BGE 146 V 38 |
5. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. SA gegen Bundesamt für Gesundheit (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
9C_474/2019 vom 6. November 2019 |
Regeste |
Art. 25 und 25a VwVG; Art. 25 und 32 KVG; Art. 65, 65d-65g, 66a KVV; Gesuch um Erlass einer Verfügung im Rahmen eines "Health Technology Assessment (HTA)". |
Aus den Erwägungen: |
Erwägung 4 |
4.1 Das Verwaltungsverfahren - auch Verfahren auf Erlass einer Verfügung, erstinstanzliches Verfahren oder nichtstreitiges Verwaltungsverfahren genannt - ist das formalisierte, mithin rechtlich geregelte Verfahren, das in den Erlass einer Verfügung mündet (vgl. Art. 1 Abs. 1 VwVG [SR 172.021]; PIERRE TSCHANNEN, in: VwVG, Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Kommentar [nachfolgend: Kommentar VwVG], 2. Aufl. 2019, N. 9 zu Art. 1 VwVG; GREGOR BACHMANN, Anspruch auf Verfahren und Entscheid, Der Zugang zum Verwaltungsverfahren und zur Verwaltungsrechtspflege unter besonderer Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien, 2019, S. 5). Das Verwaltungsverfahren soll mittels rechtlicher Leitplanken den Vorgang der Rechtsanwendung steuern (BACHMANN, a.a.O., S. 5; PIERRE TSCHANNEN, Systeme des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2008, S. 156 Rz. 306). Nicht als Verwaltungsverfahren gelten informale Vorgänge innerhalb der Verwaltung, selbst wenn sie im Einzelfall prozeduralen Charakter aufweisen (BACHMANN, a.a.O., S. 5). Auf Vorstufen eines Verwaltungsverfahrens wie informelle Abklärungen und dergleichen findet das VwVG mangels Verfügungsziels daher keine Anwendung (vgl. BGE 135 II 60 E. 3.1.2 S. 67 f.; TSCHANNEN, Kommentar VwVG, a.a.O., N. 9 am Ende zu Art. 1 VwVG; BACHMANN, a.a.O., S. 25 oben). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ausserhalb des Verfahrens auf Erlass von Verfügungen keine Vorschriften gelten. Jedes staatliche Handeln, das rechtliche wie das reale, stellt "Rechtshandeln" dar, denn es basiert auf rechtlichen Grundlagen und ist in ein enges Geflecht von allgemeinen Handlungsmaximen und Grundrechten eingebunden (siehe BACHMANN, a.a.O., S. 25 oben; MARKUS MÜLLER, Kommentar zu BGE 143 I 336, ZBl 118/2017 S. 437 ff., insb. S. 449). |
4.2 Gemäss Art. 25 Abs. 2 VwVG ist dem Begehren um eine Feststellungsverfügung - Gesuch um Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder des Umfangs von Rechten und Pflichten (Art. 5 Abs. 1 lit. b und Art. 25 Abs. 1 VwVG) - stattzugeben, wenn die gesuchstellende Person ein schutzwürdiges Interesse nachweist. Die Verwaltungsbehörden trifft demnach die Pflicht, Gesuchen um Erlass einer Feststellungsverfügung nachzukommen und in der Folge einen entsprechenden Rechtsakt zu erlassen. Das Bundesgericht hat den Anspruch auf eine Feststellungsverfügung nach Art. 25 Abs. 2 VwVG auf Leistungs- und Gestaltungsverfügungen ausgedehnt (BGE 120 Ib 351 E. 3a S. 354 f.; BGE 98 Ib 53 E. 3 S. 58 ff.; Urteil 2C_188/2010 vom 24. Januar 2011 E. 4.5 mit Hinweisen; ferner u.a. BACHMANN, a.a.O., S. 25 f. Fn. 117 mit diversen Hinweisen). Da Verwaltungsverfahren auf den Erlass einer Verfügung abzielen, korreliert der Anspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens mit dem Anspruch auf Erlass einer Verfügung. Entscheidend ist die Ausrichtung auf die Verfügung: Wer Anspruch auf eine Verfügung hat, hat Anspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens. Sofern eine Verfügung in Aussicht steht, dürfen die Verwaltungsbehörden nicht informell und in Unkenntnis der Betroffenen Vorkehren treffen (wie insbesondere Sachverhaltsermittlungen vornehmen), sondern haben ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, in welchem die Betroffenen ihre Mitwirkungsrechte wahrnehmen können (BACHMANN, a.a.O., S. 26). Der Anspruch auf eine Verfügung und mithin auf ein Verwaltungsverfahren besteht zusammenfassend unter folgenden Voraussetzungen: Das von der gesuchstellenden Person beantragte bzw. von der Verwaltung beabsichtigte Verwaltungshandeln muss auf den Erlass einer Verfügung gerichtet sein und Gegenstand einer Verfügung bilden können, die betreffende Verwaltungsbehörde hat zuständig für ein entsprechendes Handeln zu sein, und wer am Verwaltungsverfahren teilnehmen will, bedarf der Parteistellung (BACHMANN, a.a.O., S. 28). |
