BGE 130 V 215 |
32. Urteil i.S. Helsana Versicherungen AG gegen Kanton Zürich und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
K 27/03 vom 11. Februar 2004 |
Art. 41 Abs. 3 Satz 1 und 3 KVG; Art. 80 ff. KVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung); Art. 1 lit. b und Art. 2 in Verbindung mit Art. 49 ff. ATSG sowie Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. d KVG (in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung): Anspruch auf Differenzzahlung: Zuständigkeit und Verfahren. |
Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. d, Art. 87 KVG (in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung); Art. 86 Abs. 1 und 3 Satz 3 KVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung); Art. 1 lit. b und Art. 2 ATSG: Streitigkeiten unter Krankenversicherern. |
Sachverhalt |
Im Weitern stellte die Helsana folgenden Verfahrensantrag:
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Es sei das Verfahren für 18 Monate zu sistieren.
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Eventualiter sei die Klage von Amtes wegen an das zuständige Gericht weiterzuleiten und im Sinne der vorerwähnten Begehren weiterzubehandeln.
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Subeventualiter sei die Klage an die zuständige kantonale Stelle zwecks Erlass einer verwirkungsfristwahrenden und beschwerdefähigen Verfügung betreffend den geltend gemachten Rückforderungsanspruch weiterzuleiten.
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In der Begründung führte der Krankenversicherer u.a. aus, er habe bis Anfang 2002 sämtliche Rechnungen betreffend medizinisch indizierte ausserkantonale ambulante Behandlungen vollumfänglich bezahlt. Mit zwei Urteilen vom 21. Dezember 2001 (K 203/98 und K 204/98) habe das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die Kantone bei medizinisch bedingten ausserkantona-len ambulanten Behandlungen in öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern grundsätzlich eine Differenzzahlungspflicht nach Art. 41 Abs. 3 KVG treffe, wenn und soweit die in Rechnung gestellten Kosten höher seien als die Tarife des Standortkantons. In Anbetracht dieser Entscheide stelle sich für die Klägerin das Problem der Rückforderung des jeweils vorgeleisteten Tarifdifferenzbetrages, welcher durch den Wohnkanton hätte bezahlt werden müssen.
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Mit Beschluss vom 14. Januar 2003 trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ohne Anhörung der Gegenpartei auf die Klage nicht ein (Dispositiv-Ziffer 1). Im Weitern ordnete es an, die Sache werde nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheids an die Direktion des Gesundheitswesens des Kantons Zürich überwiesen zur Entgegennahme als Begehren um Erlass einer anfechtbaren Verfügung (Dispositiv-Ziffer 2).
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B. Die Helsana erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich sei zu verpflichten, auf die Eingabe vom 23. Dezember 2002 einzutreten.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: |
Erwägung 1 |
Der Begriff der medizinischen Gründe wird in Absatz 2 Satz 2 näher umschrieben (vgl. dazu BGE 127 V 138).
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Erwägung 1.3 |
1.3.1 Die Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens zur Geltendmachung und allenfalls gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Wohnkanton der versicherten Person aufgrund von Art. 41 Abs. 3 KVG ist grundsätzlich Sache der Kantone. Dabei handelt es sich um selbstständiges kantonales Recht, dessen Verletzung im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde lediglich in engen Grenzen gerügt werden kann. Das Verfahren darf indessen nicht in der Weise ausgestaltet sein, dass die Durchsetzung des bundesrechtlichen Differenzzahlungsanspruchs übermässig erschwert oder sogar vereitelt würde (BGE 123 V 300 Erw. 5; vgl. auch RKUV 2003 Nr. KV 254 S. 238 Erw. 6). |
Die sachliche Zuständigkeit des Eidgenössischen Versicherungsgerichts für die Beurteilung der Rechtmässigkeit des angefochtenen Beschlusses ist daher zu bejahen.
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Erwägung 3.1 |
Die verfahrensrechtlichen Vorschriften finden sich in den Art. 27 ff. ATSG. Es gilt, soweit vorliegend von Bedeutung, folgende Regelung: Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der Versicherungsträger schriftlich Verfügungen zu erlassen (Art. 49 Abs. 1 ATSG). Gegen Verfügungen kann innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden (Art. 52 Abs. 1 erster Teilsatz ATSG). In den Artikeln 27-54 oder in den Einzelgesetzen nicht abschliessend geregelte Verfahrensbereiche bestimmen sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 (Art. 55 Abs. 1 ATSG).
