BGer 1P.123/2000 |
BGer 1P.123/2000 vom 09.06.2000 |
[AZA 3]
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1P.123/2000/boh
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I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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9. Juni 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
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I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay,
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Bundesrichter Aeschlimann und Gerichtsschreiber Dreifuss.
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In Sachen
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1. Gerhard F. Musshafen, Eichengrundweg 6, Risch,
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2. Werner A. Stolz, Eichengrundweg 10, Risch, Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Jean Baptiste Huber, Untermüli 6, Postfach, Zug,
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gegen
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Matthias Bernhardt, Eichengrundweg 12, Risch, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Schweiger, Grosshaus am Kolinplatz 2, Zug, Gemeinderat Risch, Regierungsrat des Kantons Z u g, vertreten durch die Baudirektion,
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Verwaltungsgericht des Kantons Z u g, Verwaltungsrechtliche Kammer,
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betreffend
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Baubewilligung, hat sich ergeben:
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A.- Matthias Bernhardt ist Eigentümer der in der Landhauszone gelegenen Liegenschaft GS Nr. 807 am Eichengrundweg 12 in Risch. Er plant die Umgestaltung der Umgebung, u.a. den Ersatz der Einfriedung, den Bau verschiedener Eingangstore sowie eines zusätzlichen Parkplatzes.
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Der Gemeinderat Risch erteilte ihm am 21. April 1998 eine Baubewilligung für die teilweise bereits ausgeführten Bauten und wies gleichentags die gegen das Baugesuch erhobenen Einsprachen ab.
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B.- Hiergegen gelangten Gerhard F. Musshafen und Werner A. Stolz mit Verwaltungsbeschwerden an den Regierungsrat des Kantons Zug. Dieser hiess die beiden Beschwerden am 17. November 1998 gut und hob den Entscheid des Gemeinderates vom 21. April 1998 im Sinne der Erwägungen auf. Er führte in materieller Hinsicht aus, dass die Gittertore für den Garagevorplatz und den Besucherparkplatz sowie der Besucherparkplatz überhaupt nach der Bauordnung der Gemeinde Risch (BO) aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht hätten bewilligt werden dürfen. Die Beschwerden seien weiter gutzuheissen, weil die Betonpfeiler der Gitterzauneinfriedung den zulässigen Grenzabstand unterschritten und keine schriftliche Einigung mit den betroffenen Nachbarn vorliege.
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C.- Am 29. Dezember 1999 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug eine von Matthias Bernhardt hiergegen erhobene Beschwerde gut, hob den Entscheid des Regierungsrates vom 17. November 1998 auf und stellte die Baubewilligung des Gemeinderates vom 21. April 1998 wieder her.
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D.- Gegen dieses Urteil führen Gerhard F. Musshafen und Werner A. Stolz mit Eingabe vom 2. März 2000 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Art. 8, 9, 29 und 26 BV.
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E.- Matthias Bernhardt und das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Baudirektion und der Gemeinderat Risch haben auf Vernehmlassungen verzichtet.
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F.- Mit Verfügung vom 30. März 2000 hat der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Beim angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid im Sinne von Art. 86 OG, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich zulässig ist.
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2.- a) Nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 88 OG kann mit der staatsrechtlichen Beschwerde nur die Verletzung rechtlich geschützter eigener Interessen gerügt werden; zur Verfolgung bloss tatsächlicher Vorteile steht dieses Rechtsmittel nicht zur Verfügung. Die eigenen rechtlichen Interessen, auf die sich der Beschwerdeführer berufen muss, können entweder durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder aber unmittelbar durch ein angerufenes spezielles Grundrecht geschützt sein, sofern sie auf dem Gebiet liegen, welches die betreffende Verfassungsbestimmung beschlägt (BGE 123 I 41 E. 5b S. 42 f.; 122 I 373 E. 1 S. 374, je mit Hinweisen).