4.3.1 Diese Bestimmung räumt der betroffenen Person das Recht auf ein eigenständiges, nachgeschaltetes Verwaltungsverfahren ein, das in eine Verfügung über den beanstandeten Realakt mündet (Art. 25a Abs. 2 VwVG; BGE 136 V 156 E. 4.2 S. 160). Mit Art. 25a VwVG sollen einer Behörde zugerechnete und wahrnehmbare Handlungen, welche widerrechtlich sein können, einer Überprüfung auf Rechtskonformität zugeführt werden. Bei den Handlungen handelt es sich um Realakte, wie die Überschrift von Art. 25a VwVG nahelegt. Realakte grenzen sich von Rechtsakten ab. Abgrenzungskriterium bildet der Erfolg, den der Verwaltungsträger mit seiner Handlung unmittelbar anstrebt. Danach heissen zur Bewirkung eines Rechtserfolgs bestimmte Verwaltungshandlungen Rechtsakte, zur Bewirkung eines blossen Taterfolgs bestimmte Handlungen Realakte. Realakte zielen auf unmittelbare Gestaltung der Faktenlage (BGE 144 II 233 E. 4.1 S. 235 f. mit diversen Hinweisen). Hoheitliche Realakte lassen sich wie hoheitliche Rechtsakte grundsätzlich in individuell-konkrete und generell-abstrakte unterscheiden. Zu jenen zählen etwa die klassischen polizeilichen Handlungen des Anhaltens oder des Schusswaffengebrauchs (vgl. BGE 136 I 87 E. 4-8 S. 94 ff.; BGE 130 I 369 E. 6.1 S. 377 ff.) oder die Euthanasie eines Hundes (Urteil 2C_166/2009 vom 30. November 2009 E. 1.2.2), zu diesen in aller Regel amtliche Warnungen oder Empfehlungen, wobei diese auch individuell-konkret sein können. Amtliche Warnungen und Empfehlungen sind staatliche Aussagen über die faktische Ratsamkeit bestimmter Verhaltensoptionen. Sie betreffen, sofern sie generell-abstrakt sind, eine Unzahl von Sachlagen und Personen (BGE 144 II 233 E. 4.1 S. 236 mit diversen Hinweisen).
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4.3.2 Art. 25a VwVG definiert das streitlagenspezifische Rechtsschutzinteresse (vgl. zum Begriff BGE 137 V 210 E. 3.4.2.4 S. 254 mit Hinweis) über ein aktbezogenes und ein subjektbezogenes Kriterium. Zum einen muss der Realakt "Rechte oder Pflichten berühren", zum anderen die gesuchstellende Person ein "schutzwürdiges Interesse" an einer Verfügung über einen Realakt aufweisen. Obwohl die genannten Kriterien mit der Bestimmung des Rechtsschutzinteresses die gleiche Stossrichtung aufweisen, werden sie innerhalb von Art. 25a VwVG klar getrennt - im gleichen Sinne wird herkömmlicherweise bei Rechtsakten zwischen Anfechtungsobjekt (Art. 44 VwVG) und Beschwerdebefugnis (Art. 48 VwVG) unterschieden (BGE 140 II 315 E. 4.1 S. 324; vgl. zum Ganzen auch MARKUS MÜLLER, Rechtsschutz gegen Verwaltungsrealakte, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, 2007, S. 313 ff., S. 348, 355). |
Das "schutzwürdige Interesse" im Sinne von Art. 25a VwVG ist grundsätzlich gleich zu verstehen wie beim Parteibegriff (Art. 6 VwVG) und der Beschwerdebefugnis nach Art. 48 Abs. 1 VwVG bzw. Art. 89 Abs. 1 BGG (vgl. Urteil 1C_455/2011 vom 12. März 2012 E. 4.4). Es muss demnach eine besondere Nähe der gesuchstellenden Person zum Realakt vorliegen, wobei das schutzwürdige Interesse rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein kann, soweit die gesuchstellende Person an der Rechtsklärung mittels Verfügung über den Realakt einen praktischen Nutzen hat (BGE 140 II 315 E. 4.2 S. 324 f. mit Hinweisen; ferner WEBER-DÜRLER/KUNZ-NOTTER, in: VwVG, Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Kommentar, 2. Aufl. 2019, N. 29 zu Art. 25a VwVG).
