BGE 138 V 292 |
35. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. T. gegen Stadt Dietikon (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_321/2012 vom 11. Juli 2012 |
Regeste |
Art. 59 ATSG; Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG; Art. 35 Abs. 1 IVG; Art. 82 IVV und Art. 71ter Abs. 3 AHVV; Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV; Art. 20 Abs. 1 ELV und Art. 67 Abs. 1 AHVV; Beschwerdelegitimation des Kindes einer Ergänzungsleistungen beziehenden Person, für das Anspruch auf eine Kinderrente der Invalidenversicherung besteht. |
Frage offengelassen, ob Art. 71ter Abs. 3 AHVV sinngemäss auch im EL-Bereich anwendbar ist, da selbst ein Anspruch des mündigen Kindes auf Auszahlung der gesondert berechneten Ergänzungsleistung an sich nicht ohne weiteres die den grundsätzlichen und umfangmässigen Leistungsanspruch als solchen betreffende Beschwerdebefugnis vermittelte (E. 4.2.2). |
Sachverhalt |
A. Die bei ihrer Mutter wohnhafte T. begann im Jahre 2009 die dreijährige Ausbildung zur Tourismusfachfrau HF an der Schule X. Das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich richtete ihr ab diesem Monat Ergänzungsleistungen (EL) zur Kinderrente der Invalidenversicherung aus (Verfügungen vom 9. November und 1. Dezember 2009). Nach dem Wegzug ihres Vaters nach Dietikon war ab Mai 2010 neu die dortige Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV zuständig für die Berechnung der Ergänzungsleistungen. Nachdem die Amtsstelle mit unangefochten gebliebener Verfügung vom 25. Juni 2010 die Leistungen ab 1. Juli 2010 eingestellt hatte, lehnte sie mit Verfügung vom 20. Dezember 2011 die Ausrichtung von Leistungen ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 24. Januar 2012 fest. |
B. Auf die hiegegen erhobene Beschwerde der T. trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 12. März 2012 nicht ein.
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C. T. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 12. März 2012 sei aufzuheben und die Vorinstanz sei zu verpflichten, auf die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 24. Januar 2012 einzutreten, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Die Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Dietikon verzichtet auf eine Stellungnahme. Das kantonale Sozialversicherungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: |
3. Nach Art. 59 ATSG ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Der Begriff des schutzwürdigen Interesses für das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht ist gleich auszulegen wie derjenige nach Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG für das Verfahren der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht. Ein schutzwürdiges Interesse liegt somit vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des oder der Rechtsuchenden durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann. Dabei wird verlangt, dass die Beschwerde führende Person durch den angefochtenen Verwaltungsakt (Verfügung oder Einspracheentscheid) stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht (BGE 136 V 7 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen; Urteil 9C_822/2011 vom 3. Februar 2012 E. 3.1). |
3.2 Anrecht auf Ergänzungsleistungen haben, sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, nur Personen, die einen selbständigen (originären) Anspruch auf eine IV-Rente haben. Kinder, für die ein Anspruch auf eine Kinderrente nach Art. 35 Abs. 1 IVG besteht, können keinen eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen begründen. Das gilt auch bei gesonderter Berechnung der Ergänzungsleistung gestützt auf Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV. Die betreffenden Kinder können auch nicht, etwa aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, als Destinatäre eines Teils der Ergänzungsleistungen angesehen werden mit der Folge, dass ihnen ein separat ausgeschiedener Teil davon auszurichten wäre (SVR 2012 EL Nr. 2 S. 4, 9C_371/2011 E. 2.3 und 2.4.2; FamPra.ch 2010 S. 135, 8C_624/2007 E. 5.2). |
Mangels Anspruchs aus eigenem Recht kann die Beschwerdeführerin nicht direkt, sondern nur als Dritter "pro Adressat" beschwerdeberechtigt sein.
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Erwägung 4.2 |
Art. 71ter Abs. 3 AHVV, in Kraft seit 1. Januar 2011, lautet wie folgt: Wird das Kind volljährig, so ändert sich an der vorher praktizierten Auszahlung [der Kinderrente an den rentenberechtigten oder an den nicht rentenberechtigten Elternteil nach Abs. 1] nichts, es sei denn, das volljährige Kind verlange die Auszahlung an sich selber. Abweichende vormundschaftliche oder zivilrichterliche Anordnungen bleiben vorbehalten. Diese Vorschrift ist nach Art. 82 IVV (SR 831.201; in Verbindung mit Art. 35 Abs. 4 Satz 3 IVG) sinngemäss auf Kinderrenten der Invalidenversicherung anwendbar. Sie wurde als Folge von BGE 134 V 15 erlassen (vgl. SVR 2010 IV Nr. 22 S. 26, 9C_326/2009 E. 3.5). |
Erwägung 4.3 |
4.3.2 Gemäss Art. 20 Abs. 1 ELV wird der Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung durch eine schriftliche Anmeldung geltend gemacht. Artikel 67 Absatz 1 AHVV ist sinngemäss anwendbar. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind zur Geltendmachung des Anspruchs auf eine Rente oder Hilflosenentschädigung der AHV u.a. auch die Kinder des Berechtigten befugt. Die Beschwerdeführerin ist somit berechtigt, ihren Vater zum EL-Bezug anzumelden. Daraus ergibt sich unmittelbar ihre Legitimation zur Einsprache gegen die Verfügung vom 20. Dezember 2011 und zur Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 24. Januar 2012. Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid verletzt somit Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG). |