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Das in Art. 4 aBV enthaltene allgemeine Willkürverbot verschaffte, soweit Mängel in der Rechtsanwendung gerügt wurden, für sich allein noch keine geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG (BGE 123 I 279 E. 3c/aa S. 280; 121 I 267 E. 2, 367 E. 1b S. 369, je mit Hinweisen). An dieser Rechtsprechung ist, wie das Bundesgericht entschieden hat (zur Publikation bestimmtes Urteil i.S. P. vom 3. April 2000, E. 2-6), auch unter der Herrschaft der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (in Kraft seit 1. Januar 2000) festzuhalten, welche das bisher aus Art. 4 aBV abgeleitete Willkürverbot nunmehr ausdrücklich statuiert (Art. 9 BV).
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Nach der demnach fortzuführenden, bisherigen Praxis zu Art. 88 OG sind Eigentümer benachbarter Grundstücke befugt, die Erteilung einer Baubewilligung anzufechten, wenn sie die Verletzung von Bauvorschriften geltend machen, die ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz der Nachbarn dienen. Zusätzlich müssen sie darlegen, dass sie sich im Schutzbereich der Vorschriften befinden und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Bauten betroffen werden (BGE 118 Ia 112 E. 2a mit Hinweisen).
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b) Die Beschwerdeführer rügen, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung der Anwendung von kommunalen Vorschriften über die Verkehrssicherheit von Ein- und Abstellplätzen (§ 30 BO) bzw. von Ein- und Ausfahrten (§ 31 BO) seine Überprüfungsbefugnis überschritten, indem es frei darüber entschieden habe, ob das streitige Bauprojekt gefahrlos benutzt werden könne und die Verkehrssicherheit gefährdet sei. Ferner habe es seiner Beurteilung der Verkehrssicherheit einen offensichtlich fehlerhaften und damit willkürlich festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt.
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Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Nachbarn zur Rüge befugt, die Zufahrt zum Nachbargrundstück sei ungenügend, wenn ihnen eine Beeinträchtigung der eigenen Zufahrt droht (BGE 115 Ib 347 E. 1c/bb; Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juli 1978, ZBl 79/1978, S. 538 E. 1d). Bestimmungen über die Verkehrssicherheit von Zufahrten haben dagegen keine nachbarschützende Funktion (Urteil des Bundesgerichts vom 17. März 1998, ZBl 100/1999 S. 136, E. 1b).
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Die Beschwerdeführer machen nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, dass sie durch die behaupteten Mängel in erheblichem Masse in ihrer eigenen Zufahrt beeinträchtigt würden. Sie berufen sich einzig auf öffentliche Interessen der Verkehrssicherheit. Sie behaupten auch nicht, die als verletzt gerügten Vorschriften von § 30 f. BO dienten der Aufrechterhaltung der ordentlichen Erschliessung ihrer Grundstücke. Auf die im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Vorschriften vorgebrachten Rügen, das Verwaltungsgericht habe in willkürlicher Weise sein Ermessen an Stelle desjenigen des Regierungsrates gesetzt und den Sachverhalt unrichtig festgestellt bzw. gewürdigt, kann deshalb mangels Legitimation der Beschwerdeführer nicht eingetreten werden.
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c) Weiter rügen die Beschwerdeführer, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung zweier Paare von Eckpfosten der Einfriedung eine kommunale Vorschrift über den Grenzabstand von Mauern und Einfriedungen (§ 27 BO) willkürlich angewendet.
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Vorschriften über Grenz- und Gebäudeabstände kommt regelmässig auch nachbarschützende Funktion zu; sie liegen grundsätzlich nicht nur in einem allgemeinen öffentlichen Interesse, sondern umschreiben auch die rechtlich geschützte Sphäre der Nachbarn (vgl. BGE 113 Ia 468 E. 1b S. 470; 112 Ia 88 E. 1b, je mit Hinweisen); sie sollen insbesondere jegliche Einflüsse von Bauten und ihrer Benutzung auf Nachbargrundstücke mindern (Erich Zimmerlin, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Aufl. , 1985, N. 3 zu §§ 163 - 165). Das Verwaltungsgericht hielt im angefochtenen Entscheid denn auch fest, die von den Beschwerdeführern angerufene Grenzabstandsvorschrift von § 27 BO diene der nachbarlichen Rücksichtnahme.
