BGE 137 V 90 |
13. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG gegen G. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_238/2010 vom 7. April 2011 |
Regeste |
Art. 3 Abs. 2 UVG; Unfall in der Nachdeckungsfrist. |
Sachverhalt |
A. Die 1948 geborene G. war bis 30. November 2002 bei der Stiftung H. als Krankenschwester/Therapeutin angestellt und damit bei der Alpina Versicherungen, Basel (heute: Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, Zürich [im Folgenden: Zürich]) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen obligatorisch versichert. Ab 1. Dezember 2002 arbeitete G. als selbstständigerwerbende Shiatsu-Therapeutin. Am 14. Dezember 2002 stürzte sie bei einem Spaziergang und zog sich eine Humeruskopffraktur am rechten Schultergelenk zu. Die Zürich erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld). Mit Verfügung vom 28. Januar 2008 und Einspracheentscheid vom 24. Februar 2009 stellte die Zürich unter Hinweis auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 265/03 vom 14. Februar 2005 fest, im Zeitpunkt des Unfalls vom 14. Dezember 2002 habe keine Versicherungsdeckung aus der obligatorischen Unfallversicherung bestanden, weshalb eine Leistungspflicht zu verneinen sei; auf eine Rückforderung der bisher erbrachten Leistungen werde verzichtet. |
B. In Gutheissung der gegen den Einspracheentscheid vom 24. Februar 2009 eingereichten Beschwerde verpflichtete das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 26. November 2009 die Zürich, für den Unfall vom 14. Dezember 2002 weiterhin Leistungen aus UVG zu erbringen.
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C. Mit Beschwerde beantragt die Zürich, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihr leistungsablehnender Einspracheentscheid zu bestätigen und es sei festzustellen, dass das kantonale Gericht das rechtliche Gehör verletzt habe.
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Während G. auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
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D. Mit prozessleitender Verfügung vom 7. Mai 2010 wies die Instruktionsrichterin das von der Zürich gestellte Gesuch, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ab.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 4 |
Erwägung 5 |
5.2 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen ausgelegt werden. Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten Umständen anpasst oder ergänzt (BGE 135 III 20 E. 4.4 S. 23; BGE 132 V 159 E. 4.4.1 S. 164). |
Erwägung 5.4 |
5.4.1 Beim Erlass von Art. 3 Abs. 2 UVG wollte der Gesetzgeber die damals geltende Regelung fortführen (Botschaft vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung, BBl 1976 III 141, 185 Ziff. 401.1 zu Art. 3 E-UVG; WALTER SEILER, Der Entwurf zu einem neuen Unfallversicherungsgesetz, SZS 1977 S. 6 ff., 10). Dabei regelt Art. 3 Abs. 2 UVG nicht in erster Linie die Nachdeckungsfrist, sondern legt das Ende des Versicherungsschutzes fest. Gemäss seinem Wortlaut enthält dieser Absatz keine Einschränkung bezüglich Personen, welche in der 30-Tages-Frist eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. Folgte man der Ansicht der Beschwerdeführerin und ginge man gestützt auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 265/03 vom 14. Februar 2005 E. 3.3.1 trotzdem davon aus, dieser Absatz sei auf Selbstständigerwerbende ohne freiwillige Versicherung nicht anwendbar, so stellte sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt bei dieser Personengruppe die Versicherung aus der zuvor ausgeübten unselbstständigen Erwerbstätigkeit endet. Dem Gesetz wäre - da ja der einzige Absatz, welche das Ende der Versicherung regelt, gerade nicht anwendbar wäre - keine Antwort zu entnehmen. Diese Lücke wäre - da auch kein diesbezügliches Gewohnheitsrecht feststellbar ist - vom Gericht nach derjenigen Regel zu füllen, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (Art. 1 Abs. 2 ZGB). |
5.4.3 Freilich liesse sich ein Teil dieser Probleme umgehen mit der Festlegung des Endes der Versicherung auf jenen Zeitpunkt, in dem die versicherte Person die selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, dies jedoch mit dem Vorbehalt, die Deckung ende frühestens in jenem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn des alten Arbeitgebers aufhört. Nicht beantwortet wäre damit die Frage, wann eine selbstständige Erwerbstätigkeit als aufgenommen gilt. Der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit geht regelmässig eine Planungsphase voran; an diese schliesst sich mehr oder weniger deutlich abgrenzbar eine Anlaufphase an, in der oftmals kein oder nur ein geringes Entgelt erwirtschaftet wird. Es wäre nur schwer zu rechtfertigen, wenn die versicherte Person ihren Versicherungsschutz schon während den ersten Planungsarbeiten verlieren würde. Von einer Person, welche eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will, kann zudem realistischerweise nicht erwartet werden, dass sie sich bereits vor den ersten Planungsarbeiten um eine freiwillige Unfallversicherung kümmert. Zudem wäre bereits das Einholen von Offerten verschiedener Unfallversicherungen als Planungsarbeit zu qualifizieren. Zwar könnte der massgebende Zeitpunkt auf den Übergang von der Planungs- zur Anlaufphase festgesetzt werden; indessen ist dieser Übergang oft fliessend und nicht völlig ermessensfrei zu bestimmen (vgl. ARV 2004 S. 199, C 160/02 E. 3.3). Zudem stellte sich die Frage, was zu gelten hätte, wenn eine versicherte Person, welche die selbstständige Erwerbstätigkeit bereits nebenberuflich ausübte, diese unter Aufgabe ihrer unselbstständigen Erwerbstätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit ausbaut. |
5.5 Damit versicherte Personen nicht ohne ihr Wissen ihren Versicherungsschutz verlieren und sich gegebenenfalls rechtzeitig um einen alternativen Schutz bemühen können, ist es notwendig, dass das Ende der alten Versicherung einfach und ermessensfrei festgestellt werden kann. Dies wäre nach der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auslegung von Art. 3 Abs. 2 UVG nicht der Fall. Zudem war sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Nachdeckungsfrist bewusst, dass von ihr gegebenenfalls auch Personen profitieren können, für welche sie nicht explizit geschaffen wurde (vgl. E. 5.3 hievor). Diese Überlegungen führen dazu, der gegenteiligen Auslegung - welche dem Wortlaut der Norm entspricht - den Vorzug zu geben. Somit ist festzuhalten, dass in Anwendung von Art. 3 Abs. 2 UVG auch jene während der Nachdeckungsfrist verunfallten Personen für diesen Unfall noch obligatorisch versichert sind, welche bereits eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen haben (im Ergebnis wohl auch ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl. 1989, S. 148). Soweit aus dem Urteil U 265/03 vom 14. Februar 2005 E. 3.3.1 etwas Gegenteiliges abgeleitet werden kann, ist daran nicht festzuhalten.
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