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Das schutzwürdige Interesse im erwähnten Sinne entfällt, wo genügender Rechtsschutz auf andere Weise möglich ist, der betroffenen Person also beispielsweise der Rechtsschutz gegenüber dem Realakt zu einem späteren Zeitpunkt offensteht (BGE 140 II 315 E. 3.1 S. 322; BGE 136 V 156 E. 4.3 S. 160 mit Hinweisen; vgl. zur "Subsidiarität" von Art. 25a VwVG auch WEBER-DÜRLER/KUNZ-NOTTER, a.a.O., N. 32 zu Art. 25a VwVG). Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass der Person auf Grund der hinausgeschobenen Eröffnung des Rechtswegs ein unzumutbarer Nachteil droht (BGE 136 V 156 E. 4.3 S. 160 mit Hinweis; WEBER-DÜRLER/KUNZ-NOTTER, a.a.O., N. 32 zu Art. 25a VwVG).
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4.4 Verneint wurde von Lehre und Rechtsprechung die Qualität eines Verwaltungsverfahrens - und damit der Anspruch auf Erlass einer Verfügung nach Art. 25 oder 25a VwVG - etwa mit Blick auf die Aufsichtstätigkeit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, in deren Rahmen die Finanzinstitute überwacht werden (in diesem Sinne Urteil 2C_1097/2014 vom 6. Oktober 2015 E. 3.2). Erst wenn die FINMA anlässlich ihrer Aufsichtstätigkeit auf Hinweise eines nicht rechtskonformen Verhaltens eines Finanzinstituts stösst, welche weiter überprüft werden müssen und die, sofern sie sich erhärten sollten, den Erlass einer aufsichtsrechtlichen Verfügung erwarten liessen (sog. Feststellungsverfügung mit "Sanktionscharakter" im Sinne von Art. 32 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2007 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht [Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG; SR 956.1]; vgl. Urteile 2C_352/2016 vom 9. Dezember 2016 E. 1.2.3 mit Hinweisen; 2C_303/2016 vom 24. November 2016 E. 2.5.1; 2C_305/2016 vom 24. November 2016 E. 2.1; ferner WEBER-DÜRLER/KUNZ-NOTTER, a.a.O., N. 39 sowie Fn. 149 zu Art. 25a VwVG), besteht für die Betroffenen Anspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens mit den entsprechenden Mitwirkungsrechten (so auch BACHMANN, a.a.O., S. 26 unten f.). |
Ebenso wurde bundesgerichtlich entschieden, dass das im sechsten Abschnitt ("Verwaltungssanktionen") des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) geregelte Melde- und Widerspruchsverfahren gemäss Art. 49a Abs. 3 lit. a KG ("Sanktion bei unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen") ein kartellrechtliches Sonderverfahren darstellt, das zu keinem eigenständigen Entscheid über die Zulässigkeit eines gemeldeten wettbewerbsrelevanten Verhaltens führt. Es soll den Betroffenen vielmehr als Vorverfahren sui generis in Konkretisierung der offen formulierten Gesetzesgrundlage eine eigene Einschätzung der Zulässigkeit der gemeldeten Wettbewerbsbeschränkung erlauben (BGE 135 II 60 E. 2-3.2 S. 63 ff.). Zwar, so die höchstrichterlichen Erläuterungen im Weiteren (E. 3.3 S. 73 ff.), lasse Art. 25 Abs. 1 VwVG auch Feststellungsverfügungen über Rechte und Pflichten zu, die auf einem sich erst zukünftig verwirklichenden Sachverhalt beruhten; die entsprechende Regelung finde im Verfahren von Art. 49a Abs. 3 lit. a KG indessen keine Anwendung, soweit damit ein Entscheid im Sinne von Art. 30 KG ("Die Wettbewerbskommission entscheidet auf Antrag des Sekretariats mit Verfügung über die treffenden Massnahmen oder die Genehmigung einer einvernehmlichen Regelung" [Abs. 1]) vorweggenommen werden solle.
