BGer 4P.1/2000
 
BGer 4P.1/2000 vom 04.04.2000
[AZA 3]
4P.1/2000/rnd
I. ZIVILABTEILUNG
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4. April 2000
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
Präsident, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiber
Herren.
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In Sachen
Thermalquelle AG Zurzach, Quellenstrasse 30, 5330 Zurzach, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Luca Trisconi, Via S. Balestra 17, Postfach 2267, 6901 Lugano,
gegen
1. Walter Edelmann, Schlösslibuckweg 10, 5330
Zurzach,
2. Andreas Edelmann, Baslerstrasse 11d, 5330 Zurzach,
3. Georg Edelmann, Breitestrasse 42, 5330 Zurzach, Beschwerdegegner, alle vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald, Bahnhofstrasse 1, Postfach 31, 5330 Zurzach, Handelsgericht (Präsident) des Kantons Aargau,
betreffend
Art. 9, 26 Abs. 2 und 29 Abs. 2 BV
(vorsorgliche Massnahmen; rechtliches Gehör), hat sich ergeben:
A.-Mit Klage vom 16. November 1999 beantragten Walter, Andreas und Georg Edelmann (nachfolgend Beschwerdegegner) dem Handelsgericht des Kantons Aargau, es seien die Beschlüsse der Generalversammlung der Thermalquelle AG Zurzach (nachfolgend Beschwerdeführerin) vom 20. Oktober 1999 betreffend Ausübung des Stimmrechts bezüglich der Aktien der Beschwerdeführerin in der Generalversammlung der Thermalbad Zurzach AG durch einen Vertreter der Beschwerdeführerin (Nichtwiederwahl jener Verwaltungsräte, welche eine Erklärung gemäss Beschlussfassung nicht unterzeichnet haben) für nichtig zu erklären bzw. es seien (eventualiter) diese Beschlüsse aufzuheben. Die Beschwerdegegner begründeten die Klage im Wesentlichen damit, die Beschlüsse der ausserordentlichen Generalversammlung der Beschwerdeführerin vom 20. Oktober 1999 würden an verschiedenen formellen und inhaltlichen Mängeln leiden. Gleichzeitig reichten sie ein Summarbegehren ein, in dem sie beantragten, es sei richterlich festzustellen, dass keine genügende Rechtsgrundlage bestehe für die Vertretung des Aktienpaketes der Beschwerdeführerin beim Traktandum Wahl in den Verwaltungsrat in der Generalversammlung der Thermalbad Zurzach AG vom 24. November 1999 und dass bei diesem Traktandum dieses Aktienpaket unvertreten sein werde. Den Repräsentanten der Beschwerdeführerin (insbesondere dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Verwaltungsrates) sei unter Hinweis auf die Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB im Falle des Zuwiderhandelns zu verbieten, die Aktien der Beschwerdeführerin in der Generalversammlung der Thermalbad Zurzach AG beim Traktandum Wahl in den Verwaltungsrat zu vertreten. Diese Massnahmen seien superprovisorisch sofort im Sinne von § 294 ZPO/AG anzuordnen.
Mit superprovisorischer Verfügung vom 17. November 1999 verbot der Präsident des Handelsgerichts des Kantons Aargau den Organen bzw. Repräsentanten der Beschwerdeführerin unter Strafandrohung, die Aktien der Beschwerdeführerin in der Generalversammlung der Thermalbad Zurzach AG beim Traktandum "Wahl des Verwaltungsrates für die Amtsdauer von drei Jahre (GV 1999 bis GV 2002)" zu vertreten. Er räumte der Beschwerdeführerin Frist bis zum 19. November 1999 ein, um gegen das Gesuchsbegehren Einwände zu erheben. Die Beschwerdeführerin nahm diese Gelegenheit rechtzeitig wahr, worauf am 22. November 1999 um 16.00 Uhr eine mündliche Verhandlung stattfand, anlässlich der sie beantragte, das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen abzuweisen und die Beschwerdegegner zu einer Sicherheitsleistung in der Höhe von Fr. 40'000.-- bis Fr. 60'000.-- zu verpflichten. Mit Verfügung vom 23. November 1999 bestätigte der Präsident des Handelsgerichts die superprovisorische Verfügung, wies aber das Feststellungsbegehren der Beschwerdegegner und das Sicherstellungsbegehren der Beschwerdeführerin ab.
B.-Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde, Ziff. 1, 2, 4, 5 und 6 der Verfügung vom 23. November 1999 aufzuheben.