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Nach Art. 1 Abs. 1 KVG in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung sind die Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das vorliegende Gesetz nicht ausdrücklich eine Abweichung vorsieht. Sie finden keine Anwendung in den in Absatz 2 dieser Vorschrift genannten Bereichen.
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Der Allgemeine Teil des Sozialversicherungsrechts, soweit hier von Bedeutung, enthält lediglich eine übergangsrechtliche Regelung formeller Natur. Nach Art. 82 Abs. 2 ATSG haben die Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege diesem Gesetz innerhalb von fünf Jahren nach seinem Inkrafttreten anzupassen; bis dahin gelten die bisherigen kantonalen Vorschriften. |
Erwägung 5 |
Die Aufzählung in Art. 1 Abs. 2 KVG ist nicht abschliessend. Es gibt an anderen Stellen im Krankenversicherungsgesetz weitere ausdrücklich vom ATSG abweichende Vorschriften (vgl. GEBHARD EUGSTER, ATSG und Krankenversicherung: Streifzug durch Art. 1 - 55 ATSG, in: SZS 2003 S. 215). Hiezu zählen nicht Art. 41 Abs. 3 Satz 1 und 3 KVG. Diese Bestimmungen haben durch das ATSG keine Änderung erfahren.
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5.3 Art. 1 Abs. 2 lit. d KVG nimmt Streitigkeiten der Versicherer unter sich lediglich in Bezug auf Art. 87 KVG vom Anwendungsbereich des ATSG aus. Diese Bestimmung in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung regelt die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Danach haben die Versicherer bei Streitigkeiten unter sich das Versicherungsgericht desjenigen Kantons anzurufen, in dem der beklagte Versicherer seinen Sitz hat. |
5.4.1 Die in Art. 41 Abs. 3 KVG festgeschriebene Verpflichtung des Wohnkantons der versicherten Person, einen bestimmten Teil der Kosten der ausserkantonalen Hospitalisation zu übernehmen, sofern die Dienste des betreffenden öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals aus medizinischen Gründen beansprucht werden, ist sozialversicherungsrechtlicher Natur. Es besteht insofern kein Unterschied zur Kostenübernahmepflicht der Krankenversicherer im Rahmen dieser Bestimmung. Mit anderen Worten ist in Bezug auf die dem Spital zu vergütenden Leistungen nicht danach zu differenzieren, wer (Versicherer oder Wohnkanton) und in welchem Umfang für die Kosten der medizinisch begründeten ausserkantonalen Hospitalisation (Behandlung und Aufenthalt) aufzukommen hat (BGE 123 V 297 f. Erw. 3b/bb). In diesem Sinne kommt den Kantonen in Bezug auf die Differenzzahlungspflicht nach Art. 41 Abs. 3 KVG durchaus eine den Versicherern zumindest ähnliche Stellung zu. |
Eine am Normzweck orientierte Betrachtungsweise lässt die Stellung der Kantone im Rahmen von Art. 41 Abs. 3 KVG somit qualifiziert anders erscheinen als diejenige der Versicherer. Das Gemeinwesen erbringt nicht Versicherungsleistungen im eigentlichen Sinne. Vielmehr stellen die Differenzzahlungen gewissermassen eine besondere Form interkantonalen Lastenausgleichs im Bereich des Spitalwesens dar. Bei Streitigkeiten zwischen Versicherern und Kantonen im Rahmen von Art. 41 Abs. 3 Satz 1 KVG geht es im Übrigen nicht um die Rückforderung von Leistungen, auf die kein Anspruch besteht. |
Erwägung 6 |
In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob das kantonale Recht in Bezug auf ambulante Behandlungen aus medizinischen Gründen in ausserkantonalen öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern nach Art. 41 Abs. 3 KVG lückenhaft ist, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird. In den §§ 6 und 27 EG KVG/ZH ist zwar die Rede von ausserkantonalen Hospitalisationen. Darunter fallen in erster Linie die stationären und teilstationären Behandlungen einschliesslich Aufenthalt in einem Spital. Zu beachten ist indessen, das die fragliche Regelung aufgrund von BGE 123 V 290 erlassen wurde. In diesem Urteil ging es materiell um