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Erwägung 5 |
Erwägung 5.2 |
Erwägung 6 |
6.1 Der Begriff "Health Technology Assessment (HTA)" steht international für die systematische Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien. HTAs gelten als wichtiges Instrument der evidenzbasierten Politikberatung und Entscheidungsfindung (vgl. "Re-Evaluation von Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung - HTA" des BAG [nachfolgend: Re-Evaluation BAG], abrufbar unter www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-bezeichnung-der-leistungen/re-evaluation-hta.html [besucht am 23. September 2019]). Die vordefinierten Fragestellungen werden mithilfe eines interdisziplinären Methodenansatzes untersucht. Dabei wird der aktuelle Stand der Wissenschaften berücksichtigt. Der vordefinierte Evaluationsprozess ist objektiv, transparent und unabhängig. Die gewonnenen Erkenntnisse und die daraus abgeleiteten Empfehlungen können als Entscheidungsgrundlage dienen (DANIEL WIDRIG, Health Technology Assessment, 2015, S. 52 Ziff. 3.1.3.5). Zu den medizinischen Technologien, die mittels HTA bewertet werden können, gehören nicht nur Arzneimittel oder medizinische Geräte, sondern auch die ärztliche Behandlung an sich, Diagnosen, Analysen, präventive Massnahmen, klinisch-organisatorische Abläufe oder chirurgische Verfahren (WIDRIG, a.a.O., S. 42 Ziff. 3.1.1). |
Was die allgemeine Zielsetzung eines HTA anbelangt, bildet dieses das Kernstück eines Entscheidfindungsprozesses. Es wird in der Regel in Auftrag gegeben, um für eine medizinische Fragestellung eine Entscheidungsgrundlage zu erarbeiten (vgl. WIDRIG, a.a.O., S. 147 Ziff. 4.1). Es soll auf einer wissenschaftlichen, unabhängigen und patientenorientierten Basis Informationen für gesundheitspolitische Entscheide aufbereiten. Ein HTA-Bericht bezweckt, auf dem aktuellsten Stand der Wissenschaft Vor- und Nachteile einer medizinischen Technologie umfassend darzustellen (WIDRIG, a.a.O., S. 64 Ziff. 3.3; ferner MATTER-WALSTRA/FINLAYSON, Health Technology Assessment zur Überprüfung medizinischer Pflichtleistungen, CHSS 3/2018 S. 23 ff.; CRANOVSKY/SCHILLING/FAISST/KOCH/GUTZWILLER/BRUNNER, Health Technology Assessment in Switzerland, International Journal of Technology Assessment in Health Care 2000 S. 576 ff., www.cambridge.org/core/journals/international-journal-of-technology-assessment-in-health-care/article/health-technology-assessment-in-switzerland/6B5080B1E75B6E5ED8910F55EC152A64).
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6.2 Das von der Beschwerdeführerin beanstandete HTA "(...)" ist Ausfluss der im Zusammenhang mit der bundesrätlichen Strategie "Gesundheit2020" beabsichtigten Verstärkung des entsprechenden Instruments in Form des - durch das BAG lancierten - HTA-Programms "Re-Evaluation von Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung - HTA". Dieses soll in den kommenden Jahren schrittweise auf- und ausgebaut werden. Der Fokus liegt dabei auf der allgemeinen Nutzenbewertung von Leistungen und gestützt darauf - nachgelagert - der Beurteilung der grundsätzlichen Anforderungen an die Leistungspflicht gemäss KVG (in diesem Sinne der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 5. September 2018 zur Interpellation Nr. 18.3585 von Nationalrat Thomas Hardegger betreffend "Verbindliche Zusammenarbeit von Bund [BAG] und Swiss Medical Board in Bezug auf HTA", Ziff. 4 am Ende [abrufbar unter www.parlament.ch]). Potenziell obsolete Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) sollen mithin überprüft werden mit dem Ziel der Entfernung aus dem Leistungskatalog oder einer Einschränkung der Vergütungspflicht ("Disinvestment"; vgl. Re-Evaluation BAG, a.a.O.; MATTER-WALSTRA/FINLAYSON, a.a.O., S. 23 unten f.). |
Erwägung 6.3 |
1. Themenfindung (sechs bis zehn Monate):
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- Themeneingabe durch interessierte Kreise oder BAG (Plausibilisierung BAG)
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- Konsultation Stakeholder zur Priorisierung
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- Priorisierung und Empfehlung durch Eidgenössische Kommissionen (für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen [ELGK], für Analysen, Mittel und Gegenstände [EAMGK], Arzneimittelkommission [EAK])