Die Beschwerdegegner schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Präsident des Handelsgerichts des Kantons Aargau hat zu einzelnen Punkten der Beschwerde Stellung genommen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.-a) Nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 88 OG tritt das Bundesgericht auf eine staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich nur ein, wenn der Beschwerdeführer ein aktuelles praktisches Interesse an der Überprüfung der von ihm erhobenen Rügen hat. Ein solches fehlt insbesondere dann, wenn der Nachteil auch bei Gutheissung des Rechtsmittels nicht mehr behoben werden kann. Ausnahmsweise tritt das Bundesgericht in solchen Fällen dennoch auf die Beschwerde ein, sofern sich die aufgeworfene Frage jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht und sie im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich überprüft werden könnte (BGE 118 Ia 488 E. 1a S. 490; 116 II 721 E. 6 S. 729, je mit Hinweisen).
Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen eine vorsorgliche Massnahme, mit der den Organen bzw. Repräsentanten der Beschwerdeführerin richterlich verboten wurde, deren Aktien bei der Wahl des Verwaltungsrats anlässlich der Generalversammlung der Thermalquelle AG Zurzach vom 24. November 1999 zu vertreten. Die Beschwerdegegner bestreiten ein aktuelles praktisches Interesse der Beschwerdeführerin an einer Überprüfung des angefochtenen Entscheids im Wesentlichen mit der Begründung, die betreffende Generalversammlung habe inzwischen stattgefunden. Die Beschwerdeführerin macht hingegen geltend, nachdem der Handelsgerichtspräsident ihr Begehren um Sicherstellung abgewiesen und ihr überdies drei Viertel der Kosten auferlegt habe, sei ein Interesse gegeben.
b) Ob sich ein Interesse der Beschwerdeführerin tatsächlich bereits aus der Abweisung ihres Sicherstellungsbegehrens ableiten lässt, erscheint fraglich, da die Beschwerdebegründung zu diesem Punkt keine Ausführungen enthält und sich das Vorhandensein eines aktuellen praktischen Interesses nach der Zielsetzung der erhobenen Beschwerde bestimmt (BGE 118 Ia 488 E. 2a S. 492). Nachdem der Beschwerdeführerin aber die Kosten des kantonalen Verfahrens zu drei Vierteln auferlegt wurden, ist ein hinreichendes Interesse an der Überprüfung der Verfassungsmässigkeit des angefochtenen Entscheids zu bejahen und auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten (vgl. BGE 100 Ia 392 E. 1b S. 395).
2.-a) Die Beschwerdeführerin wirft dem kantonalen Richter in zahlreichen Punkten eine Verletzung ihres Anspruches auf rechtliches Gehör vor. Zunächst beanstandet sie, die superprovisorische Verfügung vom 17. November 1999 sei nicht dem Präsidenten des Verwaltungsrates, sondern am Sitz der Gesellschaft zugestellt worden. Soweit sie damit geltend machen will, die Eröffnung der fraglichen Verfügung sei nicht rechtsgültig erfolgt, übersieht sie, dass Zustellungen, die für juristische Personen bestimmt sind, durch jedes zur Vertretung berechtigte Organ entgegengenommen werden können (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht,
3. Aufl. , Zürich 1979, S. 252 FN 72). Nach den unangefochtenen Feststellungen des kantonalen Richters war die superprovisorische Verfügung vom 17. November 1999 am Morgen des folgenden Tages dem Direktor der Beschwerdeführerin an ihrem Sitz in Zurzach ausgehändigt worden. Damit ist die Zustellung offensichtlich bereits am Vormittag des 18. November 1999 rechtsgültig erfolgt.
b) Auch die Rüge der Beschwerdeführerin, die Begründung der superprovisorischen Verfügung sei unzureichend, verfängt nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen aus der Begründung eines Entscheids kurz die Überlegungen hervorgehen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen. Es reicht indessen aus, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (BGE 121 I 54 E. 2c S. 57; 117 Ib 64 E. 4 S. 86, je mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall hat der kantonale Richter die fragliche Verfügung in der Sache zwar lediglich damit begründet, es erscheine aufgrund der im Hauptverfahren eingereichten Klage glaubhaft, dass den Beschwerdegegnern ein nicht wiedergutzumachender Nachteil drohe, wenn die Beschwerdeführerin ihr Wahlrecht an der Generalversammlung im geschilderten Sinn ausübe. Allerdings wurde der Beschwerdeführerin zugleich die Möglichkeit eingeräumt, durch blosse schriftliche Mitteilung ans Handelsgericht eine mündliche Verhandlung zu veranlassen, an der beide Parteien die Gelegenheit erhielten, sich zu den beantragten vorsorglichen Massnahmen zu äussern. Sie war mithin ohne weiteres in der Lage, sich gegen die superprovisorische Verfügung zur Wehr zu setzen. Nach der Durchführung der Verhandlung trat alsdann der selbständig begründete vorsorgliche Massnahmeentscheid an deren Stelle. In diesem Lichte genügt die Begründung der superprovisorischen Verfügung den verfassungsmässigen Anforderungen.