Fragen, welche den stationären Fall betrafen. Dass auch ambulante Behandlungen unter den Begriff der Dienste im Sinne von Art. 41 Abs. 3 KVG fallen, wurde erst später nach Erlass der §§ 6 und 27 EG KVG mit BGE 127 V 409 entschieden. Der zürcherische Gesetzgeber hat die Regelung nicht an diese Rechtsprechung angepasst und den Begriff Hospitalisationen nicht ersetzt. Bei dieser Rechtslage durfte die Vorinstanz, ohne Bundesrecht zu verletzen oder sogar in Willkür zu verfallen, §§ 6 und 27 EG KVG auch auf Tatbestände der Beanspruchung der ambulanten Dienste eines ausserkantonalen öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals aus medizinischen Gründen anwenden. |
6.3.2 Aus den vorstehenden Gründen ist auch nach In-Kraft-Treten des ATSG die Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens zur Geltendmachung und allenfalls gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf Differenzzahlung nach Art. 41 Abs. 3 Satz 1 KVG auf kantonaler Ebene weiterhin grundsätzlich Sache der Kantone (BGE 123 V 300 Erw. 5). |
Erwägung 7 |
Erwägung 7.2 |
7.2.1 Das verfahrensmässige Vorgehen der Helsana, ihre Forderungen gegen den Kanton Zürich direkt mit Klage gerichtlich geltend zu machen, ist unzulässig. Etwas anderes behauptet, zumindest im Grundsatz, zu Recht auch der Krankenversicherer nicht. Die Rechtsuchenden haben nicht die Wahl zwischen verschiedenen Verfahren, um ihre Ansprüche geltend zu machen und durchzusetzen. Sie haben den Weg zu beschreiten, den das Gesetz vorschreibt (vgl. auch KÖLZ/ BOSSHART/ RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, N 8 der Vorbemerkungen zu §§ 41-71 VRG). Unklarheiten rechtlicher Natur, insbesondere offene Fragen in Bezug auf die Verjährung oder Verwirkung der Ansprüche sind unbeachtlich. Sind, wie vorliegend, das Bestehen einer Forderung und deren Höhe durch eine Verfügung festzustellen und festzulegen, kann diese Verfahrensstufe nicht einfach übersprungen und direkt die (im Rahmen der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege zuständige) Gerichtsbehörde angerufen werden. |
Im Übrigen ist nicht einsehbar, weshalb der Krankenversicherer nicht sofort und spätestens nach Kenntnis der Urteile R. und K. vom 21. Dezember 2001 (K 203/98 und K 204/98) seine Forderungen aus Art. 41 Abs. 3 KVG gegenüber dem Kanton Zürich vorsorglich bei der für das Gesundheitswesen zuständigen Direktion geltend machte. Ein solches Vorgehen drängte sich umso mehr auf, als und soweit in Bezug auf die Frage der Verjährung oder Verwirkung der Ansprüche Unklarheit bestand. An der Geltendmachung der Forderungen aus Art. 41 Abs. 3 KVG gegenüber dem Kanton Zürich auf dem hiefür vorgesehen Weg hinderten die Helsana auch nicht die auf eine pauschale Lösung gerichteten Verhandlungen der santésuisse mit der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz. Zum einen musste ebenfalls mit dem Scheitern dieser Bemühungen gerechnet werden. Zum andern ist nicht auszuschliessen, dass der administrative Aufwand und verfahrensmässige Engpässe als Folge der nicht zu vernachlässigenden Zahl von Rückerstattungsanträgen sich unter Umständen positiv auf die laufenden Verhandlungen ausgewirkt hätten.
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7.2.3 Ob durch das Kostengutsprachegesuch oder erst durch den Entscheid der zuständigen Direktion eine laufende Verjährungsfrist unterbrochen oder der Eintritt der Verwirkung gehemmt wird, kann offen bleiben (vgl. UELI KIESER, ATSG-Kommentar: Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, N 13 f. zu Art. 24 und N 5 zu Art. 29). Ebenfalls braucht hier nicht entschieden zu werden, welche Bedeutung der Klage vom 23. Dezember 2002 für die Frage des Erlöschens der Ansprüche infolge Zeitablaufs zukommt (vgl. immerhin zu Art. 23 KUVG [Rückforderung wegen unwirtschaftlicher Behandlung] RKUV 2003 Nr. KV 250 S. 218 ff. Erw. 2.2). Darüber wird die verfügungszuständige Direktion zuerst zu befinden haben. |