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- Beschluss HTA-Programm durch das Eidgenössische Departement des Innern (EDI)
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2. Scoping (sechs bis neun Monate):
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- Pre-Scoping: Voranalyse und Eingrenzung bzw. Festlegung der im HTA-Bericht zu erarbeitenden Fragestellungen (BAG)
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- Ausschreibung und Auftragsvergabe durch BAG an externe Institution zur Erstellung eines Scoping- sowie eines HTA-Berichts
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- Scoping: Konkretisierung der Fragestellung und Erarbeitung der Methodik (Auftragnehmende)
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- Stakeholder und Reviewer Konsultation zum Scopingbericht
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3. Assessment (sechs bis zwölf Monate):
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- Ausarbeitung des HTA-Berichts durch Auftragnehmende
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- Stakeholder und Reviewer Konsultation zum Berichtsentwurf
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- Veröffentlichung Schlussbericht
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- Bewertung der HTA-Berichte durch Eidgenössische Kommissionen (ELGK, EAMGK, EAK)
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- Empfehlung zuhanden des EDI oder BAG
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- Beschluss des EDI oder - bei konfektionierten Arzneimitteln - des BAG über eine allfällige Streichung, Einschränkung oder Weiterführung der Leistungspflicht
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- Veröffentlichung Beschluss
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Erwägung 7 |
7.2 Nach dem vorstehend Dargelegten bildet Grundlage des vorliegend fraglichen HTA das erwähnte HTA-Programm zur Re-Evaluation von Leistungen der OKP. Dem BAG steht dabei - vor allem in Bezug auf das Finden diesbezüglich geeigneter Themen - ein grosser Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu. Interessierte Dritte, wie etwa die in den Prozess miteinbezogenen sogenannten Stakeholder (Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte [FMH], Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz [GDK], Krankenversichererverbände, weitere Dachverbände [beispielsweise im Pharmabereich], Patientenorganisationen etc.), können zwar Themen in das Verfahren einbringen und diese im Anschluss - mit dem BAG - anhand festgelegter Priorisierungskriterien nach ihrer klinischen Bedeutsamkeit und ihrem möglichen Kostendämpfungspotential bewerten. Auch steht es ihnen offen, zu dem im Nachgang erarbeiteten Scopingbericht bzw. dem HTA-Berichtsentwurf Stellung zu nehmen. Sie haben aber weder Anspruch darauf, dass die zuständigen Bundesbehörden in dem von ihnen gewünschten Sinne tätig werden und ein entsprechendes HTA-Verfahren einleiten, noch dass sie von einem solchen absehen. Vielmehr ist es letztlich das EDI, welches den Beschluss betreffend Durchführung des konkreten HTA fällt (vgl. E. 6.3.1 hiervor). |
7.2.1 Die Eröffnung und Durchführung bzw. die Nichteröffnung der entsprechenden Vorabklärung, die letztendlich, je nach Ausgang, in ein formelles Überprüfungsverfahren gemäss den einschlägigen KVV-Bestimmungen münden kann (vgl. E. 5.2.1 f. hiervor), aber nicht muss, begründet somit unmittelbar keine Rechte und Pflichten allfällig Betroffener. Das HTA stellt hier lediglich eine Vorstufe - im Sinne der Erarbeitung einer Entscheidgrundlage und der Abgabe einer Empfehlung - zu einem möglichen späteren Verfahren betreffend Limitation oder Streichung eines Arzneimittels von der SL im Sinne der Art. 65 ff. KVV dar. In einem derartigen, nachgelagerten Überprüfungsprozedere, welches gemäss dem vorgängig dargestellten Ablauf eines HTA-Programms bei Stufe 4 ("Appraisal [Bewertung]/Decision"; vgl. 6.3 hiervor) begänne, stünden der Beschwerdeführerin als Zulassungsinhaberin sämtliche Parteirechte offen und damit auch die Möglichkeit, sich u.a. zum entsprechenden HTA-Bericht zu äussern (vgl. E. 5.2.2 hiervor). Ein solcher liegt zur Zeit aber noch nicht vor, sodass unsicher ist, ob das HTA überhaupt je zu einer entsprechenden Verfügung basierend auf KVV führen wird. Namentlich könnte der HTA-Bericht bzw. die darauf basierende Empfehlung der zuständigen Kommissionen ebenso zum Schluss gelangen, dass keine ausreichende Evidenz gegeben ist, die eine Limitation oder Streichung des betreffenden Medikaments von der SL zu rechtfertigen vermöchte. Anzumerken ist überdies, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des strittigen HTA durchaus Gelegenheit hatte, sich einzubringen, wurden doch sowohl der Verband Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (vips), stellvertretend für seine Mitglieder, als auch die Beschwerdeführerin selber im Verfahren als sogenannte Stakeholder begrüsst. Von dieser Option hat die Beschwerdeführerin denn auch ausgiebig Gebrauch gemacht. |
