V 138). Ganz allgemein sollte nach den Intentionen des Gesetzgebers der Katalog der Leistungen, welche im Rahmen der in Art. 32 Abs. 1 KVG statuierten Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu vergüten sind, verglichen mit früher zumindest nicht eingeschränkt werden (vgl. RKUV 2000 Nr. KV 138 S. 360 Erw. 3b). So besehen wäre es auch kaum verständlich, wenn der versicherten Person im Falle des Unterliegens Gerichtskosten auferlegt würden, umgekehrt der Kanton aufgrund von Art. 156 Abs. 2 OG indes von der Tragung von Gerichtskosten befreit wäre (BGE 123 V 309 Erw. 9).
6.4 Aus den vorstehenden Gründen rechtfertigt es sich, in Streitigkeiten betreffend die Auslegung und Anwendung von Art. 41 Abs. 3 KVG im letztinstanzlichen Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht grundsätzlich von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen, wenn versicherte Person und Wohnkanton sich als Partei und Gegenpartei gegenüber stehen.