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Zu beachten ist aber, dass die Beschwerdeführer eine Grenzabstandsunterschreitung von vier Eckpfosten der streitbetroffenen Einfriedung gegenüber der Strasse rügen.
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Die Parzellen der Beschwerdeführer liegen nicht unmittelbar auf der gegenüberliegenden Strassenseite dieser Pfosten, sondern rund 20 m davon entfernt. Es erscheint demnach fraglich, ob sich die Beschwerdeführer insoweit im Schutzbereich der angerufenen Vorschrift befinden und durch ein Abweichen von ihr in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen sind. Wie es sich damit verhält kann indessen offen bleiben, da sich die erhobenen Rügen als offensichtlich unbegründet erweisen, wie nachfolgend darzulegen ist.
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3.- a) Gemäss § 27 Abs. 1 BO dürfen Einfriedungen und Mauern an die Grenze gestellt werden, sofern sie nicht höher als 1.50 m sind. Höhere Mauern sind um das Mehrmass ihrer Höhe von der Grenze abzurücken, sofern nicht gegenüber einer öffentlichen Strasse eine Ausnahmebewilligung gegen Revers gewährt wird oder sich die Nachbarn schriftlich einigen.
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Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts weisen je zwei Eckpfosten der Einfriedung bei der Einfahrt zum Garagevorplatz und beim Eingang zur Haustüre eine Höhe von 1.80 m auf, wobei die obersten 15 cm in Pyramidenform verlaufen und der Abstand zur Grenze ca. 5 cm beträgt. Wie aus den Akten weiter hervorgeht besteht die Einfriedung im Übrigen aus einer 42 cm hohen Mauer, über der ein Gitter angebracht wird, das die zulässige Höhe gemäss § 27 BO einhält.
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b) Der Gemeinderat legte § 27 BO im Entscheid vom 21. April 1998 über die Einsprachen der Beschwerdeführer in dem Sinne aus, dass Eckpfosten bzw. Eckpfeiler einer Mauer durchaus höher sein dürften als die Mauer selbst. Das Verwaltungsgericht entschied, dieser Auslegung könne jedenfalls unter den konkreten Umständen gefolgt werden: Die vorliegende "Gitterlösung" nehme sich optisch viel weniger schwer und massiv aus als eine geschlossene Mauer.
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Die Beschwerdeführer rügen, das Verwaltungsgericht habe damit das Willkürverbot und die Eigentumsgarantie verletzt.
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§ 27 BO räume der gesetzesanwendenden Behörde kein Ermessen ein, weshalb nicht von der Vorschrift abgewichen werden dürfe, weil eine Einfriedung optisch leicht wirke oder die Höhe nur geringfügig überschritten werde; auch eine Ausnahmebewilligung zur Abweichung von § 27 BO hätte das Verwaltungsgericht nicht selber erteilen dürfen.
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Diese Vorbringen gehen insoweit an der Sache vorbei als vorliegend kein Ermessensentscheid gefällt wurde, dass die Mauer höher als nach der Regelbauweise erstellt werden dürfe. Die Beschwerdeführer tun nicht dar und es ist nicht ersichtlich, weshalb es im vorliegenden Fall geradezu willkürlich sein soll, die Eckpfosten von der generellen Höhenbeschränkung für Mauern gemäss § 27 BO auszunehmen. Schon der Wortlaut dieser Bestimmung, der nur von "Mauern" bzw.
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"Einfriedungen" spricht, die sich im Gegensatz zu blossen Pfosten über eine bestimmte Länge erstrecken, steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Durfte das Verwaltungsgericht damit willkürfrei annehmen, dass die Pfosten der Vorschrift von § 27 BO nicht widersprechen, stellt sich die Frage der Erteilung einer Ausnahmebewilligung gar nicht.
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4.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Ferner sind sie zu verpflichten, den anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
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3.- Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
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4.- Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Risch sowie dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 9. Juni 2000
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Der Gerichtsschreiber:
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