7.2.2 Zusammenfassend sind weder mit dem Beschluss der Bundesbehörden, ein konkretes HTA-Verfahren an die Hand zu nehmen, noch mit den nachfolgenden Schritten im Rahmen der Durchführung desselben unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber den Betroffenen verbunden. Auch besteht kein Anspruch von Involvierten, dass eine entsprechende Voruntersuchung eingeleitet wird oder gegenteils unterbleibt. Es liegt damit nach den vorstehend wiedergegebenen verfahrensrechtlichen Grundsätzen kein verfügungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des VwVG vor. Die spezifische Ausgestaltung des HTA als Instrument zur Erarbeitung einer Entscheidgrundlage, welches möglicherweise, nicht aber zwingend zur Einleitung eines Arzneimittelüberprüfungsverfahrens nach KVV führt, schliesst die Anwendung von Art. 25 bzw. 25a VwVG im hier zu beurteilenden Fall aus. Erst Letzteres beinhaltete anfechtbare verbindliche Hoheitsakte auf der Grundlage des VwVG, die eine Wahrung der entsprechenden Mitwirkungsrechte der Parteien erforderlich machten. Solange die Beschwerdeführerin lediglich befürchtet, durch das HTA in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen beeinträchtigt zu werden, ist sie - entgegen ihren Ausführungen - weder in ihren Rechten unmittelbar betroffen, noch ist ein anderweitiges besonderes Berührtsein erkennbar, das einen unzumutbaren Nachteil "auf Grund der hinausgeschobenen Eröffnung des Rechtswegs" bewirkte (vgl. E. 4.3.2 Absatz 3 hiervor). So stellt etwa der Einwand, die Veröffentlichung des Scoping-Berichts, der Stellungnahmen dazu und des HTA-Berichts führten bereits infolge ihrer blossen Existenz bei Ärzten und Patienten zu einer grossen Verunsicherung, wodurch sie als Zulassungsinhaberin schwerwiegend und direkt betroffen sei und geschädigt werde, eine reine Mutmassung bzw. Behauptung dar, die auf keinerlei Fakten beruht. Ebenso wenig kann ein entsprechender Nachteil im blossen Umstand gesehen werden, dass die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem eingeleiteten HTA-Verfahren "Aufwand und Kosten" generierte. Schliesslich ändert an diesem Ergebnis auch das Vorbringen in der Beschwerde nichts, in der Literatur (vgl. WIDRIG, a.a.O., S. 109 Ziff. 3.9.1) werde der Standpunkt vertreten, der HTA-Bericht sei als Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12 lit. e VwVG zu qualifizieren. Ob dies zutrifft und gegebenenfalls eine Verletzung der mit der Erstellung eines Gutachtens geltenden rechtlichen Anforderungen vorliegen würde, wäre in einem nachgelagerten Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren zu klären. |
Ein schützenswertes Interesse an einer nach Massgabe des VwVG formalisierten Beteiligung im HTA-Verfahren besteht somit nicht. In jedem Fall sind sämtliche Mitwirkungsrechte der Beschwerdeführerin, sollte der HTA-Bericht bzw. die gestützt darauf ergangene Empfehlung der zuständigen Stellen letztendlich zur Eröffnung eines KVV-Überprüfungsverfahrens führen, vollumfänglich gewahrt. Ein unmittelbarer Nachteil dadurch, dass der Beschwerdeführerin diese im HTA-Verfahren nicht - in einem formellen Sinne - zugestanden wurden, ist nicht ersichtlich. Darauf hinzuweisen ist zudem, dass das BAG der Beschwerdeführerin im Rahmen des HTA die Rolle der Stakeholderin zuerkannt hat und sie sich in dieser Funktion in verschiedenen Assessmentstadien mehrfach äussern konnte und weiterhin kann. Damit wurde auch den in ausserhalb des auf Erlass einer Verfügung gerichteten, dem VwVG unterstehenden Verfahren zur Anwendung gelangenden allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien Rechnung getragen (vgl. E. 4.1 am Ende hiervor).
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