3.-Eine Verletzung ihres Anspruches auf rechtliches Gehör erblickt die Beschwerdeführerin sodann darin, dass ihr nicht zusammen mit der superprovisorischen Verfügung und dem Gesuch um vorsorgliche Massnahmen zugleich ein Exemplar der Klageschrift der Beschwerdegegner zugestellt worden sei. Sie habe erst am Abend des 19. November 1999 Einsicht in die Klage erhalten, nachdem ihr der Gegenanwalt eine Kopie per Fax habe zukommen lassen. Die Klagebeilagen habe sie sogar erst anlässlich der mündlichen Verhandlung am 22. November 1999 einsehen können. Dadurch habe sie zuwenig Zeit gehabt, sich mit den Vorbringen der Beschwerdegegner auseinanderzusetzen und auf die Verhandlung vorzubereiten. Durch die knapp bemessenen Fristen sei sie auch verhindert worden, einen externen Anwalt mit der Interessenwahrung zu betrauen.
Die superprovisorische Verfügung vom 17. November 1999 war der Beschwerdeführerin zusammen mit einem Exemplar des Gesuchs um Erlass vorsorglicher Massnahmen am Vormittag des 18. November 1999 rechtsgültig zugestellt worden (E. 2a hiervor). Die mündliche Verhandlung war vom Präsidenten des Handelsgerichts auf den folgenden Montag, den 22. November 1999 um 16.00 Uhr festgesetzt worden. Der Beschwerdeführerin verblieben also gut zweieinhalb Arbeitstage und ein Wochenende, um sich auf die Verhandlung vorzubereiten und allenfalls einem Rechtsanwalt ein Mandat zu erteilen. Dieser Zeitraum erscheint angesichts der Dringlichkeit der Beurteilung des Gesuchs der Beschwerdegegner als ausreichend. Da die umstrittene Generalversammlung der Thermalbad Zurzach AG bereits auf Mittwoch, den 24. November 1999, angesetzt war, blieb dem kantonalen Richter in zeitlicher Hinsicht praktisch kein Spielraum. Eine Verschiebung der mündlichen Verhandlung auf "einen der folgenden Tage", wie die Beschwerdeführerin geltend macht, hätte sie daher nur der Möglichkeit beraubt, ihre Argumente noch vor Durchführung der Generalversammlung vorzutragen. Die rasche Ansetzung erfolgte mithin gerade auch im Interesse der Beschwerdeführerin und verletzte ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.
Dass der Beschwerdeführerin mit der Eröffnung der superprovisorischen Verfügung nicht auch ein Exemplar der Klageschrift zugestellt wurde, ändert daran nichts: Es mag zutreffen, dass die materiellen Vorbringen der Kläger und Beschwerdegegner erst aus der Klageschrift detailliert hervorgehen.
Die Beschwerdeführerin war aber bereits am Donnerstag Vormittag, dem 18. November 1999, im Besitz der superprovisorischen Verfügung und des klägerischen Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen. Sie hätte daher genügend Zeit gehabt, beim Handelsgericht eine Kopie der Klageschrift anzufordern.
Wenn sie entsprechende Schritte nicht sofort, sondern erst am Freitag Abend einleitete und den Gegenanwalt um eine Faxkopie ersuchte, ist ihr dies selbst zuzurechnen. Jedenfalls hatte sie, wie sie selbst einräumt, auf diesem Wege noch am 19. November 1999 Kenntnis vom Inhalt der Klageschrift erhalten. Dass sie daraus ersehen konnte, welche Beilagen die Beschwerdegegner zu den Akten gegeben hatten, stellt sie nicht in Abrede. Zudem nahmen die Beschwerdegegner in dem der Beschwerdeführerin zugestellten Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen verschiedentlich Bezug auf die Akten des Hauptverfahrens und beantragten deren Beizug. Es wäre der Beschwerdeführerin freigestanden, sich jedenfalls am Montag Vormittag um Einsicht in die Klagebeilagen zu bemühen.
Dass ihr diese nicht gewährt worden wäre, macht sie nicht geltend.
4.-Ungerechtfertigt ist schliesslich auch der Vorwurf, der Präsident des Handelsgerichts habe sich mit dem Einwand der Beschwerdeführerin, aufgrund der knappen Fristen zuwenig Zeit für die Vorbereitung der Verhandlung zur Verfügung gehabt zu haben, nicht auseinandergesetzt. Aus dem Protokoll der Verhandlung vom 22. November 1999 geht vielmehr hervor, dass sich der Verwaltungsratspräsident der Beschwerdeführerin mehrmals zu dieser Frage äussern konnte. Der kantonale Richter ist auf diese Vorbringen in Ziff. I./4 des angefochtenen Entscheids eingegangen.
5.-Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.-Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
2.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.-Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.-Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht (Präsident) des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 4. April 2000
Im Namen der I. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: